von Christian Kirchner, 22. Mai 2023
Bei der Deutschen Bank könnte die Unternehmensbank schon bald die Investmentbank als größter Gewinnlieferant ablösen – eine fast tektonische Verschiebung der internen Verhältnisse.
Wie aus der dieser Tage veröffentlichten neuen Konsens-Schätzung hervorgeht, trauen die Analysten der Corporate Bank inzwischen ein 2023er-Ergebnis von 2,9 Mrd. Euro zu – gut 50% mehr, als noch im Januar prognostiziert worden war. Dagegen gingen die Gewinnschätzungen für die Investmentbank im gleichen Zeitraum um knapp 20% auf nunmehr nur noch 2,5 Mrd. Euro zurück.
Eine Momentaufnahme? Offenbar nicht. Denn wie aus den Schätzungen ebenfalls hervorgeht, könnte die Corporate Bank ihre neue Position als wichtigster Ergebnislieferant auch 2024 und 2025 beibehalten.
Die drastische Aufwertung der Unternehmensbank in der Konsens-Schätzung spiegelt die jüngst präsentierten Q1-Zahlen: Von Januar bis März hatte die Sparte (die neben dem Firmenkundengeschäft auch das Transaction Banking umfasst) mit einem unerwartet hohen Gewinn für Aufsehen gesorgt. Er reichte mit 822 Mio. Euro bereits knapp an die Investmentbank (861 Mio. Euro) heran.
Dabei profitiert die Unternehmensbank vor allem von der Zinswende. Ihr Zinsüberschuss stieg im Q1 um 71% zum Vorjahresquartal, die rechnerische Zinsmarge (also der Zinsüberschuss in Relation zum Kreditvolumen) schoss im gleichen Zeitraum von 2,4% auf 4,1% in die Höhe – erheblich stärker als in anderen Segmenten. Da zudem zumindest keine deutlich sinkenden Zinsen in Sicht sind, sollte der Rückenwind für die Sparte noch eine Weile anhalten.
Zwar kommt die Deutsche Bank durch die Verschiebung ihrem (vor Jahren formulierten, zuletzt aber bewusst vernachlässigten) Ziel näher, ihre Abhängigkeit vom Investmentbanking zu reduzieren. Aufs Ganze gesehen verbessern sich die Schätzungen der Analysten allerdings kaum. Denn ungefähr im gleichen Maße, wie die Schätzungen für die Unternehmensbank steigen, sinken die für die anderen Sparten (neben der Investmentbank gilt das vor allem für den Zentralbereich „Corporate & Other“). Die Schätzungen für den Nettogewinn insgesamt zogen seit Januar lediglich von 4,1 Mrd. auf 4,4 Mrd. Euro an – bei der Eigenkapitalrendite werden der Deutschen Bank nun 6,9% statt zuvor 6,6% zugetraut – deutlich weniger, als die Frankfurter 2022 erwirtschaftet hatten (da waren es 9,4%) und auch als sie bis 2025 erwirtschaften wollen, nämlich 10%.
Intern dürfte der Wachwechsel genau beäugt werden. Die Investmentbank hatte durch ihre hohen Ergebnisbeiträge der Vorjahre stets die gewichtigste Rolle im Konzern – auch mit Blick auf die Vergütung: So belief sich der durchschnittliche Personalaufwand je Vollzeitkraft im Investmentbanking letztes Jahr auf 308.000 Euro, bei der Unternehmensbank dagegen nur auf 102.000 Euro.
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