von Heinz-Roger Dohms und Christian Kirchner, 21. März 2025
Statt an die Börse geht die OLB also an die Targobank (bzw. an die Crédit Mutuel). Nun haben wir den Deal zwar gestern Früh bereits in unserem Newsletter vermeldet, zudem thematisieren wir ihn (siehe oben) selbstverständlich auch in unserem Wochen-Podcast. Gleichwohl wirft die Transaktion dermaßen viele Fragen auf, dass wir uns darüber hinaus auch noch zu einer ausgiebigen Detailanalyse veranlasst sahen.
Und damit’s nicht zu langweilig wird, haben wir das Ganze in Dialogform aufgeschrieben:
Eigentlich wollte die OLB doch an die Börse – oder war das ein Bluff? Fest steht, dass der Börsengang eine ernste und vermutlich sogar die priorisierte Option war. Noch am Montag berichtete das „Handelsblatt“, die Oldenburgische Landesbank könnte schon in dieser Woche im Rahmen einer „Intention to float“ ihre Erstnotiz an der Frankfurter Börse bekanntgeben. Wie sich nun zeigt, sind die Eigner um den Finanzinvestor Apollo in Wirklichkeit zweigleisig gefahren. Und haben sich am Ende für den Verkauf und gegen einen IPO entschieden. Angeblich, weil dieses Vorgehen den Komplett-Exit ermöglichte. Aber mutmaßlich auch, weil sich an der Börse offenbar die erhoffte Bewertung nicht durchsetzen ließ. So oder so: Die OLB-Eigner haben sich jedenfalls für die kalkulierbarere Option entschieden.
Heißt „kalkulierbar“ auch weniger lukrativ? Sieht ganz so aus. Laut „Les Echos“ soll der Kaufpreis irgendwo zwischen 1,7 Mrd. und 2,0 Mrd. Euro liegen, „Reuters“ nennt einen Preis von „nahe bei 2 Mrd. Euro“. Das wäre gemessen an der Peer-Group dann doch enttäuschend. Wobei man daran erinnern muss, dass die OLB ja auch schon 2022 und 2023 mit einem Börsengang kokettierte, der dann aber doch nicht kam. Vielleicht haben die Eigner an den ganz fetten Exit hintenraus auch einfach nicht mehr geglaubt.
Was wäre ein „fetter Exit“ gemessen an der Peer-Group gewesen? Schwer zu sagen. Auf der Bilanz-PK im Februar meinte OLB-Chef Stefan Barth, von allen börsennotierten Banken sei die österreichische Bawag die, die seinem eigenen Institut am ähnlichsten ist. Wenn man das nun anlegt: Die Bawag erwirtschaftete im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Nettogewinn von 760 Mio. Euro und ist an der Börse mit rund 8 Mrd. Euro bewertet, also mit dem knapp 11-Fachen des Jahresgewinns. Bei der Commerzbank wiederum ist es aktuell das 10-Fache, bei der Deutschen Bank ist es das 12-Fache und bei der Unicredit das 9-Fache. Appliziert man diese Multiples auf den letzten Jahresgewinns der OLB (270 Mio. Euro netto), landet man bei einer Bewertung von 2,4 bis 3,2 Mrd. Euro. Also deutlich mehr als das, was jetzt als Verkaufspreis im Raum steht.
Aber ihren Schnitt haben die OLB-Eigner trotzdem gemacht, oder? Aber hallo! Beim Kauf der OLB im Jahr 2017 war plausiblerweise von einem Kaufpreis von rund 300 Mio. Euro die Rede. Ohne es jetzt im Detail ausgerechnet zu haben – zu kurz kommt bei dem Deal niemand, vermutlich auch nicht die Vorstände (siehe –> Das 30-Mio.-Euro-Konstrukt: Wie die OLB-Manager vom IPO profitieren)
Kann man die beiden Banken mal nebeneinander legen, also die OLB und die Targobank? Kann man …
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OLB (2024): IFRS, Targobank (2023): HGB
Und was sieht man da? Zunächst mal, dass wir es bei beiden Banken schon heute mit effizienten Playern zu tun hat, insbesondere bei der OLB, wo die bereinigte Cost-Income-Ratio zuletzt sogar bei nur 42% lag. Also, eine Synergie-Case ist das eher nicht, jedenfalls nicht auf der Kostenseite. Sonden eher ein Wachstums-Case. Oder sagen wir, ein Case, bei dem es eher um Ertrags- als um Kosten-Synergien gehen dürfte. Selbst wenn Targobank und OLB verschmolzen werden: Die Überlappungen im ohnehin schon dünnen Filialnetz sind sehr überschaubar, weil die OLB ihrer rund 80 Filialen vornehmlich im Nordwesten unterhält und in vielen Ecken der Republik überhaupt nicht präsent ist, während die Targobank ihre rund 340 Standorte über die mittleren und größeren Städte des ganzen Landes verteilt hat, mit einem gewissen Schwerpunkt im NRW-Gebiet. Gut möglich, dass sich die Targobank in puncto Effizienz letzten Endes noch was bei der OLB abschauen soll, aber die großen Synergien lassen sich da nicht heben.
Welche Ziele verfolgt die Crédit Mutuel, also die französische Mutter der Targobank, mit dem Deal? In einem Interview mit einem französischen Fernsehsender (auf das wir ehrlicherweise dank des „Handelsblatts“/Paywall aufmerksam geworden sind und auf dessen Übersetzung wir uns hier beziehen) hat CM-Chef Daniel Baal die OLB gestern „ein für uns fast ideales Ziel“ genannt. „Wenn wir auf einem weißen Blatt Papier aufgeschrieben hätten, welche Bank wir kaufen wollen, wäre die Beschreibung der OLB herausgekommen.“ Man habe ein „langfristiges Interesse“ an der Entwicklung der OLB.
Aber was genau ist jetzt Plan? Wenn man in den 2023er-Geschäftsbericht der Targobank schaut (wobei das kein testierter Bericht, sondern eher eine bunte Broschüre ist), dann taucht auch da erstmals überhaupt und dann gleich acht Mal der Begriff „Universalbank“ auf. Ziel des Vorstands sei es, „schrittweise unsere Angebotspalette“ zu erweitern, um sich so „zu einer Universalbank weiterzuentwickeln“. Und weiter: „Auf unserem Weg zur Universalbank bauen wir sukzessive Geschäftsfelder auf, in denen wir bisher nicht aktiv gewesen sind“. Und weiter: „Essentiell für unseren Transformations-Prozess zur Universalbank ist aber vor allem der weitere Ausbau des Firmenkundengeschäfts.“ Also, hätten wir das damals schon ein bisschen genauer gelesen und dann 2 und 2 zusammengezählt, dann wären wir von dem Targobank/OLB-Deal viel nicht ganz so überrascht gewesen, wie wir es Donnerstagmorgen waren.
Was genau kann die OLB der Targobank geben, was die noch nicht hat? In erster Linie dürften es die Franzosen auf die „Corporate & Diversified Lending“-Sparte abgesehen haben, also Unternehmens- und Spezialfinanzierungen. Das ist der wesentliche Gewinntreiber bei der OLB, steuerte 2024 knapp die Hälfte des operativen Ergebnisses bei und arbeitet aufgrund der hohen Spezialisierung mit starken Zinsmargen von rund 2,8% und mit gemessen an der Rezession überschaubaren Risikokosten von 42 Basispunkten des Kreditvolumens. Darüber hinaus verfügt sie (insbesondere aus der Bankhaus Neelmeyer Integration) über Kompetenzen im Wealth Management, die der Targobank größtenteils fehlen. Und wenn CM-Chef Baal gestern von „echter Komplementarität“ gesprochen hat, dann dürfte das auch auf die Immobilienfinanzierung bezogen gewesen sein.
Wobei die Targobank da ja auch stand-alone schon Pläne hatte … Genau. Siehe letztes Jahr unser Stück –> Targobank holt ING-Diba-Veteranen für große Baufinanzierungs-Offensive). Das ist also klassisches einheimisches Baufi-Geschäft, während die OLB wiederum auch im Immobiliengeschäft eher überschaubar vertreten ist: gerade einmal 1,9 Mrd. Euro Forderungen waren hier per Ende 2023 ausstehend
In der Crédit-Mutuel-Mitteilung zum OLB-Zukauf ist interessanterweise nicht von einer „Universalbank“, sondern in der Überschrift (!) von einen „Universal Bancassurer“ die Rede. Ja, spannend! Und auch darüber hatten wir schon mal geschrieben: Die Targobank baut aktuell (geplanter Marktstart: 2026) eine neue Versicherungseinheit namens „ACM“ für Versicherungen und Bancassurance-Dienstleistungen auf (siehe hier). Diese neue Entität soll die bisherige Kooperation mit der Targo Versicherung aus dem Talanx-Konzerns ablösen. Mit der OLB könnte auch in diesem Bereich vom Start weg deutlich mehr Volumen auf die Maschine kommen – auch wenn man als hiesiger Marktbeobachter beim Stichwort „Bancassurance“ ja immer erst mal kurz stockt, siehe anno dazumal das gescheiterte Großexperiment Allianz/Dresdner. Aber wenn man Maschine spricht: Generell ist die Schwungmasse von Targobank/OLB durchaus beachtlich: Die kombinierte Bilanzsumme beider Banken liegt bei 79 Mrd. Euro. Das ist, wenn man mal Landesbanken und die US-Banken mit ihren aufgeblähten Bilanzsummen außen vorlässt, hierzulande definitiv Top-10, ja sogar fast schon Top-5. Zum Vergleich: Die Santander Deutschland kommt auf 53 Mrd. Euro.
Ist da möglicherweise sogar noch mehr in der Mache? Weiß man nicht und ist reichlich spekulativ. Und bis Aufsicht, Kartellamt und so weitere zugestimmt haben, sind wir ja eh im Jahr 2026, bis der Deal endgültig durch ist. Aber, ja, die OLB bringt einen erfolgreichen Track Record von Übernahmen mit (Bremer Kreditbank, Bankhaus Neelmayer, Wüstenrot Bank, Degussa Bank). Und wir jetzt von der Crédit Mutuel/Targobank geschluckt, die ja spätestens mit dem gestrigen Tag ihre Ambitionsniveau nun ebenfalls in den Markt hinausposaunt hat. Vielleicht entsteht hier ja in der Tat ein Konsolidierer, der andere, kleinere und vor allem weniger effiziente Banken mit Skaleneffekten übernehmen wird. Gibt ja die ein oder andere Regionalbank draußen, die gut ins Portfolio passen könnte.
Und wer hat da jetzt die Führung, eher die bisherige Targobank-Chefin Isabelle Chevelard oder eher der bisherige OLB-Chef Stefan Barth. Das ist eine der Fragen, auf die es gestern noch keine Antworten gab. Gilt genauso für Markenführung und solche Sachen. Noch ist der Deal ja nicht mal geclosed (aber für das erste Halbjahr 2026 geplant).
Wir haben jetzt binnen eines Jahres die Hauck-Übernahme durch ABN Amro/Bethmann, die Unicredit/Coba-Kiste und jetzt die Nummer. Zufall? Nein, kein Zufall. Es gibt ein klares Muster: Ausländischer Käufer mit Fußabdruck um deutschen Markt übernimmt deutschen Player oder versucht es zumindest. Und der große Treiber ist die Zinswende, die den deutschen Markt wieder attraktiv gemacht und allen drei Kaufobjekten einen veritablen Gewinnschub beschert hat (neben Effizienzverbesserungen, die nicht nur bei der OLB, sondern auch bei Commerzbank und Hauck Aufhäuser Lampe zu konstatieren sind). Waren die in Deutschland traditionell hohen Einlagen jahrelang ein Problem, so sind sie aktuell ein begehrtes Asset.
„Dass die OLB von der Targobank gekauft wird, hatte niemand auf dem Zettel“
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