von Georgia Hädicke und Jan Pahlke, 17. April 2023
Es wird wieder ruhiger an der Fusionsfront. Könnte man jedenfalls meinen. Obwohl das Jahr schon dreieinhalb Monate alt ist, hat die Frankfurter Volksbank noch immer keine Übernahme angekündigt; und auch um andere Fusions-Champions aus den Villingens und Schwenningens und Offenburgs und Paderborns dieser Republik war es zuletzt auffallend still. Ist der genossenschaftliche „M&A“-Boom (von 2017 bis 2021 kam es zu exakt 200 Fusionen, also im Schnitt 40 pro Jahr) womöglich vorbei?
Um es kurz zu machen: Nope! Denn auch wenn sich kein neues Rekordjahr andeuten, könnte das Niveau der vergangenen Jahre auch 2023 wieder erreicht werden. So zeigen Recherchen von Finanz-Szene, dass exakt 70 Volks- und Raiffeisenbank in diesen Jahren entweder schon fusioniert haben oder dies zumindest tun wollen – gemessen an den rund 700 VR-Banken hierzulande also etwa jede zehnte. Würden die Zusammenschlüsse (darunter auch einige wenige Dreierbündnisse) allesamt vollzogen, wären das 33 Fusionen. Wobei erfahrungsgemäß ein paar platzen*, ein paar aber auch noch hinzukommen dürften.
Wir nehmen die Zahlen zum Anlass für einen zweiteiligen Schwerpunkt zum Thema „Geno-Fusionen“. In Teil I haben wir heute die Tabelle mit sämtlichen Zusammenschlüssen für Sie (siehe weiter unten) – und erklären vor die drei auffälligsten Muster.
Bitte sehr:
Bei den größten Fusionen des vergangenen Jahres war das Gefälle in der Bilanzsumme zwischen Senior- und Juniorpartner noch eindeutig – die ohnehin schon großen wurden einfach immer noch größer. Siehe die Frankfurter Volksbank (Bilanzsumme damals: 14,7 Mrd. Euro), welche die Rüsselsheimer Volksbank mit gerade mal 700 Mio. Euro Bilanzsumme aufnahm. Oder die Volksbank in Rosenheim, die sich die gerade einmal 100 Mio. Euro schwere Raiffeisenbank Tattenhausen-Großkarolinenfeld einverleibte.
In diesem Jahr hingegen ist das Kräfteverhältnis bei den großen Kandidaten durchaus ausgeglichener: Im Falle der Mainzer Volksbank und Volksbank Darmstadt-Südhessen ist das Verhältnis 8,8 Mrd. zu 5,6 Mrd., bei den Volksbanken Bielefeld-Gütersloh und Herford-Mindener Land beträgt die Differenz in den Bilanzsummen lediglich 1 Mrd. Euro und bei den Volksbanken Kraichgau und Bruchsal-Bretten bringt der kleinere Part immernoch 3,5 Mrd. Euro mit.
Tatsächlich ist der Trend zur „Groß-Genobank“ mit mindestens 10 Mrd. Euro Bilanzsumme offensichtlich. Vor fünf Jahren gab es gerade mal sieben solcher Institute (darunter lediglich zwei Volksbanken) – per Ende 2022 waren es bereits 15. Und mit der geplanten „Volksbank Darmstadt Mainz“, der neuen „Volksbank in Ostwestfalen (also Bielefeld/Minden) sowie möglicherweise auch dem Zusammenschluss von „Kraichgau“ und „Bruchsal-Bretten“ (zuletzt kamen die beiden Institute bereits aggregiert auf 9,8 Mrd. Euro) könnten bis Jahresende drei weitere Geno-Institute hinzukommen.
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Das Gros der Fusions-Aktivität findet bei den Volksbanken mit Bilanzsummen zwischen 100 Mio. Euro und 4 Mrd. Euro statt. Allerdings halten sich im Sektor auch immernoch 33 Institute mit einer Bilanzsumme unter 100 Mio. Euro, die kleinste ist die baden-württembergische Raiffeisenbank Maitis mit einer Bilanzsumme von 32 Mio. Euro. Von diesen winzigen Häusern finden sich bislang allerdings nur zwei auf der diesjährigen Fusionsliste, nämlich die Raiffeisenbank Mötzingen (88 Mio. Euro), die mit den beiden allerdings auch nicht sehr viel größeren Volksbank Ammerbuch und Raiffeisen Oberes Gäu zusammengeht, sowie die Raiffeisenbank Unterwesterwald (60 Mio. Euro), welche von der Westerwald Bank (knapp 4 Mrd. Euro) geschluckt wird.
In der regionalen Verteilung der Zusammenschlüsse spiegelt sich im Wesentlichen die Dichte des Sektors in den jeweiligen Gebieten: So entfallen 13 Bankenhochzeiten auf Bayern und Baden-Württemberg. Im Norden und Osten der Republik ist das Fusionsgeschehen hingegen deutlich geringer ausgeprägt: In Schleswig-Holstein tut sich überhaupt nichts, Niedersachsen und Bremen verzeichnen vier mögliche Fusionen, Thüringen und Sachsen-Anhalt jeweils eine, die größte Fusion ist hier eine gebietsübergreifende zwischen der Volksbank Braunschweig-Wolfsburg (BraWo) und der in Magdeburg. NRW sieht immerhin sechs lokale Zusammenschlüssen, Hessen und Rheinland-Pfalz kommen zusammen auf sieben. Auffällig ist eine hyperlokale Konzentration in der Eifel – hier verheiraten sich gleich drei Institute, nämlich Volksbank RheinAhrEifel, Volksbank Eifel und die Raiba Eifeltor (die tun sich allerdings nicht miteinander zusammen, sondern mit jeweils anderen benachbarten Häusern).
Quelle: Eigene Recherche
**VV=Vertreterversammlung; MV=Mitgliederversammlung; GV=Generalversammlung
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*Einige Fusionen sind in diesem Jahr auch schon geplatzt. Ein prominentes Beispiel waren die Sondierungen zwischen der Volksbank in Rosenheim und der Volksbank Bayern-Mitte in Ingolstadt, die im Januar für gescheitert erklärt wurden (siehe hier). Für die Mendener Bank und Volksbank Wickede (Ruhr) ist es in diesem Jahr der zweite Anlauf, nachdem der Zusammenschluss letztes Jahr an der 3/4-Mehrheit bei den Mitgliedern gescheitert war. Gleichwohl ist auch nicht ausgeschlossen, dass über das Jahr noch Volksbanken hinzukommen, die ihre Sondierung bislang noch nicht öffentlich gemacht haben.
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