Deep Dive

Umbruch in der Baufinanzierung: ING Diba steckt zurück – Genobanken powern weiter

Man kann es natürlich machen wie die Mittelbrandenburgische Sparkasse. Und einfach das Gaspedal bis zum Anschlag durchtreten. Zur Erinnerung: Während das branchenweite Neugeschäft in der privaten Baufinanzierung vergangenes Jahr um 37% sank und die Sparkassen-Finanzgruppe sogar einen Rückgang um 44% vermeldete, fuhr parallel die MBS die Neukreditvergabe mal eben um 9% hoch. Was einem Wunder glich (siehe hier). Bei Lichte betrachtet aber keins war.

Denn wenn stimmt, was Branchenkenner erzählen, dann hat die größte ostdeutsche Sparkasse ihr Geschäft vor allem dadurch gestützt, dass sie ihre Kredite im großen Stil über Interhyp feilbot – mitsamt des entsprechenden Pricings. Kann man, wie gesagt, so machen. Ist margen- bzw- risikotechnisch aber natürlich gewagt. Und taugt, wenn überhaupt, dann allenfalls auf Einzelinstituts-Ebene als Strategie. Denn selbstredend können sich all die Banken und Sparkassen, die da draußen in der Baufinanzierung ihr Glück suchen, nicht unentwegt gegenseitig unterbieten. Irgendwo sind dem Neugeschäft natürliche Grenzen gesetzt. Zumal, wenn der Markt das tut, was er zuletzt anderthalb Jahre lang getan hat – nämlich erst schrumpfen und sich dann nicht erholen.

Jedenfalls, und damit nun ins Hier und Jetzt: Wenn nicht alles täuscht, dann springt das Geschäft mit Wohnbaukrediten ja nun langsam doch wieder an. Was man angesichts der überragenden Bedeutung des privaten Baufi-Markts (Gesamtvolumen: 1,8 Billionen Euro) kaum hoch genug gewichten kann. Indes: Haben wir es mit einer wirklichen Trendwende zu tun – oder eher mit einem Strohfeuer? Wie haben sich die Marktverhältnisse nach anderthalb Jahren Krise verschoben? Und was ist mit den Plattformen – hat die Baisse ihre Marktposition weiter gestärkt oder setzen Banken und Sparkassen jetzt wieder stärker auf den Direktvertrieb?

Unser „Deep Dive“ mit erstaunlichen neuen Erkenntnissen:

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1.) Worauf stützt sich die These von der Trendwende?

Sie stützt sich auf etliche Aussagen aus dem Markt und inzwischen auch auf etliche verfügbare Datenpunkte.

Konkret:

  • Im November und Dezember habe seine Bank eine spürbare Belebung der Baufi-Nachfrage beobachtet, erklärte ING-Diba-Chef Nick Jue bei der Bilanz-PK seines Instituts am 1. Februar (siehe hier)
  • Der Januar sei „der antragsstärkste Monat aller Zeiten“ gewesen, erklärte Jörg Utecht, Vorstandschef des ebenfalls zum ING-Konzern gehörenden Münchner Baufi-Vermittlers Interhyp, bei der Jahres-PK seines Unternehmens am 22. Februar (siehe hier). Utecht sagte und meinte tatsächlich „aller Zeiten“. Also nicht nur der stärkste Monat seit dem Markteinbruch 2022. Freilich: Wie viele dieser Anträge in tatsächliche Finanzierungen mündeten, verriet der Interhyp-CEO nicht.
  • Der börsennotierte Interhyp-Konkurrent Hypoport vermeldete dieser Tage, dass sein Transaktionsvolumen bezogen auf private Wohnimmobilien-Kredite im Schlussquartal über alle von ihm betriebenen Plattformen hinweg um 8% gestiegen sei. (Dazu muss man wissen, dass Hypoport die Kredite zum Zeitpunkt der Ermittlung erfasst, im Gegensatz zur – siehe die nächsten beiden Punkte – Bundesbank, deren Statistiken auf dem Zeitpunkt der Auszahlung basieren. Darum laufen die Zahlen der Bundesbank denen von Hypoport rund 1-2 Monate hinterher).
  • Am 4. März berichtete „Finanz-Szene“ exklusiv unter Berufung auf Notenbank-Daten, dass das Baufi-Neugeschäft im Januar auf 14,7 Mrd. Euro gestiegen ist. Dies bedeutete einen Anstieg um 21% verglichen mit dem direkten Vormonat bzw. um 15% gemessen am Vorjahresmonat.
  • Die Ende letzter Woche veröffentlichten Baufi-Zahlen für den Februar (14,2 Mrd. Euro) stützten die Diagnose, zumal der Februar zwei Tage bzw. einen Arbeitstag weniger hatte als der Januar.
  • Bei den Sparkassen lagen die Zusagen für private Wohnungsbaukredite im Januar um 23% über dem Vorjahreswert, wie DSGV-Präsident Ulrich Reuter kürzlich berichtete
  • Aus der Commerzbank hören wir aktuell, dass sich das Baufi-Geschäft nicht nur um Januar, sondern auch im Februar „deutlich erholt“ gezeigt habe. Auch aus der ING Diba heißt es, im Januar und auch Februar sei die Entwicklung weiterhin positiv gewesen.

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2.) Ist die Erholung wirklich nachhaltig?

Für diese Annahme spricht …,

  • dass sich die Belebung inzwischen über mehrere Monate zu erstrecken scheint
  • dass die Belebung mit der Zinsentwicklung einherzugehen scheint. Seit Oktober fiel der durchschnittliche effektive Jahreszins für die typische Finanzierung mit zehnjähriger Zinsfestschreibung von einem 13-Jahres-Hoch von rund 4,0% auf zuletzt noch rund 3,1% – in der Folge zogen die Anfragen, flankiert auch von fallenden Preisen, offenbar sukzessive wieder an. Da die EZB gen Jahresmitte die Leitzinsen erstmals wieder senken dürfte, ist die Zinslage weiter stützend
  • dass die Kreditnachfrage (man denke an die Aussagen von Interhyp-Chef Utecht) immens zu sein scheint, sich also einiges an Kreditbedarf angestaut zu haben scheint
  • dass die frühindikativen Hypoport-Zahlen mit den spätindikativen Buba-Zahlen einhergehen, man also momentan kaum Widersprüche in den Datenpunkten erkennt

Dagegen spricht …,

  • dass die Buba-Zahlen (und die sind letztlich der entscheidende Gradmesser) zumindest im Dezember immer noch schwach waren
  • dass die Buba-Zahlen für Januar und Februar zwar eine deutliche Belebung indizieren – das Neugeschäft aber mit 14-15 Mrd. Euro gleichwohl immer noch weit hinter den vor 2022 gängigen Werten von 19-22 Mrd. Euro zurückbleibt

Die momentane Tendenz scheint zu sein: Ja, der Aufschwung dürfte nachhaltig im Sinne von stabil sein – ob er aber auch nachhaltig im Sinne von kräftig ausfällt, steht abzuwarten.

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3.) Wie hat sich der Baufi-Markt in der Krise verändert?

Die private Baufinanzierung ist für viele Banken und Sparkassen hierzulande das wichtigste Geschäftsfeld überhaupt. Ausgedrückt in einigen wenigen Stichpunkten:

  • Der branchenweite Kreditbestand war per Ende 2023 mit 1,802 Billionen Euro trotz des eingebrochenen Neugeschäfts unverändert extrem hoch (was daran liegt, dass Kunden seit dem Zinsanstieg auf Sondertilgungen verzichten und – wo immer das vertraglich möglich – ihre Tilgungsraten senken)
  • Der jährliche Ertrags-Pool des Baufi-Geschäfts dürfte bei >20 Mrd. Euro liegen (so zumindest war es vor der Krise, wie aus einer ZEB-Studie von 2021 hervorgeht)
  • Die private Baufinanzierung beflügelt bei vielen Instituten auch das übrige Geschäft, etwa indem die Kreditvergabe an die Eröffnung eines Girokontos geknüpft wird oder über den Kreditvertrag hinaus weitere Dienstleistungen verkauft werden (Versicherung, Objektbewertung …)

In den Boom-Jahren waren es vor allem die Sparkassen und Genobanken, die ihre Marktanteile massiv ausbauten. Konkret: Während sich der Gesamtmarkt zwischen Anfang 2010 und Ende 2021 (also dem letzten kompletten Boom-Jahr) um 54% ausweitete, legten die Sparkassen um 76% zu, die Genobanken sogar um 104%.

Kehrseite: Die beiden Verbünde schlitterten (übrigens ebenso wie die ING Diba) mit einer extremen Baufi-Abhängigkeit in die Krise hinein …

..., weshalb sich nun die Frage stellt, wie die Krise den Baufi-Markt verändert hat.

Schauen wir deshalb zunächst auf den Gesamtmarkt, hier anhand der einschlägigen Monatszahlen der Bundesbank ...

... Man sieht: Die Boom-Phase hielt an bis März 2022 (mit damals 32,3 Mrd. Euro der absolute Rekordmonat). Danach ging es zunächst langsam und spätestens seit der EZB-Zinswende Mitte 2022 immer schneller bergab, bis der Markt im Februar 2023 mit 12,1 Mrd. Euro seinen Tiefpunkt erreichte. Danach stabilisierte sich das Geschäft zwar, erholen konnte es sich aber nicht, wie beispielhaft der August-Wert (12,3 Mrd. Euro) und der Dezember-Wert (12,2 Mrd. Euro) zeigen. Erst für den Januar deuteten die Buba-Daten (die, wie gesagt, etwas spätindikativ sind) erstmals wieder deutlich nach oben.

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4.) Wie sieht der Baufi-Markt heute aus?

2021 (also im letzten vollständigen Boom-Jahr) vergaben deutsche Banken ausweislich der Bundesbank-Zahlen alles in allem Kredite im Umfang von 284 Mrd. Euro. Im Krisenjahr 2023 waren es dagegen nur noch 161 Mrd. Euro. Ein Einbruch um 43% binnen zwei Jahren.

Leider bricht die Bundesbank ihre Neugeschäfts-Zahlen nicht auf einzelne Bankengruppen herunter, und auch die meisten Institute selbst sind beim Ausweis ihrer Neukreditvergabe eher zurückhaltend. Zwei wesentliche Marktakteure geben diesen Datenpunkt aber sehr wohl preis, nämlich die Sparkassen (über den DSGV) und die ING Diba. Darüber hinaus hat Finanz-Szene auch noch weitere Datenpunkte zusammengetragen, nämlich von mehreren Sparkassen (darunter die eingangs schon erwähnte MBS) und auch aus dem genossenschaftlichen Verbund.

Nun gilt es zwar vorwegzuschicken, dass die Zahlen vermutlich nicht zu 100% vergleichbar sind (weil es zum Beispiel sein könnte, dass sich manche Angaben auf den Zeitpunkt der Kreditzusage, andere jedoch auf den Zeitpunkt der Kreditauszahlung beziehen). Die Aussage, dass die Akteure ihr Neugeschäft in auffallend unterschiedlichem Maße heruntergefahren haben, müsste sich auf Basis der folgenden Grafik aber doch treffen lassen:

Dabei fällt konkret auf:

  • Die ING Diba hat ihr Neugeschäft in der privaten Baufinanzierung regelrecht heruntergepresst – nämlich von 17,6 Mrd. Euro auf zuletzt nur noch 7,0 Mrd. Euro (grob gesagt bedeutet das einen Rückgang des Marktanteils im Neugeschäft von zuvor 7% auf jetzt nur noch 4%). Wichtig zu wissen: Die Oranje-Bank stand auch schon 2022, als andere Banken das Niveau noch zu halten versuchten, kräftig auf der Bremse.
  • Die Sparkassen haben ihr Neugeschäft bei weitem nicht so stark wie die ING Diba zurückgefahren, aber doch deutlich stärker, als es die Buba-Zahlen für den Gesamtmarkt vermuten lassen würden. Zwischen den einzelnen Regionalverbänden zeigen sich zwar Unterschiede – die sind aber nicht so signifikant, dass sich daraus generelle Aussagen ableiten ließen (weshalb wir auf eine Darstellung in der obigen Tabelle verzichtet haben). Bei der Potsdamer MBS scheint es sich also eher um ein Einzelphänomen zu handeln, die ostdeutschen Sparkassen insgesamt sind im Hinblick auf ihr Baufi-Geschäft deutlich weniger verhaltensauffällig. Interessant erscheint uns der deutliche Rückgang bei der Sparkasse Köln-Bonn und der Stadtsparkasse Düsseldorf. Von letzterer heißt es, als urbanes Institut sei man vom Rückgang der Baufi-Nachfragen besonders betroffen gewesen. Ob sich diese Aussage auf andere großstädtische Primärinstitute übertragen lässt, vermögen wir nicht zu sagen.

Wenn zwei wesentliche Player, also die Sparkassen und die ING Diba, so deutlich hinter dem Gesamtmarkt zurückbleiben – dann könnte das (siehe den Hinweis weiter oben) damit zusammenhängen, dass die Buba-Zahlen und die Instituts-Zahlen nicht 1:1 vergleichbar sind. Es könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass andere Banken- bzw. Bankengruppen ihren Marktanteil während der Krise hochgefahren haben. An dieser Stelle rücken nun die Genobanken in den Blick. Bei ihnen ist die Datenbasis zwar leider dürr – die wenigen Datenpunkte, die es gibt, könnten allerdings (bloße Vermutung) darauf hindeuten, dass die genossenschaftliche Bankengruppe tatsächlich versucht hat, ihr Neugeschäft so gut wie möglich zu verteidigen. Im Einzelnen:

  • Zumindest die bayerischen Genobanken, die Hannoversche Volksbank sowie die VR-Banken aus dem Weser-Ems-Gebiet (siehe wieder die obige Tabelle) haben ihr Neugeschäft zwischen 2021 und 2023 deutlicher weniger stark reduziert als die Sparkassen und die ING Diba
  • Dröselt man die Zahlen weiter auf (was wir gemacht haben), dann fällt auf, dass sowohl die bayerischen Genobanken als auch die Hannoversche Volksbank insbesondere 2022 kaum Neugeschäft verloren haben; der Einbruch kam erst 2023
  • Dazu passt, dass die Sparda West für 2022 ein "Neugeschäft [...] fast auf Vorjahresniveau" vermeldete
  • Und dazu passt auch, dass die Gruppe der PSD-Banken sich vor einigen Monaten rühmte, im Geschäftsjahr 2022 beim Baufi-Neugeschäfts-Volumen gerade mal um 3% zurückgesteckt zu haben (zum Vergleich: bezogen rein auf 2022 betrug der Rückgang bei den Sparkassen bereits 12%, im Gesamtmarkt 13% und bei der ING Diba sogar schon 26%)

Die Frage ist nun: Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass viele Genobanken 2022 immer noch auf dem Gas standen – haben sie das dann 2023 auch noch getan? Der Fall der bayerischen Genobanken spricht gegen diese These (denn bei denen musste das Neugeschäft 2023 dann ja doch bluten). Allerdings:

  • Die PSD Banken vermeldeten im Juni 2023, dass "die Talsohle beim Neugeschäft erreicht" sei – und man für das Gesamtjahr ein Wachstum (!!!) um 2-3% anpeile
  • Die Sparda West plante auch für 2023 mit einem Neugeschäft nur knapp unter dem des Vorjahres
  • Die VR-Banken aus dem Weser-Ems-Gebiet haben im letzten Jahr nur 20% an Neugeschäft eingebüßt, bei der Volksbank Stuttgart waren es 25% – beides deutlich weniger als der Gesamtmarkt

Kann es also sein, dass die Genobanken ihren Marktanteil in der Krise tatsächlich weiter hochgefahren haben? Und wenn ja – wäre dieses Wachstum gesund (denn Wettbewerber wie die ING Diba haben das Geschäft ja nicht grundlos zurückgefahren ...)? Speziell mit Blick auf manche Sparda-Banken und manche PSD-Banken sind Zweifel angebracht. Denn in beiden Gruppen war die Abhängigkeit von der privaten Baufinanzierung auch schon vor der Krise extrem hoch (beispielhaft: Bei der Sparda Baden-Württemberg standen private Wohnbaukredite per Ende 2022 für rund 70% der Bilanzsumme).

Freilich: Vielleicht ist die Abhängigkeit auch so hoch, dass man möglicherweise gar nicht mehr anders kann, als sich in noch größere Abhängigkeit zu begeben?

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5.) Wie hat sich die Rolle der Plattformen in der Krise verändert?

Ein säkularer Trend im Baufi-Boom war der stete Marktanteilsgewinn von Vermittlungs-Plattformen wie Hypoport, Interhyp oder Bilthouse. Wurden 2010 grob geschätzt erst 4% aller Baufi-Neugeschäfte über Plattformen abgewickelt, so dürfte diese Quote (wenn wir einmal alle statistischen und definitorischen Unschärfen beiseite lassen) inzwischen bei über 50% liegen – wobei sich Interhyp und Hypoport den Markt als große B2B- und B2C-Player bislang weitgehend unter sich aufteilen (siehe –> Wie Hypoport und Interhyp die Baufinanzierung duopolisieren).

Hat die Zinswende die "Plattformisierung" gebremst – oder beschleunigt? Eindeutig lässt sich diese Frage nicht beantworten, zumal die von Hypoport kommunizierten Daten auf anderen Prämissen beruhen als die Interhyp-Zahlen. Leichte Tendenzen allerdings könnte es geben:

  • Finanz-Szene weiß von Banken, die als Reaktion auf den Einbruch im Neugeschäft die Losung ausgaben, Geschäft nur noch intern oder eben gar nicht zu machen. Interhyp-Vorstandschef Jörg Utecht dementierte dieses Phänomen bei der jüngsten Bilanz-PK (als wir ihn drauf ansprachen) nicht. Der langfristige Trend hin zur Plattformisierung sei trotzdem intakt.
  • Bei Hypoport ("Europace") lassen die quartalsweise ausgewiesenen Zahlen vermuten, dass das Geschäft nicht stärker als der Markt geschrumpft ist. Allerdings sind bei den Berlinern auch die schon erwähnten Unschärfen größer. Was "echtes" Plattform-Geschäft ist und was anderweitig in die Statistiken einfließt, lässt sich nur schwerlich auseinanderhalten.

In Zahlen (und unter Auslassung der Tatsache, dass die Buba-Daten den Plattform-Daten, wie gesagt, leicht nachlaufen) sieht das Ganze so aus:

In dieser Betrachtung hat sich Hypoport in der Krise (also 2022 und 2023) etwas besser geschlagen als der Gesamtmarkt – wohingegen sich das Interhyp-Neugeschäft schwächer entwickelt hat, als es die Bundesbank-Zahlen nahelegen. Gut möglich, dass sich im Falle von Interhyp die defensive Neugeschäfts-Strategie der ING Diba niederschlägt. Schließlich sind die beiden Schwesterunternehmen und holt die ING Diba einen beträchtlichen Teil ihres Neugeschäfts normalerweise über Interhyp.

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6.) Wie geht es von hieran jetzt weiter?

Auf den ersten Blick mag es paradox aussehen: Die deutsche Kreditwirtschaft erlebt in ihrem wichtigsten Geschäftsfeld einen historischen Einbruch des Neugeschäfts – und fährt zugleich ihre Ergebnisse dramatisch nach oben (wobei solche Banken ergebnistechnisch massiv zulegen, die in der Baufinanzierung besonders stark zurückstecken, siehe ING Diba, siehe Stadtsparkasse Düsseldorf, siehe Sparkasse Köln-Bonn).

Ein Widerspruch? Nein, natürlich kein Widerspruch. Denn Banken und Sparkassen haben mit ihren Einlagen (also mit ihrem Passivgeschäft) zuletzt derart viel Geld verdient, dass der Einschlag in der Baufinanzierung für den Moment kaum ins Gewicht fällt, wie diese Bundesbank-Tabelle hier illustriert ...

(wer sich tiefer mit dieser Grafik auseinandersetzen will, dem empfehlen wir unser Stück –> Minus 30%! Zinsergebnis der deutschen Banken soll schon 2024 einknicken)

Freilich: Die positiven Effekte der Zinswende auf das Passivgeschäft sind in den letzten Monaten bereits zurückgegangen – und in den anstehenden Quartalen dürfte es so weitergehen. Zugleich laufen auf der Aktivseite allmählich auch die letzten gutverzinsten Altkredite aus der Zeit vor der Niedrigzinsphase aus – während zugleich das Gewicht der schlecht verzinsten Kredite aus der Nullzins-Ära zunimmt, weil nach der Zinswende nur wenig Neugeschäft reinkam. Und dann ist da ja auch die schwache Konjunktur, die zu vermehrten Kreditausfällen führen könnte ...

Droht da was?

  • Die Kreditausfall-Raten sind bei Banken mit hohem Engagement in der privaten Immobilienfinanzierung weiterhin extrem niedrig. So bildete beispielsweise die ING Diba 2023 für ihr gesamtes Kreditbuch (Zahlen für die Baufi allein werden keine ausgewiesen) gerade mal 36 Mio. Euro Risikovorsorge – gemessen an ausstehenden Finanzierungen von 93 Mrd. Euro allein bei Wohnbaukrediten. Nach allem, was die Datenlage hergibt, sieht es bei anderen großen Baufi-Playern ähnlich aus. Und begründen lässt sich dieses Phänomen ja auch: Bevor private Wohnbaukredite ausfallen, müssen vereinfacht gesagt zwei Dinge zusammenkommen: 1.) Der Kreditnehmer hat sich übernommen; 2.) Die Immobilie muss so stark an Wert verloren haben, dass die Sicherheiten nicht ausreichen, um den Kredit zu decken. Nun stellt sich zwar in der Tat bei Häuslebauern aus der Niedrigzinsphase die Frage, wie sie eine etwaige Anschlussfinanzierung schultern wollen – allerdings sind es oft gerade diese Immobilien, die ihren Wert in den letzten Jahren gesteigert haben. Experten sagen: Mag sein, dass Probleme auf die Banken zukommen. Aber nicht kurzfristig, sondern eher in 3-5 Jahren.
  • Was das Aktivgeschäft angeht, müssen Banken und Sparkassen hoffen, dass (siehe Punkt 1 und 2) die Kreditnachfrage tatsächlich dauerhaft wieder anzieht. In diesem Fall wären die zurückliegenden 18 Monate lediglich eine Delle gewesen, die für ein paar Jahre auf den Erträgen lastet und sich letztlich auswächst. Und wenn das Geschäft nicht wieder anzieht? Dann wird der Ertrags-Pool (also die >20 Mrd. Euro aus 2021) notwendigerweise zu schrumpfen beginnen.
  • Was die Passivseite angeht: Natürlich hat sich die Refinanzierung des Baufigeschäfts durch die Zinswende zwar verteuert – allerdings nicht so stark, wie man das im Zuge der Zinswende hätte erwarten können. So ging die durchschnittliche effektive Verzinsung von Sichteinlagen (mit 1,7 Billionen Euro der größte Refi-Brocken) zwischen Juli 2022 und September 2023 immerhin von -0,02% auf 0,55% in die Höhe, seitdem aber nur noch um dünne sieben Basispunkte auf 0,62% (der ganz große Druck scheint also raus zu sein). Freilich: Da die höheren kurzfristigen Refinanzierungskosten einem Kreditbestand gegenüberstehen, in dem auf absehbare Zeit die Darlehen aus der Niedrigzins-Phase dominieren, werden die Margen trotzdem dünner werden.

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