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Digitale Kundenschnittstelle: Der Wettlauf hat gerade erst begonnen

Das „Ob“ ist inzwischen weniger die Frage als das „Wann“: Mit der Einführung des digitalen Euro könnten Banken und Sparkassen einmal mehr erleben, wie traditionelle Schnittstellen zu Kund*innen schwinden. Herausgegeben von der Europäischen Zentralbank und gespeichert auf den digitalen Wallets der Nutzer*innen, dürfte die digitale Währung die Position der traditionellen Banken und Sparkassen im Wettbewerb jedenfalls nicht stärken. Zudem befindet sich bereits heute die Zahl der Filialen – in der Vergangenheit die Kundenschnittstelle Nummer eins – im Sinkflug. Allein 2020 ging sie nach den Statistiken der Bundesbank um fast 10% zurück. Zugleich warten Fintechs und Neo- oder Challenger-Banken mit datengetriebenen Geschäftsmodellen auf und integrieren sich mit bedürfnisorientierten Angeboten hinein in den digitalen Alltag der Kund*innen.

Zusammen betrachtet, wird eines unmissverständlich klar: Für die Zukunft der etablierten Akteure der Branche und ihre Relevanz wird die Frage entscheidend sein, wie schnell und gleichzeitig effizient sie die Digitalisierung der eigenen Kundenschnittstellen vorantreiben können.

Kein Erkenntnisproblem – wohl aber ein Umsetzungsproblem

Es komme ihm nicht so vor, „als ob es bei den Herausforderungen für das digitale Retail-Banking ein Erkenntnisproblem gebe“, zitierte die BörsenZeitung noch im Oktober 2021 das Bundesbank-Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling. Allerdings bedürfe es „eines heftigen Schubs“ für das „mutige Umsetzen neuer Ideen“. Er verwies etwa auf die wichtige Rolle, die Kundendaten bei der Gestaltung der digitalen Kundenschnittstelle spielen können. Gegenüber dem Handelsblatt nannte er gerade Cloud-Lösungen als „ein wichtiges Element“ der Wettbewerbsfähigkeit von Banken.

Dass der Schub indes noch auf sich warten lässt, zeigt eine aktuelle Studie des IT-Dienstleisters ti&m aus der Schweiz. In der Bankenstudie 2021 gaben 84% der Befragten an, dass Deutschlands Banken nicht aktiv genug auf den Wandel und den Aufstieg branchenfremder Akteure reagierten, um zukunftsfähig zu sein.

Die digitalen Kontakte funktionieren zu selten als Ganzes

Die digitale Kundenschnittstelle ist die Summe aller digitalen Kanäle und Kundeninteraktionen. Das Online-Banking-Portal zählt ebenso dazu wie die eigene Smartphone-App oder der Chatbot an der Kund*innen-Hotline. Zwar haben Banken sowie auch andere Finanzdienstleister wie beispielsweise Versicherungen viele dieser Kanäle in den vergangenen Jahren auf- und ausgebaut. Doch fast immer blieb dabei eine konsequente Verzahnung mit klassischen Kundenschnittstellen wie zum Beispiel Service-Centern oder der Beratung in der Filiale aus. Auch die Pandemie hat daran wenig geändert.

Zwar haben viele Finanz- und Versicherungshäuser aus der Not heraus die Digitalisierung einzelner Kontaktpunkte beschleunigt. Doch auch hier fehlte häufig das ganzheitliche Konzept zur Steuerung dieser Kontaktpunkte. Das Ergebnis: Reibungsverluste, Ineffizienzen und Lösungen, die nicht den Erwartungen der Kund*innen entsprechen. Entsprechend zitiert die Börsen-Zeitung auch Wuermeling mit den Worten, dass „in den Filialen noch viele ungenutzte Daten- und Crosselling-Potenziale schlummern“ würden.

Schlüssel zum Erfolg ist ein modernes Datenmanagement

Wie lassen sich diese Potenziale heben? Welche Möglichkeiten haben Banken, digitale Kundenschnittstellen zu besetzen oder sie auch in Zukunft zu verteidigen?

Dreh- und Angelpunkt sind die Fähigkeiten der Banken, eine Vielzahl von Daten zu strukturieren, zu analysieren und über alle Kanäle hinweg im Umgang mit den Kund*innen zu nutzen. Neben dem Abbau interner Silos und einem leistungsfähigen Datenmanagement setzt das jedoch auch moderne Lösungen für den Umgang mit den Kund*innen voraus. Dies haben bereits Startups wie Finanz-Mining erkannt. Sie bieten die intelligente Analyse der Finanzdaten von Banken auf Basis modernster Technologien in der Cloud an. Dies übrigens nicht nur für die Banken selbst, sondern auch für andere Kunden wie Retailer, Telcos oder kleine und mittelständische Unternehmen (KMU, englisch SME).

Conversational KI hilft rund um die Uhr, über alle Kanäle

Helfen können beim Besetzen der digitalen Kundenschnittstellen auch Technologien wie smarte Chatbots, die mit Conversational KI arbeiten. Solche Bots können digitalisierte Kundenschnittstellen bedienen, zu einer Entlastung der Banken beitragen, die Customer Experience verbessern und eine Vielzahl von Daten nutzbar machen. Letzteres ist dabei womöglich sogar der wichtigste Punkt. Solche Bots sind nämlich nicht nur rund um die Uhr einsatzbereit, sondern können auch – schneller als es einem menschlichen Beschäftigten möglich wäre – alle notwendigen Informationen abrufen, für Kund*innen bereitstellen und eine Vielzahl neuer Daten sammeln. Das alles nahtlos über alle Kanäle hinweg.

So hat beispielsweise die Nedbank, eine der größten Banken in Südafrika, den Electronic Virtual Assistent entwickelt, um eine Vielzahl von Anfragen der Kund*innen vollautomatisch beantworten zu lassen. Und mehr noch: Das Tool unterstützt auch die menschlichen Mitarbeiter*innen dabei, bessere und effektivere Gespräche mit den Kund*innen zu führen.

Capital One wiederum hat bereits vor einigen Jahren mit Eno einen Bot vorgestellt, der auf Conversational KI basiert. Im Laufe der Zeit hat Capital One Eno erweitert, so dass der Assistent inzwischen auch proaktiv informiert oder beispielsweise bei Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit einer Zahlung selbst aktiv wird.

Mixed Reality und Metaverse bieten völlig neue Kontaktpunkte

Ein anderes Beispiel sind Virtual- und Mixed-Reality- oder Gamification-Ansätze. Sie schaffen die Möglichkeit, völlig neue digitale Schnittstellen zu etablieren. Gerade mit dem Aufkommen des Metaverse bieten sich Möglichkeiten, die spätestens seit der Umbenennung des Facebook-Konzerns zu Meta zunehmend Beachtung finden. Technologien wie die Microsoft Hololens oder Kollaborationsplattformen wie Teams könnten beispielsweise durch die Hinzunahme von Avataren innovative Ansätze für die Finanzberatung bieten. Und der Blick ins Ausland zeigt, wohin die Reise für die Finanzindustrie in dieser Welt gehen könnte.

In Südkorea setzen Banken auch auf Filialen als Kundenschnittstellen – jedoch digital, virtuell, im Metaverse. Die Shinhan Bank aus Seoul etwa arbeitet an einer eigenen Metaverse-Plattform, um darüber unter anderem Beratung anzubieten. Die zur selben Finanzgruppe gehörende ShinhanCard, eine der fünf größten Kreditkartenfirmen der Welt, hat angekündigt, demnächst eine Prepaid-Karte auf den Markt zu bringen, die sowohl in der virtuellen als auch in der physischen Welt einsetzbar ist – passend zu den Avataren der Nutzer*innen gestaltet.

Die Potenziale des Metaverse für die Entwicklung der Schnittstellen der Zukunft sind gewaltig – ebenso wie die Investitionen, die in den kommenden Jahren in diesem Bereich erfolgen werden. Angesichts immer leistungsfähigerer Datenbrillen ist es so beispielsweise durchaus möglich, dass Brillen und nicht Smartphones die dominierenden Schnittstellen in der Metaverse-Zukunft sind.

Embedded Finance öffnet Wege in andere Dienstleistungen, andere Ökosysteme

Klar ist bei alledem: Die Digitalisierung der Kundenschnittstellen ist die Voraussetzung für Banken, im Alltag der Kund*innen relevant zu bleiben und noch relevanter zu werden. Sie schafft die Möglichkeit, sich erfolgreich in anderen Ökosystemen einbringen oder diese sogar selbst mit etablieren zu können. Das Pfund, mit dem Banken dabei wuchern können, ist die große Menge an Daten, über die sie bereits heute verfügen. Sie müssen lediglich lernen, diese effektiv einzusetzen.

Wie dieses Einbringen in Ökosysteme funktionieren kann, zeigt das sogenannte Embedded Finance, also die nahtlose Integration von Finanzdienstleistungen in Services, die selbst keine Finanzdienstleistungen sind.

Der größte deutsche Immobilienmakler Engel & Völkers arbeitet beispielsweise dafür mit der Berliner Solarisbank zusammen und nutzt die Services der Transaktionsbank, um die eigene Kundenschnittstelle zu stärken. Bei dem Angebot „Engel & Völkers Smart Money“ agiert die Solarisbank als Dienstleister. Technologien wie das Cloud-Computing schaffen dafür die Grundlage. Die Solarisbank kontrolliert hier zwar nicht selbst die Kundenschnittstelle, sie profitiert jedoch durch die Fokussierung auf ihr Banking-as-a-Service-Angebot. Engel & Völkers wiederum kann auf die Expertise der Bank setzen und seinen Kund*innen neue, passgenaue Angebote liefern.

Engel & Völkers steigt mit Solarisbank-Hilfe ins Bankgeschäft ein

Die Digitalisierung fängt in Deutschland gerade erst an

Nutzen könnte den etablierten Banken bei ihrer Aufholjagd, dass Deutschland bislang beim digitalen Banking noch immer relativ am Anfang steht, wie eine Studie der ING zeigt. Demnach wächst der Anteil der Kund*innen, die digitales Banking nutzen, zwar jährlich um 6%, ihre Zahl hat sich zwischen 2005 und 2020 von 20,5 Millionen auf 46,8 Millionen mehr als verdoppelt. Zugleich liegt Deutschland mit einem Nutzungsanteil von 65% im EU-Vergleich gerade einmal auf Rang 15 – acht Plätze schlechter als noch 2007. Dies zeigt zum einen das Potenzial im EU-Vergleich, andererseits aber auch den Aufholbedarf deutscher Banken.

Doch die Uhr tickt, und die Transformation des Sektors ist im vollen Gange. Vieles spricht somit dafür, dass der Kampf um die digitale Kundenschnittstelle in Deutschland in den kommenden Jahren noch deutlich an Intensität zulegen dürfte. Die klassischen Finanzdienstleister drohen bereits heute ins Hintertreffen zu geraten. Höchste Zeit also für Banken, das Tempo anzuziehen.


*Oliver Schwarz ist Senior Industry Executive Banking bei der Microsoft Deutschland GmbH. Microsoft gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene.de. In diesem Whitepaper von Microsoft erfahren Sie mehr über die Digitalisierung der Kundenschnittstelle und Best Practices aus der Branche. Mehr Informationen über unser Partner-Modell finden Sie hier.

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