von Matthias Geurts*, 8. Juni 2022
Nachhaltigkeit ist einer der großen Megatrends, in dem die Finanzindustrie als Transmissionsriemen eine bedeutende Rolle spielen soll – zumindest wenn es nach dem Willen der Politiker geht. Die Finanzindustrie hat sich gern darauf eingelassen, bietet der Trend doch die Möglichkeit, Werbung für ihre Produkte zu machen. Nichts lässt sich bekanntlich besser verkaufen, als etwas Positives zu tun: zum Beispiel einen Betrag für die Umwelt und Good Governance zu leisten
Doch leider birgt diese Idee, wie viele Marktteilnehmer nun bemerken, erhebliche Risiken: Einerseits liegen ESG (Environmental, Social, Governance) und Nachhaltigkeit jeweils ein qualitativer Ansatz der Vermögensverwaltung zugrunde, nicht ein rein auf Asset-Klassen basierender Ansatz. Andererseits wird durch die vermeintliche Regulierung suggeriert, es handele sich bei dieser Strategie um etwas Objektivierbares, Allgemeingültiges und Vergleichbares. Aus dieser Diskrepanz resultiert eine Fülle an rechtlichen Problemen.
So können einzelne Banken und Vermögensverwalter mit ihrem konkreten Anlageverhalten gegen die im Prospekt formulierte Anlagestrategie verstoßen, wenn diese eventuell zu pauschale oder vollmundige Regelungen hinsichtlich der Berücksichtigung von ESG-Kriterien enthält – mit der Folge, dass diese Kriterien nicht immer vollumfänglich eingehalten werden können. In diesem Fall werden neben möglichen, aber schwer bezifferbaren zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen auch Ansprüche von Anlegern aus der Prospekthaftung ausgelöst. Ebenso können wegen verwirrender oder irreführender Werbung empfindliche Bußgeldtatbestände entstehen.
Gleiches gilt für Verstöße gegen die sogenannte „EU-Offenlegungsverordnung“ von 2019, deren Ziel nicht nur die Einstufung von Produkten in bestimmte Kategorien der Nachhaltigkeit ist, sondern die vor allem auf mehr Transparenz über die Einhaltung von ESG-Kriterien abzielt. Schließlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass Anlageberatungsfehler vorliegen, die im Extremfall zu einer Rückabwicklung der Geschäfte führen können.
Ach Schritte können Banken und Vermögensverwaltern helfen, die beschriebenen Risiken bei Anlagen nach ESG- oder Nachhaltigkeitkriterien zu minimieren:
So sehr diese Maßnahmen auch helfen: Die Politik und der Gesetzgeber dürfen die Finanzindustrie nicht allein lassen. Sie müssen jetzt verlässliche Rahmenbedingung schaffen, die Vergleichbarkeit und Nachprüfbarkeit sicherstellen. Es geht um die Definition von Standards, und zwar nicht nur in Bezug auf die bilanziellen Standards, an denen die Financial Standard Boards inzwischen arbeiten, sondern auch in Bezug auf die einzelnen Kriterien für das Rating. Dieses kann nicht mehr allein auf einer an Finanzkennzahlen orientieren Bonitätseinstufung aufbauen.
Bis eine solche Vergleichbarkeit erreicht ist, sind Banken und Vermögensverwalter gut beraten, die aufgezeigten Risiken zu vermeiden und ESG nicht als allgemeingültiges Siegel für die Qualität eines Produktes zu vermarkten. Vielmehr sollte es nur als Teil einer an einem individuellen Qualitätsansatz orientierten Anlagestrategie beworben werden.
*Matthias Geurts ist Rechtsanwalt und Partner bei Schalast. Schalast gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.
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