Rückblick

Alle Volksbanken- und sonstigen Genosektor-News aus dem Oktober

In unserem Genosektor-Ticker verfolgen wir Volks- und Raiffeisenbanken genauso wie PSD- und Sparda-Banken, die DZ-Bank-Gruppe genauso wie die Atruvia.

Hier unser Ticker für den Oktober 2022:

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Podcast (#84): Der Kampf der Atruvia-Chefs gegen die Datenschützer

Es sind zwei Welten, die da aufeinanderprallen. Auf der einen Seite steht Ulrich Coenen, ein Mann des digitalen Zeitalters, ganz früher mal Innovationschef bei E-Plus, später für die digitale Transformation der Commerzbank zuständig, seit zwei Jahren Co-Chef und „Chief Digital Officer“ des genossenschaftlichen IT-Dienstleisters Atruvia. Coenen soll die Volks- und Raiffeisenbanken fit machen für die neue Zeit, in der die Konkurrenz nicht mehr auf der anderen Straßenseite sitzt und „Sparkasse“ heißt, sondern überall lauert und mal als Neobank, mal als Vergleichsportal und mal als „Embedded Finance“-Tool die eigenen Kunden abgreift. Die Herausforderung ist also gewaltig – doch Coenen will sich ihr stellen und er weiß auch schon wie. Die VR-Banken sollen nämlich zum Vorreiter für Smart-Data-Lösungen werden, die „keine bloße Option“ mehr seien, sondern „ein zwingender Imperativ“, wie der Manager es in einem Gastbeitrag für die „BÖZ“ formulierte. Hier indes kommt nun die andere Seite ins Spiel – die Datenschützer. Die haben sich zuletzt auf den Genosektor regelrecht eingeschossen, verurteilten die Hannoversche Volksbank zu einem Bußgeld in Höhe von 900.000 Euro und drohen auch das sektorweite, von BVR und Atruvia aufgesetzte „Smart Data Project“ zu torpedieren (siehe unsere große Recherche hier). Und nun? Geben die Genossen klein bei oder wollen sie ihr Datenprojekt auch gegen behördliche Widerstände vorantreiben? Darüber haben wir mit Ulrich Coenen für die heutige Folge von „Finanz-Szene – Der Podcast“ ebenso gesprochen wie über die Cloud-Technologie, über neue Konkurrenten wie Mambu, über die steigenden Energiekosten der eigenen Rechenzentren und über die Frage, wie viel Geld die Volks- und Raiffeisenbanken vor Ort eigentlich in den nächsten Jahren für die Innovationsfreude der Atruvia werden berappen müssen. Auf geht’s: Finanz-Szene (frei zugänglich)

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Kurz getickert

  • Trotz des beginnenden Zinswettbewerbs verzeichnen die Volks- und Raiffeisenbanken zumindest auf Neun-Monats-Sicht immer noch ein deutliches Plus bei den Einlagen. Wie der „Verband der Regionen“ (der VR-Banken aus 14 Bundesländern repräsentiert) gestern mitteilte, verfügten die Mitgliedsinstitute per Ende September über Einlagen in Höhe von 337,4 Mrd. Euro – verglichen mit dem Jahresbeginn ein Zuwachs von 3,1% (BÖZ/Paywall)
  • Der frühere Vorstandschef der Sparda-Bank Münster, Enrico Kahl (siehe am Freitag unser Stück -> Die Hintergründe des Kahl-Prozesses), muss nicht ins Gefängnis. Das Landgericht Münster verurteilte den Ex-Banker wegen Untreue in 141 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Zudem ordneten die Richter den Einzug von 200.000 Euro an und verpflichteten Kahl zu 300 So­zialstunden. Deutliche Kritik übten die Richter an den Strukturen des heute zur Sparda West gehörenden genossenschaftlichen Instituts. Die Aufsichtsräte seien „im Wesentlichen unqualifiziert“ gewesen, heißt es laut „Münsterscher Zeitung“ in der Urteilsbegründung, darüber hinaus diagnostizierte das Gericht ein „Versagen der Vorstandsriege“ (Münstersche Zeitung, dpa/via SZ)

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3,5 Jahre Haft für Sparda-Banker? Die Hintergründe des Kahl-Prozesses

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Kurz getickert

  • Die DZ Bank reagiert auf den Bewerbermangel in der Branche – und will im kommenden Jahr 40 zusätzliche Stellen für junge Leute einrichten, zum Beispiel für Trainees oder Bachelor-Programme (Bloomberg)
  • Die Apobank sieht sich wieder mal Beschwerden der eigenen Klientel ausgesetzt. So sollen Software-Probleme des Düsseldorfer Genossenschaftsinstituts momentan zur Folge haben, dass Apotheken ihr Geld von den (mit der Apobank verknüpften) Rechenzentren stark verspätet erhalten (Apotheker Adhoc)
  • Die Hinweise auf eine Rückkehr des Genosektors in die „European Payments Initiative“ verdichten sich. Sollten die Sparkassen für die Finanzierung der „kleinen EPI-Lösung“ (alle Hintergründe hier) optieren, sind laut „Platow-Brief“ (Paywall) nun auch die Volks- und Raiffeisenbanken bereit sein, sich zu beteiligen. Eine Entscheidung soll noch im November fallen
  • Die BB Bank – also die in Karlsruhe ansässige drittgrößte genossenschaftliche Primärbank hierzulande – ist am Wochenende unfreiwillig in die Schlagzeilen geraten. So berichtet der „Spiegel“ (Paywall) über angebliche Auffälligkeiten im Rahmen eines privaten Immobilienkredits für den heutigen Bundesfinanzminister Christian Lindner. Zum einen soll die Kredithöhe den Kaufpreis deutlich überstiegen haben. Zum anderen pflegen die BB Bank und Lindner dem Bericht zufolge auch jenseits der Finanzierung eine intensive Beziehung. So soll der FDP-Politiker zwischen 2017 und 2019 für diverse Auftritte bei dem Institut angeblich zwischen 35.000 und 73.000 Euro Honorar erhalten haben
  • Nach der ING Diba gewährt auch die DZ-Bank-Tochter Reisebank ihren Mitarbeitern eine Einmalzahlung zum Abfedern der Inflation. Der steuerfreie Zuschuss zum Gehalt hier: 1.800 Euro
  • Dem Finanzinvestor EQT scheint der Einstieg bei der Schufa im zweiten Anlauf tatsächlich zu gelingen. Laut „Börsen-Zeitung“ (Paywall) wollen Sparkassen und Genobanken ihre Vorkaufsrechte für die zum Verkauf gestellten Anteile von Deutsche Bank und Commerzbank nicht ausüben – womit der Weg für die Schweden
  • Die Apobank wird laut CEO Matthias Schellenberg von ihrem über die letzten Jahre in die Höhe geschnellten Kostenniveau so schnell nicht wieder herunterkommen. Wie der Manager gegenüber der „Börsen-Zeitung“ (Paywall) erklärte, soll die neue Konzernstrategie lediglich das bereits bekannte Kostenziel enthalten – nämlich die CI-Ratio bis 2025 wieder unter 70 % zu drücken

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Die Vergütungs-Millionäre bei den Volksbanken auf einen Blick

Im genossenschaftlichen Bankensektor gibt es zwar nicht ganz so viele „Vergütungs-Millionäre“ wie bei den Sparkassen (siehe unser Stück hier) – trotzdem sind wir bei unserer Auswertung auf immerhin 22 von ihnen gestoßen. Hiervon entfielen 16 auf klassische VR-Banken, zwei auf die BB Bank und vier auf die Apobank, also auf das Düsseldorfer Klientelinstitut, das zwar genossenschaftlich organisiert ist, ansonsten allerdings nicht viel mit dem übrigen Sektor gemein hat. Da etliche Genobanken noch keinen Offenlegungsbericht für 2021 publiziert haben, könnte sich in den nächsten Wochen und Monaten noch das ein oder andere Institut mit siebenstelligen Vergütungen zeigen. Sehen Sie hier die komplette Tabelle, jetzt auch vor der Paywall: FS Premium

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Kurz getickert

  • Nächste Wendung im Tauziehen um die Schufa. Nach Informationen von „Bloomberg“ wollen die Deutsche Bank und die Commerzbank ihre Anteile an der Wiesbadener Auskunftei (zusammen knapp 19%) veräußern, und zwar an den schwedischen Finanzinvestor EQT, der im vergangenen Jahr gescheitert war beim Versuch, die Schufa zu kapern. Laut „Handelsblatt“ (Paywall) soll der Verkauf „auf einem guten Weg“ sein, aber „noch nicht in trockenen Tüchern“ – zumal die bestehenden Schufa-Aktionäre (also voran die Genobanken und die Sparkassen) auch bei diesen Anteilen über ein Vorkaufsrecht verfügen

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Wieder zwei Volksbank-Fusionen gescheitert

Die auffällige Häufung geplatzter Volksbank-Fusionen in diesem Jahr (siehe hier) wird noch ein bisschen auffälliger: So sind zuletzt gleich zwei avisierte Geno-Hochzeiten gescheitert. Erstens kamen laut einem Bericht der Regionalzeitung „Oberpfalz Medien“ die VR Nordoberpfalz (Bilanzsumme 3,9 Mrd. Euro), die Raiffeisenbank Neustadt-Vohenstrauß (577 Mio. Euro) und die Raiffeisenbank Oberpfalz NordWest (595 Mio. Euro) in ihren Sondierungsgesprächen zu einer Dreier-Fusion nicht zusammen. Die Raiba Oberpfalz NordWest bleibt nun eigenständig, die beiden anderen verhandeln weiter. Und zweitens scheiterte die Verschmelzung der Mendener Bank (Bilanzsumme 435 Mio Euro) mit der Volksbank Wickede (173 Mio. Euro) – allerdings nicht schon in der Sondierung, sondern etwas spektakulärer an einem abschlägigen Votum der Vertreterversammlung in Wickede.

Dabei war es im eigentlich fusionsfreudigen Volksbanken-Sektor lange Zeit eher ungewöhnlich, dass die Zusammenschlüsse am Ende doch nicht stattfinden. Doch ist der Konsolidierungsdruck gerade in diesem Jahr offenbar nicht überall vermittelbar, wie sich jüngst erst im Scheitern der VR Bank Heilbronn Schwäbisch Hall mit der Raiffeisenbank Hohenloher Land zeigte (siehe hier).

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Das verblüffend hohe Trading-Volumen bei Sparkassen und Volksbank

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Die Raiba Hochtaunus, ihr Strategieschwenk und der „Spargedanke“

Dürfen wir noch einen kleinen Nachklapp zu unserer Geschichte -> „Keine Filialen, keine Firmenkunden: Raiffeisenbank wagt Revolution“ bringen? Denn: Dass die faktische Abschaffung des Schaltergeschäfts bei der Raiba Hochtaunus zu einem Murren und Gurren im Genosektor führen würde – davon war auszugehen. Vielen Genossinnen und Genossen ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass der Verbund jetzt für die Einlagen einer Bank haftet, die gar kein richtiges Vor-Ort-Institut mehr sein will, sondern sich als bundesweite Online-Bank mit angeschlossener Gewerbe-Immo-Finanzierung versteht.

Zum Unbehagen gesellen sich allerdings auch rechtliche Frage. Etwa: Kann eine VR-Bank die Filialen, das Bargeld und das Firmenkunden-Kreditgeschäft abschaffen, wenn sie zugleich in ihrer Satzung …

  • „die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder“,
  • das „bankübliche Geschäft“
  • „die Pflege des Spargedankens, vor allem durch Annahme von Einlagen“

… als Zweck und Gegenstand nennt? Zumal: Sparprodukte will die Raiba Hochtaunus zwar noch anbieten. Aber nur noch digital. Wer mit Bargeld sparen will, bleibt außen vor.

Das Institut selber sieht hier keine Bedenken: „Wir nehmen ja lediglich eine Anpassung unserer Vertriebswege vor. Unsere Produktpalette bleibt mit Blick auf Spar- und Anlageprodukte bestehen. Wir nehmen diese Produkte nicht aus dem Portfolio, im Gegenteil, durch den Ausbau der Beratung gewinnen diese an Bedeutung.“ Nun denn.

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Keine Filialen, keine Firmenkunden: Raiffeisenbank wagt Revolution

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Volksbanken lassen sich mit neuer Co-Badge-Lösung aufreizend viel Zeit

In einer Pressemitteilung zum Wiesbadener „Karten-Forum“ der DG Nexolution (also das, was früher mal der DG Verlag war) fand sich folgende überaus interessante Passage: „Gregor Roth, Bereichsleiter Transaction Management bei der DZ Bank, beleuchtete verschiedene aktuelle Entwicklungen für die Genossenschaftsbanken. In Bezug auf die Ankündigung von Mastercard, das Co-Badging mit Maestro einzustellen, sagte Roth: ‚Wir sind mitten in der Umstellung. Ziel ist es, bereits im November erste angepasste Karten zu testen.‘ In der zweiten Jahreshälfte 2023 wird DG Nexolution neue Girocards mit den Co-Badges Debit Mastercard und Visa Debit an die Kundinnen und Kunden von Genossenschaftsbanken versenden.“ Nur noch mal zur Erinnerung: Laut Mastercard soll die letzte Maestro im kommenden Juni emittiert werden. Allzu viel Puffer scheint’s im Zeitplan der Genossen nicht zu geben.

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Kurz getickert

  • Nachdem die Genobanken in den letzten Jahren einen dreistelligen Mio.-Betrag in das Digitalisierungsprojekt „KundenFokus“ (also neue Banking-App etc.pp.) gesteckt haben, wartet laut „Platow-Brief“ nun die nächste IT-Umlage auf den Sektor … +++ … So habe die Beraterfirma Bain in einer ersten Analyse für den genossenschaftlichen IT-Dienstleister Atruvia einen Investitionsbedarf von mindestens 1 Mrd. Euro diagnostiziert
  • Die DZ Bank versucht sich als Vorreiter beim neuen Bezahlverfahren „Request to pay“ (RTP). Dabei handelt es sich um eine der Zahlung vorgeschaltete Zahlungsaufforderung, die bei Bestätigung durch den Kunden automatisch eine Überweisung auslöst. Ab kommendem Jahr will die genossenschaftliche Zentralbank ihren Kunden die neue Bezahlmethode erstmals anbieten. Dabei kooperiert DZ Bank mit der RTP-Plattform des Hamburger Payment-Spezialisten PPI. Man werde nicht nur „erster Nutzer der Plattform“, sondern wolle sich auch „aktiv an der Entwicklung der Plattform beteiligen“, so die Genossen.
  • Die Apobank, die wegen ihrer Verwicklung in die Cum-Ex-Affäre fast 50 Mio. Euro an den Fiskus hatte zahlen müssen, will sich dieses Geld nun wenigstens teilweise zurückholen – und geht zu diesem Zwecke juristisch gegen frühere Geschäftspartner vor, darunter M.M. Warburg bzw. die Warburg Holding (Handelsblatt/Paywall)

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