von Christian Kirchner und Heinz-Roger Dohms, 16. April 2024
Man kann es natürlich machen wie die Mittelbrandenburgische Sparkasse. Und einfach das Gaspedal bis zum Anschlag durchtreten. Zur Erinnerung: Während das branchenweite Neugeschäft in der privaten Baufinanzierung vergangenes Jahr um 37% sank und die Sparkassen-Finanzgruppe sogar einen Rückgang um 44% vermeldete, fuhr parallel die MBS die Neukreditvergabe mal eben um 9% hoch. Was einem Wunder glich (siehe hier). Bei Lichte betrachtet aber keins war.
Denn wenn stimmt, was Branchenkenner erzählen, dann hat die größte ostdeutsche Sparkasse ihr Geschäft vor allem dadurch gestützt, dass sie ihre Kredite im großen Stil über Interhyp feilbot – mitsamt des entsprechenden Pricings. Kann man, wie gesagt, so machen. Ist margen- bzw- risikotechnisch aber natürlich gewagt. Und taugt, wenn überhaupt, dann allenfalls auf Einzelinstituts-Ebene als Strategie. Denn selbstredend können sich all die Banken und Sparkassen, die da draußen in der Baufinanzierung ihr Glück suchen, nicht unentwegt gegenseitig unterbieten. Irgendwo sind dem Neugeschäft natürliche Grenzen gesetzt. Zumal, wenn der Markt das tut, was er zuletzt anderthalb Jahre lang getan hat – nämlich erst schrumpfen und sich dann nicht erholen.
Jedenfalls, und damit nun ins Hier und Jetzt: Wenn nicht alles täuscht, dann springt das Geschäft mit Wohnbaukrediten ja nun langsam doch wieder an. Was man angesichts der überragenden Bedeutung des privaten Baufi-Markts (Gesamtvolumen: 1,8 Billionen Euro) kaum hoch genug gewichten kann. Indes: Haben wir es mit einer wirklichen Trendwende zu tun – oder eher mit einem Strohfeuer? Wie haben sich die Marktverhältnisse nach anderthalb Jahren Krise verschoben? Und was ist mit den Plattformen – hat die Baisse ihre Marktposition weiter gestärkt oder setzen Banken und Sparkassen jetzt wieder stärker auf den Direktvertrieb?
Unser „Deep Dive“ mit erstaunlichen neuen Erkenntnissen:
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Sie stützt sich auf etliche Aussagen aus dem Markt und inzwischen auch auf etliche verfügbare Datenpunkte.
Konkret:
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Für diese Annahme spricht …,
Dagegen spricht …,
Die momentane Tendenz scheint zu sein: Ja, der Aufschwung dürfte nachhaltig im Sinne von stabil sein – ob er aber auch nachhaltig im Sinne von kräftig ausfällt, steht abzuwarten.
Die private Baufinanzierung ist für viele Banken und Sparkassen hierzulande das wichtigste Geschäftsfeld überhaupt. Ausgedrückt in einigen wenigen Stichpunkten:
In den Boom-Jahren waren es vor allem die Sparkassen und Genobanken, die ihre Marktanteile massiv ausbauten. Konkret: Während sich der Gesamtmarkt zwischen Anfang 2010 und Ende 2021 (also dem letzten kompletten Boom-Jahr) um 54% ausweitete, legten die Sparkassen um 76% zu, die Genobanken sogar um 104%.
Kehrseite: Die beiden Verbünde schlitterten (übrigens ebenso wie die ING Diba) mit einer extremen Baufi-Abhängigkeit in die Krise hinein …
..., weshalb sich nun die Frage stellt, wie die Krise den Baufi-Markt verändert hat.
Schauen wir deshalb zunächst auf den Gesamtmarkt, hier anhand der einschlägigen Monatszahlen der Bundesbank ...
... Man sieht: Die Boom-Phase hielt an bis März 2022 (mit damals 32,3 Mrd. Euro der absolute Rekordmonat). Danach ging es zunächst langsam und spätestens seit der EZB-Zinswende Mitte 2022 immer schneller bergab, bis der Markt im Februar 2023 mit 12,1 Mrd. Euro seinen Tiefpunkt erreichte. Danach stabilisierte sich das Geschäft zwar, erholen konnte es sich aber nicht, wie beispielhaft der August-Wert (12,3 Mrd. Euro) und der Dezember-Wert (12,2 Mrd. Euro) zeigen. Erst für den Januar deuteten die Buba-Daten (die, wie gesagt, etwas spätindikativ sind) erstmals wieder deutlich nach oben.
2021 (also im letzten vollständigen Boom-Jahr) vergaben deutsche Banken ausweislich der Bundesbank-Zahlen alles in allem Kredite im Umfang von 284 Mrd. Euro. Im Krisenjahr 2023 waren es dagegen nur noch 161 Mrd. Euro. Ein Einbruch um 43% binnen zwei Jahren.
Leider bricht die Bundesbank ihre Neugeschäfts-Zahlen nicht auf einzelne Bankengruppen herunter, und auch die meisten Institute selbst sind beim Ausweis ihrer Neukreditvergabe eher zurückhaltend. Zwei wesentliche Marktakteure geben diesen Datenpunkt aber sehr wohl preis, nämlich die Sparkassen (über den DSGV) und die ING Diba. Darüber hinaus hat Finanz-Szene auch noch weitere Datenpunkte zusammengetragen, nämlich von mehreren Sparkassen (darunter die eingangs schon erwähnte MBS) und auch aus dem genossenschaftlichen Verbund.
Nun gilt es zwar vorwegzuschicken, dass die Zahlen vermutlich nicht zu 100% vergleichbar sind (weil es zum Beispiel sein könnte, dass sich manche Angaben auf den Zeitpunkt der Kreditzusage, andere jedoch auf den Zeitpunkt der Kreditauszahlung beziehen). Die Aussage, dass die Akteure ihr Neugeschäft in auffallend unterschiedlichem Maße heruntergefahren haben, müsste sich auf Basis der folgenden Grafik aber doch treffen lassen:
Dabei fällt konkret auf:
Wenn zwei wesentliche Player, also die Sparkassen und die ING Diba, so deutlich hinter dem Gesamtmarkt zurückbleiben – dann könnte das (siehe den Hinweis weiter oben) damit zusammenhängen, dass die Buba-Zahlen und die Instituts-Zahlen nicht 1:1 vergleichbar sind. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass andere Banken- bzw. Bankengruppen ihren Marktanteil während der Krise hochgefahren haben. An dieser Stelle rücken nun die Genobanken in den Blick. Bei ihnen ist die Datenbasis zwar leider dürr – die wenigen Datenpunkte, die es gibt, könnten allerdings (bloße Vermutung) darauf hindeuten, dass die genossenschaftliche Bankengruppe tatsächlich versucht hat, ihr Neugeschäft so gut wie möglich zu verteidigen. Im Einzelnen:
Die Frage ist nun: Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass viele Genobanken 2022 immer noch auf dem Gas standen – haben sie das dann 2023 auch noch getan? Der Fall der bayerischen Genobanken spricht gegen diese These (denn bei denen musste das Neugeschäft 2023 dann ja doch bluten). Allerdings:
Kann es also sein, dass die Genobanken ihren Marktanteil in der Krise tatsächlich weiter hochgefahren haben? Und wenn ja – wäre dieses Wachstum gesund (denn Wettbewerber wie die ING Diba haben das Geschäft ja nicht grundlos zurückgefahren ...)? Speziell mit Blick auf manche Sparda-Banken und manche PSD-Banken sind Zweifel angebracht. Denn in beiden Gruppen war die Abhängigkeit von der privaten Baufinanzierung auch schon vor der Krise extrem hoch (beispielhaft: Bei der Sparda Baden-Württemberg standen private Wohnbaukredite per Ende 2022 für rund 70% der Bilanzsumme).
Freilich: Vielleicht ist die Abhängigkeit auch so hoch, dass man möglicherweise gar nicht mehr anders kann, als sich in noch größere Abhängigkeit zu begeben?
Ein säkularer Trend im Baufi-Boom war der stete Marktanteilsgewinn von Vermittlungs-Plattformen wie Hypoport, Interhyp oder Bilthouse. Wurden 2010 grob geschätzt erst 4% aller Baufi-Neugeschäfte über Plattformen abgewickelt, so dürfte diese Quote (wenn wir einmal alle statistischen und definitorischen Unschärfen beiseite lassen) inzwischen bei über 50% liegen – wobei sich Interhyp und Hypoport den Markt als große B2B- und B2C-Player bislang weitgehend unter sich aufteilen (siehe –> Wie Hypoport und Interhyp die Baufinanzierung duopolisieren).
Hat die Zinswende die "Plattformisierung" gebremst – oder beschleunigt? Eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten, zumal die von Hypoport kommunizierten Daten auf anderen Prämissen beruhen als die Interhyp-Zahlen. Leichte Tendenzen allerdings könnte es geben:
In Zahlen (und unter Auslassung der Tatsache, dass die Buba-Daten den Plattform-Daten, wie gesagt, leicht nachlaufen) sieht das Ganze so aus:
In dieser Betrachtung hat sich Hypoport in der Krise (also 2022 und 2023) etwas besser geschlagen als der Gesamtmarkt – wohingegen sich das Interhyp-Neugeschäft schwächer entwickelt hat, als es die Bundesbank-Zahlen nahelegen. Gut möglich, dass sich im Falle von Interhyp die defensive Neugeschäfts-Strategie der ING Diba niederschlägt. Schließlich sind die beiden Schwesterunternehmen und holt die ING Diba einen beträchtlichen Teil ihres Neugeschäfts normalerweise über Interhyp.
Auf den ersten Blick mag es paradox aussehen: Die deutsche Kreditwirtschaft erlebt in ihrem wichtigsten Geschäftsfeld einen historischen Einbruch des Neugeschäfts – und fährt zugleich ihre Ergebnisse dramatisch nach oben (wobei solche Banken ergebnistechnisch massiv zulegen, die in der Baufinanzierung besonders stark zurückstecken, siehe ING Diba, siehe Stadtsparkasse Düsseldorf, siehe Sparkasse Köln-Bonn).
Ein Widerspruch? Nein, natürlich kein Widerspruch. Denn Banken und Sparkassen haben mit ihren Einlagen (also mit ihrem Passivgeschäft) zuletzt derart viel Geld verdient, dass der Einschlag in der Baufinanzierung für den Moment kaum ins Gewicht fällt, wie diese Bundesbank-Tabelle hier illustriert ...
(wer sich tiefer mit dieser Grafik auseinandersetzen will, dem empfehlen wir unser Stück –> Minus 30%! Zinsergebnis der deutschen Banken soll schon 2024 einknicken)
Freilich: Die positiven Effekte der Zinswende auf das Passivgeschäft sind in den letzten Monaten bereits zurückgegangen – und in den anstehenden Quartalen dürfte es so weitergehen. Zugleich laufen auf der Aktivseite allmählich auch die letzten gutverzinsten Altkredite aus der Zeit vor der Niedrigzinsphase aus – während zugleich das Gewicht der schlecht verzinsten Kredite aus der Nullzins-Ära zunimmt, weil nach der Zinswende nur wenig Neugeschäft reinkam. Und dann ist da ja auch die schwache Konjunktur, die zu vermehrten Kreditausfällen führen könnte ...
Droht da was?
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