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Der pfiffige Herr Orcel – zehn Takes zum jüngsten Move des Unicredit-Chefs

Was Herr Orcel sagt und was Herr Orcel meint und was Herr Orcel tut – das sind drei verschiedene Paar Schuhe. Sollte eigentlich jeder wissen inzwischen. Und doch stand man auch gestern Früh wieder einigermaßen perplex vor dem Nachrichten-Ticker mit der Frage: Hat er das jetzt wirklich getan??? Simple Antwort: Ja, der Unicredit-CEO hat es getan. Nämlich die Commerzbank überrumpelt. Zum nunmehr dritten Mal. Statt wie bislang auf 21% hat die italienische Großbank nun also Zugriff auf 28% aller Commerzbank-Aktien. Obwohl Andrea Orcel doch Ende November noch gesagt hatte, dass er … – wobei, nein, wortwörtlich gesagt hatte er es natürlich nicht (und gemeint hatte er es vermutlich erst recht nicht), sondern lediglich angedeutet, dass er bis zur Bundestagswahl die Füße still halten würde.

Wenn man nur ausdauernd genug drüber nachdenkt: Vermutlich gab es diese Füße (also die, die Orcel stillhalten wollte) wirklich. Allerdings steckten sie halt blöderweise in einem der beiden anderen Paar Schuhe und nicht in dem „Was Herr Orcel tut“-Paar Schuhe.

Jedenfalls: Was man als Frankfurter Finanzjournalist im Angesicht dieser Gemengelage am allerwenigsten will, das ist, in seinem eigenen Paar Schuhe zu stecken! Denn: Die jüngste Volte des Herrn Orcel journalistisch zu interpretieren, läuft am Ende ja nur wieder darauf hinaus, in ein paar Wochen festzustellen, dass die eigenen Interpretationen größtenteils falsch waren. Aber hilft ja nix!

Sieben ganz kurze Einordnungen unsererseits (lange Einordnungen trauen wir uns bei Herrn Orcel nicht mehr):

  1. Der Schritt ist natürlich eine Kampfansage, und zwar in vielerlei Richtungen, nicht zuletzt in Richtung von Finanzminister Jörg Kukies, der Ende November wenig Zweifel daran gelassen hatte, dass die Bundesregierung (jedenfalls die Noch-Bundesregierung) einen Angriff auf die Commerzbank als unfreundlichen Akt wertet. Dazu passte auch das gestrige Statement aus Berlin, indem es hieß: „Die Unicredit geht hier erneut unabgestimmt und mit unfreundlichen Methoden vor.“
  2. Klar, es sind 28% (und nicht, sagen wir, 31%), weil ab 30% ja ein Pflicht-Übernahmeangebot fällig würde, welches die Unicredit aber vor Freigabe der EZB-Bankenaufsicht für ein Aufstocken der Aktien über 10% (die Unicredit hält ja nur 9,5% in Aktien, den Rest über Instrumente) noch gar nicht machen darf. Wobei in die Sache nun Tempo kommt (siehe Punkt 10).
  3. Wenn man mal die Kluft zwischen Orcels Andeutungen und Orcels Handeln außen vor lässt, ist der jüngste Schritt zumindest insofern konsequent, als es dem Unicredit-Chef ja erkennbar darum geht, den eigenen Spielraum möglichst auszuweiten oder zumindest nicht kleiner werden zu lassen. Zumindest dieses Motiv zieht sich einigermaßen beständig durch die letzten Monate.
  4. Die Füße stillzuhalten, hätte ja auch heißen können, die eigene Position vorübergehend ein wenig abzuschmelzen. Das allerdings hat Orcel ja nicht gemacht – weshalb es soooo überraschend vielleicht doch nicht kommt, dass er jetzt sogar aufstockt.
  5. Vielleicht war der jetzige Move gar nicht von langer Hand vorbereitet – sondern folgte einer Opportunität, die sich auch daraus ergab, dass die Übernahme-Fantasien zuletzt so ein wenig gewichen waren aus dem Kurs der Commerzbank-Aktie.
  6. Vielleicht war aber ja gerade das auch Teil des Plans – vielleicht hat Orcel mit seinen Äußerungen im November gerade darauf abgezielt, mal ein bisschen Luft aus der Coba-Aktie herauszupieksen (das hat ja auch geklappt), um jetzt wieder kraftvoll zugreifen zu können.
  7. Vielleicht ist aber auch alles noch ganz anders, und nachdem Orcel im November von der Commerzbank auf die Banco BPM umsattelte, dort aber ebenfalls (und womöglich ja sogar auf kräftigeren) Widerstand stieß, sattelt er jetzt erst einmal wieder zurück.
  8. Herr Orcel hat zwar gesagt, dass Unicredit „niemals“ zwei Banken gleichzeitig „integrieren“ würde. Aber mit dem, was Herr Orcel sagt, ist es ja, wie gesagt, so eine Sache. Und ums Integrieren geht es ja erst einmal noch gar nicht. Sondern ums Kaufen bzw. sogar noch banaler (siehe Punkt 3) um das Ausweiten von Spielräumen. Und da die Unicredit ja die Banco BPM mit eigenen Aktien bezahlen will, ist für einen möglichen parallelen oder zeitversetzen Commerzbank jedenfalls genug Cash da.
  9. In technischer Hinsicht ist dieses ganze Unicredit-Manöver (beziehungsweise, Plural: sind die ganzen Unicredit-Manöver) vor allem deshalb möglich, weil sich Orcel einer relativ jungen Spielart der Equity Swaps bedient. Nämlich Swaps, die nur dann zum Bezug der Aktie bzw. einem Barausgleich berechtigen, wenn die Aufseher ihre Freigabe zum Aufstocken des Aktienanteils auf bis zu 29,9% erteilen (zur Erinnerung: Bislang hält die Unicredit ja nur 9,5% an der Commerzbank in Aktien, der Rest sind irgendwelche Derivate). Das Hantieren mit diesen stark konditionierten Swaps ist dem Vernehmen nach günstiger, als wenn die Unicredit mit herkömmlichen Equity-Swaps agieren würde.
  10. Dass die Unicredit in ihrer Mitteilung schreibt, das Inhaberkontrollverfahren sei nun „aktiviert“, bedeutet formal, dass die Unterlagen offenbar für vollständig erklärt worden sind. Damit läuft die 60-Tage-Frist, innerhalb der sich die Aufseher äußern müssen, ob sie der Aufstockung auf bis zu 29,9% in Aktien durch die Unicredit formal zustimmen.

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