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Der Fachkräftemangel als Bedrohung – und wie Banken gegensteuern

Was der Fachkräftemangel für unsere Banken, Sparkassen und Versicherungen bedeutet, ist bisher wenig analysiert. Wir haben einen Blick auf die Personalbestände etablierter Finanzdienstleister geworfen. Demnach kommen die deutschen Banken, Sparkassen und Versicherungen heute überwiegend auf einen Altersdurchschnitt von über 47 Jahren. Der Mitarbeiterschwund wird daher in den kommenden Jahren nicht linear verlaufen, sondern wird sich von Jahr zu Jahr beschleunigen. Allein durch Verrentung verlieren die Unternehmen bis zum Jahr 2030 im Durchschnitt deutlich über 30% ihrer Mitarbeitenden.

Dabei geht es nicht allein um Kapazitäten. Auch mehr als 30% des heutigen Expertenwissens gehen verloren. Und 30% der heutigen persönlichen Kundenbeziehungen. Knowhow muss gesichert werden – aber wie?

Zumal: Die Zahlen berücksichtigen noch nicht die Fluktuation im Sinne von Arbeitnehmer-Kündigungen. Finanzdienstleister haben in der Vergangenheit oftmals die niedrige Fluktuation als Belastung ihrer Veränderungsfähigkeit wahrgenommen. Aber das Blatt wendet sich. Bei den meisten Unternehmen zieht die Fluktuation bereits an. Statt 1-2% sehen wir teilweise schon Werte von über 4%. Betrachtet man aktuelle Prognosen, so werden sich diese höheren Werte bestenfalls nur stabilisieren, tendenziell aber werden sie eher noch steigen. Denn: Zwischen 2018 und 2021 ist die Zahl der Mitarbeitenden, die aktiv einen Job suchten, von 4% auf rund 14% gestiegen. Zudem wird bis 2030 die niedrige Fluktuationsrate älterer Beschäftigter durch hohe Fluktuation neu eingestellter Mitarbeitender ersetzt.

Das Recruiting steht ohnehin unter Druck. Steigende Fluktuation verschärft das Problem. Also nochmal: Was tun?

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1.) Personalgewinnung

In der Personalgewinnung zeichnen sich aktuell bereits wesentliche Veränderungen ab. So ist beispielsweise erkennbar, dass zunehmend nicht nur IT- oder Expertenfunktionen schwer zu besetzen sind. Auch Standardfunktionen, wie beispielsweise Servicemitarbeitende in Banken, sind immer schwieriger zu besetzen. Der Engpass breitet sich damit nahezu auf das gesamte Funktionsspektrum aus.

Arbeitgebermarke und Personalmarketing werden in Zukunft deutlich zielgruppenspezifischer gestaltet werden müssen. Dabei stellt sich die Frage: Was sind zukünftig meine Zielgruppen? In dieser Frage liegt eine erhebliche Chance, denn wenn sich Unternehmen offen gegenüber neuen Zielgruppen zeigen, verbreitern sich die Chancen in der Personalgewinnung erheblich. Muss denn wirklich eine Servicekraft in einer Bank eine kaufmännische Ausbildung durchlaufen haben? Oder findet man hohe Serviceorientierung auch in ganz anderen Zielgruppen?

Recruiting verschiebt sich immer mehr von externen Personalberatern hin zu internen Recruitern, nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Völlig neue Kompetenzen werden erforderlich, um potenzielle Bewerber aktiv zu suchen und erfolgreich anzusprechen. Active Sourcing zieht in die Unternehmen ein.

Daneben ist der Employee Net Promotor Score (ENPS), also die Bereitschaft der Mitarbeitenden, den Arbeitgeber weiterzuempfehlen, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Kein Recruiting-Kanal ist so erfolgreich, wie das Resultat eines hohen ENPS. Recruiting wird damit zu einer unternehmerischen Aufgabe aller Führungskräfte, denn der ENPS resultiert stark aus der wahrgenommenen Qualität von Führung und Zusammenarbeit.

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2.) Personalbindung

Hauptauslöser für Kündigungen ist nach wie vor das Gehalt. Jedoch kündigen nur Mitarbeitende mit geringer Bindung zum Unternehmen. Bindung wird jedoch nicht durch Gehalt, sondern durch attraktive Formen der Führung, Zusammenarbeit sowie Teamorientierung erreicht. Wer also ausufernde Personalkosten vermeiden will, sollte nachhaltig in diese qualitativen Merkmale der Arbeitsorganisation investieren. Neben der Bindung strahlt diese Investition auch auf den Erfolg im Recruiting aus.

Ein weiterer Aspekt: Rund 41% der Mitarbeitenden fühlen sich in ihren Aufgaben unterfordert. Bei den bis 34-Jährigen liegt dieser Wert sogar bei 47% – möglicherweise ein Resultat der zunehmenden Akademisierung. Personalbindung bedeutet daher auch, ein bestmögliches Matching zwischen Anforderungen von Funktionen und eingebrachten Kompetenzen zu erreichen.

Die genannten Themen verdeutlichen, dass Kultur & Führung ein, wenn nicht der zentrale Hebel der Mitarbeiterbindung sind. Nur eine Kultur und eine Führung, die den Mitarbeitenden Spaß an ihren Aufgaben und an der Arbeit im Team bieten, führen zu der notwendigen Zufriedenheit, um Mitarbeitende langfristig zu binden.

Zusätzlich verlagert sich der Fokus vom Individuum auf das Team – auch bei der Incentivierung. Die hybride Form der Arbeit stellt völlig neue Anforderungen an die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Damit verteilt sich Verantwortung zunehmend im Team. Das Team in den Fokus der Incentivierung zu stellen, ist damit nur konsequent. Und Incentivierung im Team besteht nicht aus Euro oder Obstkorb. Incentivierung fördert den Zusammenhalt im Team und schafft so Mehrwert für Mitarbeitende und Unternehmen.

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3.) Personalentwicklung

Wird Personalentwicklung das neue Recruiting? Jein. Neben der Etablierung eines systematischen Nachfolgemanagements stellt sich die Frage des Umgangs mit erkennbaren Personalüberhängen zukünftig völlig neu. Personalüberhänge abzubauen ist nur noch die zweitbeste Lösung. Besser ist es, Personalüberhängen längerfristig ausgelegte Personalentwicklungsmaßnahmen anzubieten und bezogen auf ganze Mitarbeitergruppen in Entwicklungspfaden zu denken. Damit wird die Personalentwicklung und auch die Personalplanung um einen ganz wesentlichen strategischen Aspekt angereichert.

In der Vergangenheit wurde Nachfolgemanagement oftmals in seiner Bedeutung verkannt. Dabei handelt es sich um eine zentrale Voraussetzung, um möglichst viele Kenntnisse und Erfahrungen im Unternehmen zu bewahren, wenn mehr als 30% der Mitarbeitenden bis 2030 das Haus verlassen. Systematisches Nachfolgemanagement hat mehr Relevanz als nur punktuelle Lücken zu schließen. Denn ohne Nachfolgemanagement verlieren Unternehmen einen wesentlichen Teil ihrer Substanz.

Entwicklungspfade bieten darüber hinaus die Möglichkeit, benötigte Kompetenzen dort aufzubauen, wo sie in Zukunft gebraucht werden, ohne bestehendes Personal abzubauen. An diesem Punkt ist also besonders wichtig, neben einer quantitativen Personalplanung auch eine qualitative Betrachtung innerhalb des Planungshorizonts zu haben. Nur so können Qualifizierungslücken vorausschauend erkannt und darauf reagiert werden.

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Fazit

Die Komplexität des Themas und die Frage „Womit fangen wir an“ ist inzwischen wesentlicher Bestandteil der meisten Vorstandssitzungen. Dies ist positiv, denn ohne einen strategischen Fokus auf Personalgewinnung, -bindung und -entwicklung wird der Fachkräftemangel zum Existenzrisiko.

In jedem Fall führen die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt dazu, dass das HR in Unternehmen eine noch stärkere strategische Bedeutung erhält und als entsprechender Akteur im Unternehmen angesehen werden sollte.

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*Christina Block und Christian von Schirach sind Senior Manager bei zeb. Die Strategie- und Managementberatung gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.

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