von Christian Kirchner, 29. September 2020
Es war eine Mitteilung, wie uns Dutzende jedes Jahr erreichen: “Der langjährige Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Thomasberger beendet zum 31.12.2021 seine aktive Karriere. Zum 01.01.2022 wird Dr. Michael Düpmann neuer Vorsitzender des Vorstandes.” Ein Mann geht, ein Mann rückt auf. So weit, so normal.
Ein bisschen hellhörig wurden wir allerdings, als wir lasen, dass für die freiwerdende Vorstandsposition ein gewisser Jürgen Gärtner ausgewählt wurde, also ebenfalls ein Mann – und das, wo es sich doch auch beim dritten Vorstandsmitglied um einen Geschlechtsgenossen handelt. Ein Mann geht, ein Mann rückt auf, ein Mann bleibt, und ein Mann rückt nach. Auch noch normal? Vielleicht.
Dann indes begannen wir uns mit der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands zu beschäftigen. Und dann mit der zweiten. Und dann mit der Historie und den Geschäfts- sowie Nachhaltigkeitsberichten. Und es keimte ein böser Verdacht: Kann es sein, dass sich Genobanken wie die VR Bank Rhein-Neckar (die immerhin zu den in Sachen Bilanzsumme Top 5% der Genobanken der Republik zählt) der Frauenförderung systematisch verweigern?
Wir haben das mal versucht aufzudröseln:
Eine ganz normale Volksbank, allerdings eine recht große aus einer wirtschaftsstarken Region. Das Einzugsgebiet besteht aus Mannheim, aus der Umgebung von Mannheim und der Vorderpfalz. Die Bilanzsumme beträgt 4,5 Mrd. Euro, die Bank hat 42 Filialen und 651 Mitarbeiter.
Mehr als Männer. Frauen machen laut Geschäftsbericht 59% der Belegschaft aus.
Auf den ersten Blick scheint es so: “Wir fördern im Rahmen der regional bestehenden Möglichkeiten den Einsatz von qualifizierten Frauen in Führungspositionen der Bank”, heißt es im Geschäftsbericht. Der Nachhaltigkeitsbericht legt ausführlich dar, wie man die Frauenquote in Führungspositionen unter Beobachtung habe. (Kleiner Hinweis der Finanz-Szene.de-Redaktion zu den “regional bestehenden Möglichkeiten”: Mannheim ist eine Großstadt und liegt inmitten der Metropolregion Rhein-Neckar mit 2,5 Millionen Einwohnern, andere wirtschaftliche Kraftzentren wie Heidelberg, Stuttgart oder Frankfurt sind binnen maximal einer guten halben Stunde mit dem Zug zu erreichen).
Der Vorstand (siehe oben) war männlich, ist männlich und dürfte bis auf weiteres auch männlich bleiben. In der ersten Führungsebene darunter sieht es kaum besser aus. Dieser gehören laut Geschäftsbericht 7,1% (laut Nachhaltigkeitsbericht: 7,7%) Frauen an, was wir rechnerisch als Hinweis werten, dass es sich um eine Frau unter 14 Männern handelt. Für die zweite Führungsebene ließen sich absolute Zahlen zwar nicht recherchieren bzw. errechnen. Allerdings gibt der Geschäftsbericht auch hier eine relative Zahl preis: Der Frauenanteil liegt hier bei 6,9% (also noch niedriger als auf der ersten Führungsebene).
Das wird nicht ganz klar. Ein paar Erklärungsversuche:
Das würden wir nie behaupten, zumal “Lügen” so ein unschönes Wort ist. Vielmehr scheint es so zu sein:
Folge: Laut unseren Recherchen auf Basis von Handelsregister-Einträgen (die Bank dementiert das auf Nachfrage nicht), ist in den vergangenen 15 Jahren genau eine Frau neu in den Vorstand oder die erste Führungsebene unter dem Vorstand eingezogen.
Nochwas? Ja, nochwas: Die obigen Zahlen lassen sich lediglich aus dem Jahresabschluss aus dem Bundesanzeiger ablesen. In dem verkürzten, bunten Geschäftsbericht auf der Homepage der Bank tauchen die Angaben gar nicht auf (müssen sie natürlich auch nicht). Er trägt die Überschrift “Die richtige Balance finden”, und ausführlich geht es um “Führen im Wandel” in der Bank.
Wir (zugegeben eine Zwei-Mann-Redaktion) waren mit dem Banksprecher (einem Mann) vergangene Woche in regem Austausch. Hier die wichtigsten Punkte:
Bei vielen nicht so viel besser, fürchten wir – wollen uns das die Tage aber noch einmal in Ruhe anschauen.