von Heinz-Roger Dohms, 18. Oktober 2017
Zu sagen, dieses Papier habe es in sich, wäre eine Untertreibung.
Die Research-Abteilung der Commerzbank hat ihre Buy-Side-Kunden gestern vor einer „säkularen Zäsur“ in der europäischen Bankenindustrie gewarnt. In der „What if the game changes?“ betitelten Kurzstudie, die „Finanz-Szene.de“ vorliegt, entwerfen die Coba-Analysten ein Szenario, wonach viele Institute schon in wenigen Jahren in existenzielle Schwierigkeiten geraten könnten. Dabei weisen die Autoren explizit auf steigende Risiken für die Besitzer nachrangiger Anleihen hin. Soll wohl heißen: Für die Banken geht es in Zukunft gar nicht mehr darum, die Ansprüche ihrer Aktionäre zu befriedigen. Sondern nur mehr darum, aus ihren notwendig kargen Gewinnen irgendwie die Schulden bei den Bondholdern zu begleichen.
Besonders spannend ist, dass die Analysten – anders als man meinen sollte – ihre Argumentation nicht etwa vom Zinstief her denken (das Wort „Zinsen“ taucht in dem siebenseitigen Papier überhaupt nicht auf). Stattdessen knüpft die Commerzbank das Schicksal der europäischen Finanzindustrie quasi eins zu eins an die Frage, ob die Branche die Digitalisierung meistert. So heißt es gleich zu Beginn des Papers wörtlich:
„Es besteht die reale Möglichkeit, dass sich die Wertschöpfungskette und die Marktstruktur in der Bankenbranche in den kommenden zehn Jahren signifikant verändern werden. Falls es wirklich so kommt – dann wird sich dies auf die Art und Weise auswirken, wie Banken arbeiten und wie sich ihre Marktposition, ihre Ertragskraft und ihre Bonität entwickeln. Bislang basieren die Digitalstrategien der Banken auf der Annahme, dass der Status quo erhalten bleibt – die Bank also die zentrale Anlaufstelle des Kunden bleibt. Wir dagegen halten es für möglich, dass die Banken stattdessen disintermediert und auf eine Rolle reduziert werden, in der sie nur noch ihre Bilanzsumme zur Verfügung stellen.“
Um es kurz zu machen: Der Rest der Sprengsatz-Studie ist etwas für Digitalisierungs-Feinschmecker, Transformations-Anhänger, Disruptions-Bejaher, API-Jünger und PSD2-Fetischisten. In drei Sätzen zusammengefasst: Ihre Preishoheit haben die Banken bereits verloren. Ihre Kundenhoheit drohen sie zu verlieren. Der Rest wird bitter.
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