von Heinz-Roger Dohms, 25. September 2017
Wer Martin Zielke zuletzt zuhörte – der musste glauben, die Commerzbank sei in Sachen Digitalisierung jetzt ganz weit vorn. „Wir sind die disruptive Großbank in Deutschland“, ließ sich der Chef der Frankfurter Großbank zitieren. Und in einer hübsch gesetzten PR-Offensive zum sogenannten „Digital Campus“ vermittelte das Institut den Eindruck, nach dem Privatkunden- werde jetzt auch das Firmenkundengeschäft mit Hochdruck technologisiert.
Nun hat die Commerzbank im Retailbereich tatsächlich unbestrittene Fortschritte gemacht. Bei der Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts allerdings klafft zwischen Selbstvermarktung und Wirklichkeit eine gewaltige Lücke, zeigen Recherchen von Finanz-Szene.de. Ein Trauerspiel in fünf Akten:
Die Älteren werden sich erinnern: Eine ähnlich Ankündigungswelle wie jetzt hat die Commerzbank vor mittlerweile dreieinhalb (!) Jahren schon einmal losgetreten. Damals wurde der hauseigene Startup-Entwickler „Main Incubator GmbH“ mit dem expliziten Ziel gegründet, das Firmenkundengeschäft zu digitalisieren. In der damaligen Pressemitteilung hieß es wörtlich: Das hundertprozentige Tochterunternehmen (also der Main Incubator) „fördert und investiert in Startups mit innovativen Lösungen mit Schwerpunkt auf dem Firmenkundengeschäft“.
Schon 2014 ging die Commerzbank via „Main Incubator“ zwei „strategische Investments“ ein, wie das damals hieß. Bei dem einen handelte es sich um den Münchner Datenanalyse-Spezialisten Gini, bei dem anderen um den B2B-Payment Anbieter Traxpay. Was wurde aus diesen „strategischen Investments“? Traxpay ist schon seit Monaten ins Firmenkundenangebot der NordLB integriert – nicht jedoch in das der Commerzbank. Gini wiederum war von vornherein (Stichwort „Schwerpunkt auf dem Firmenkundengeschäft“ …) ein strategisch eher seltsames Investment – denn bis heute beschränkt sich das Münchner Fintech auf den Retaibereich. Dort ist Gini freilich inzwischen mit fast jeder bekannten deutschen Bank live, von der Deutschen Bank über die HVB bis hin zur ING Diba und den Sparkassen. Aber nicht – mit der Commerzbank.
Mit anderen Worten: Die selbsternannte „disruptive Großbank in Deutschland“ hat mit ihren millionenschweren „strategischen Investments“ Fintechs gepäppelt, die nun dafür sorgen, dass die direkte Konkurrenz ihre digitalen Angebote verbessert (wobei man natürlich argumentieren kann, dass die Coba zumindest finanziell profitiert, wenn die eigenen Beteiligungen Kunden gewinnen). Auf die Frage, mit welchen „Main Incubator“-Beteiligungen die Commerzbank im Firmenkundengeschäft überhaupt live ist, heißt es: „Sowohl mit Optiopay als auch mit Bilendo gibt es Kooperationsverträge. Die Zusammenarbeit macht uns viel Freude, ist sehr konstruktiv und geht bereits über die Pilotphasen hinaus. Zudem gibt es aus dem Portfolio des Main Incubators weitere Piloten und Gespräche bezüglich potenzieller Kooperationen, die über Anwendungen im Firmenkundengeschäft hinausgehen.“
Um Strategien nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen zu können, braucht es ein Mindestmaß an personeller Kontinuität. Stattdessen herrscht im Firmenkundengeschäft der Commerzbank – jedenfalls da, wo es um die Digitalisierung geht – offenbar ein ständiges Kommen und Gehen. Sehen Sie selber:
Erinnert sich noch jemand an die riesige Finanzierungsrunde für Traxpay im September 2014? Der „Main Incubator“ trat damals als Lead Investor auf, allerdings nicht alleine, sondern mit einem gewichtigen Partner, der Software AG (hinter SAP der größte deutsche Software-Konzern). Arndt Zinnhardt, Finanzchef der Software AG, zog damals auch ins Investment-Komitee des „Main Incubators“ ein. Inzwischen hat er das Gremium verlassen. Einen neuen Vertreter hat das Damstädter IT-Unternehmen nicht entsandt.
Mit „Main Funders“ wollte die Commerzbank das Kreditgeschäft für mittelständische Unternehmen revolutionieren. Statt die Darlehen selber zu vergeben, soll „Main Funders“ als Plattform dienen, über die Geschäftskunden mit institutionellen Fremdkapitalgebern zusammengebracht werden. Seit dem Start im Frühjahr vergangenen Jahres hat man von „Main Funders“allerdings nicht mehr viel gehört. Auf Nachfrage teilt die Commerzbank nun mit: „Bei der Main-Funders-Plattform haben wir die Erfahrung gemacht, dass bislang nicht immer alle Risikoprofile von Kreditnehmern auch passend zu den Renditeerwartungen von Investoren sind. Wir beobachten jedoch die weitere Entwicklung sehr aufmerksam und bitten zugleich um Verständnis, dass wir keine Zahlen zu dieser Plattform veröffentlichen.“
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