von Christian Kirchner, 22. Dezember 2023
Im fünften Teil unserer Ausblicks-Serie (alle bereits erschienen Serien-Teile finden Sie hier) gibt es heute die fünf Fragen, die Deutsche Bank und die Commerzbank in 2024 beschäftigen werden.
Bitte sehr:
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Zunächst das Positive: Sowohl die Commerzbank als auch die Deutsche Bank arbeiten aktuell mit Kapitalquoten und Eigenkapital-Renditen auf einem Zehnjahreshoch (DBK: 13,9% und – für 2023 erwartete – 6,8%, CBK: 13,8% und 7,3%). Dennoch stehen beide Institute vor einer großen Herausforderung: Der Kapitalmarkt misstraut den Prognosen, die den Strategien von Commerzbank-CEO Manfred Knof und Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing jeweils zugrunde liegen.
Beispiel Commerzbank: Dort sollen die Nettogewinne bis 2027, die aufgrund der starken Kapitalisierung quasi vollständig für Kapitalrückflüsse zur Verfügung stünden, insgesamt 3,4 Mrd. Euro pro Jahr erreichen. Bei der Deutschen Bank sind es bis 2027 sogar mehr als 6 Mrd. Euro, die pro Jahr an die Aktionäre zurückfließen könnten, denn die Gewinne müssen nicht länger zur Stärkung der Kapitalisierung thesauriert werden.
Sollte diese Rechnung aufgehen, würden für den, der heute eine Aktie kauft, bei der Deutschen Bank 26% des Geldes binnen eines Jahres über Dividenden und Rückkäufe zurückfließen, bei der Commerzbank wären es ebenfalls 26% – Werte, die vermutlich nicht ganz zufällig identisch sind. Was nur einen Schluss zulässt: Entweder ist der Kurs viel zu niedrig und muss steigen, um die hohen Kapitalrückflüsse zu reflektieren. Oder der Kurs „hat Recht“, und die Banken werden ihre eigenen Gewinn- und Rendite-Ziele verfehlen, so dass letztlich doch weniger Geld fließen wird.
Quelle: Unternehmen, eigene Berechnungen
Nun ließe sich sagen: Das ist eine akademische Übung, wenn’s am Ende je nur die Hälfte wird und der Kurs Recht hat – wen stört’s? Tatsächlich aber müssen sich beide Banken und ihre Führungen an den selbst ausgegebenen Zielen messen lassen, zumal letztere in Sphären liegen, in denen sich europäische Wettbewerber wie Unicredit, ING Groep und Co. längst bewegen.
Klafft dauerhaft eine Lücke zwischen Zielen und Realität, wie die Aktienkurse es nahelegen, sind die Häuser insbesondere im Krisenfall weniger resilient, denn dann schauen auch Sparer auf den Aktienkurs als Signal für Stabilität. Banken mit sehr starken Aktienkursen tun sich um einiges leichter, neues Eigenkapital zu erhalten und sich zu refinanzieren, gerade auch im Krisenfall. Umgekehrt machen massive Bewertungsabschläge auf das Eigenkapital – bei beiden Banken sind diese derzeit doppelt so groß wie im Schnitt der Euro-Zone, wo es 30% sind – beide Häuser anfälliger dafür, eines Tages Ziel einer Übernahme zu werden.
Sowohl Christian Sewing als auch Manfred Knof bekommen von den Investoren große Vertrauensvorschüsse. Beide haben ihre Ziele bislang erreicht – Sewing seine 8% Eigenkapital-Rendite bis 2022, Knof seine Ziele der Strategie bis 2024 (und die sogar vorzeitig). Sollte aber der Aktienkurs ihres Hauses 2024 weiter stagnieren, wird vor allem Sewing kaum damit davon kommen, dies auf die schwierigen Umstände und vielen Weltkrisen zu schieben (die es fraglos gibt). Denn an sich ist Deutschland das Land in der Euro-Zone, in dem Banken aufgrund der massenhaft vorhandenen Einlagen eigentlich sehr viel stärker von der Zinswende profitieren müssten als Konkurrenten in anderen Ländern. Bei der Commerzbank klappt das – bei der Deutschen Bank bislang hingegen nur begrenzt. Vielleicht muss die Deutsche Bank ihre ausgegebene Strategie bis 2025 sogar nochmal nachschärfen.
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Kaum war Claudio de Sanctis, der neue Privatkunden-Vorstand der Deutschen Bank, im Amt, da erklärte sein Haus seine Sparte zum Sanierungsfall. Erst warf die Deutsche Bank das Personaltableau und damit auch die Strategie der vergangenen drei Jahre über den Haufen (siehe hier). Dann eskalierten die Probleme bei der Postbank bis hin zur Bestellung eines Sonderbeauftragten durch die Bafin – und nun soll in eben jener Postbank auch noch fast die Hälfte der Filialen geschlossen werden. Die Sparte ist somit erst einmal mit sich selbst beschäftigt.
Eigentlich könnte, ja müsste die Privatkunden-Sparte der Deutschen Bank im kommenden Jahr aufgrund der weiter historisch niedrigen Risikovorsorge und vor allem aufgrund der Zinswende so richtig viel Geld verdienen. Es wäre auch, by the way, so langsam mal Zeit. Schon 2019 gab CEO Christian Sewing für die Sparte einen Gewinn von 2 Mrd. Euro vor Steuern als Ziel für 2022 aus – als von der Zinswende noch nichts zu sehen war, wohlgemerkt. Es wurden nur 1,7 Mrd. Euro. Nun ist die Zinswende da – doch selbst unter diesen günstigeren Umständen wird das Privatkunden-Geschäft wohl weder in diesem zu Ende gehenden noch im nächsten Jahr das einst ausgegebene Mittelfrist-Gewinnziel erreichen. Stattdessen erwarten Analysten lediglich 1,2 Mrd. Euro (2023) und 1,9 Mrd. Euro (2024).
Daneben gäbe es einige weitere Probleme, die anzupacken wären. So kommt die Sparte auf eine Aufwandsquote von zuletzt 78%. Ein indiskutabler Wert, zumal diverse Wettbewerber zeigen, dass sich das Geschäft mit Aufwandsquoten von unter 50% betreiben lässt, ob mit Filialen (siehe HVB und OLB) oder ohne (siehe ING Diba und DKB).
Kurz gesagt: Die Deutsche Bank droht bei Privatkunden operativ vollkommen den Anschluss zu verlieren. Zumindest unter Analysten gilt es inzwischen als ausgemacht, dass die Aufwandsquoten einer Bank schon alleine deshalb dauerhaft unter 50% liegen müssen, damit sie erstens für die unvermeidlichen Phasen massiver Rückschläge gewappnet ist (eine weiter schwache Konjunktur, eine höhere Risikovorsorge oder womöglich wieder sinkende Zinsen im Jahr 2024 sind bereits am Horizont zu erahnen). Und um sich zweitens die in Zeiten digitaler Umbrüche nötigen Investitionen in die IT und die Digitalisierung leisten zu können, ohne dabei in die roten Zahlen zu rutschen.
Inzwischen ist auch der neue Chef de Sanctis schon wieder ein halbes Jahr im Amt. Seine To-Do-Liste ist lang, sein Spielraum für Fehler gering.
Der Strategie der Commerzbank bis 2027 (um dann auf 11,5% Eigenkapital-Rendite und 55% Aufwandsquote zu kommen) liegen oberflächlich sehr simple Annahmen zugrunde: Die Kosten der Kernbank (ohne die polnische mBank) sollen bis 2027 unverändert bleiben und dann auf exakt dem gleichen Niveau wie im vergangenen Jahr liegen, bei 5,6 Mrd. Euro (was ja real, mit Blick auf die allgemeine Inflation, bereits ein Erfolg wäre). Die Erträge wiederum sollen um eine knappe Milliarde Euro steigen auf dann 12,5 Mrd. Euro. Dieser Zuwachs soll sich wie folgt zusammensetzen: zu 50% aus dem Provisions-Ergebnis, zu 30% aus dem Zinsüberschuss und zu 20% aus dem Bewertungs-Ergebnis.
Dass die Commerzbank kostenseitig keine Ziele ausruft, die noch weiter nach unten gehen, ist angesichts der durchwachsenen Stimmung in der Belegschaft verständlich (siehe unser Stück Die Entfremdung. Wie die Mitarbeiter der Commerzbank über die eigene Bank denken). Die Ertragspläne allerdings sind durchaus ambitioniert. Wie sich das Zinsergebnis entwickelt, dürfte kaum in der Hand der Commerzbank liegen. Beim Provisions-Ergebnis hingegen, das ja den Löwenanteil der Zuwächse liefern soll – da unterstellt das Institut in den vier Jahren bis 2027 einen Zuwachs von insgesamt 18%, von 3,4 Mrd. Euro auf 4,0 Mrd. Euro. Eine mutige Annahme: In den vergangenen drei Jahren stieg der Provisionsüberschuss nur um insgesamt 4%, über die vergangenen fünf Jahre um insgesamt 8% (wenn wir einmal die jeweiligen Neun-Monats-Zahlen heranziehen).
Wie genau die mutige Annahme Realität werden soll, dazu äußert sich die Commerzbank eher wolkig, redet viel von Digitalisierung und Initiativen im Asset Management. Ein Blick in die Präsentation der Strategie zeigt indes, dass sie (und diese Annahmen sind Stand September) generell von folgenden Basisannahmen ausgeht:
Würden sich diese Annahmen bewahrheiten, würde das Zinsergebnis gestützt, bliebe die Risikovorsorge vermutlich sehr überschaubar und stiege der Provisionsüberschuss alleine schon basisbedingt, sollten die Aktienmärkte derart kräftig zulegen. Nur ist dies (Stand heute) ein sehr, sehr optimistisches Szenario.
Klar: Niemand kann von der Commerzbank erwarten, dass sie eine Rezession in die Prognosen "einbackt". Dennoch: Auch wenn die Ausgangsbasis beim Gewinn fraglos höher ist als früher, fühlt man sich doch zum ersten Mal in der Ära Knof an alte Commerzbank-Strategien erinnert, die allzu optimistische Grundannahmen trafen, wie sich Zinslage und Wirtschaft entwickeln – und dann an der Realität scheiterten. Da scheint es dann auf einmal nachvollziehbar, dass die Investoren sich eher zurückhalten und die Aktienkurse stagnieren (womit wir wieder bei Punkt 1 wären).
Zu einem ersten Test wird es schon 2024 kommen, wenn die Zinsen – wie der Konsens aktuell unterstellt – sich anders als von der Commerzbank prognostiziert entwickeln und sinken sollten. Hat die Spitze dann genug Reserven und alternative Ideen, um trotzdem zu liefern?
Es ist eher ein Luxusproblem, nachdem sich die Deutsche Bank gezwungenermaßen jahrelang mit der prominenten Rolle des Investmentbankings auseinandergesetzt hat, dennoch: Das Firmenkunden-Geschäft ist bei beiden Großbanken inzwischen das operative Kraftzentrum. In diesem Jahr wird bei der Deutschen Bank voraussichtlich die Hälfte (!) des gesamten Vorsteuer-Gewinns aus der Sparte kommen, die sie "Corporate Bank" nennt – das wäre somit so viel wie in den restlichen Sparten Privatkunden, Asset Management, Investmentbanking und Corporate & Other zusammen. Bei der Commerzbank reden wir sogar über 64%. Da stellt sich die Frage: Bleibt das so? Kann das überhaupt so bleiben?
Ein Grund für die Dominanz ist, dass die Firmenkunden-Sparte noch erheblich stärker von der Zinswende profitiert als die übrigen Einheiten. Beiden Banken gelingt es hier besser, die höheren Zinsen bei der Kreditvergabe durchzusetzen. Bei der Deutschen Bank läuft zudem das Transaction Banking sehr erfreulich. Doch Zweifel, dass sich all das 2024 verstetigen lässt, sind erlaubt, zumindest wenn der Rückenwind der Zinswende nachlassen sollte – oder die EZB gar mit Zinssenkungen beginnt. Die Erwartungen der Analysten sind dennoch, dass die Sparten auch 2024 jeweils der wichtigste interne Gewinn-Lieferant bleiben und den operativen Gewinn verteidigen (Deutsche Bank) respektive um 13% steigern (Commerzbank).
Die Aufsichtsratschefs von Deutsche Bank und Commerzbank weisen (auch jenseits der klanglichen Ähnlichkeit ihrer Nachnamen) ein paar Gemeinsamkeiten auf: Beide sind noch nicht allzu lange im Amt. Beide haben ein einigermaßen bestelltes Haus übernommen. Und beide führen ihre Geschäfte, im Gegensatz zu manchen ihrer Vorgänger, eher im Stillen. Bezüglich der Frage allerdings, was Alexander Wynaendts und Jens Weidmann nächstes Jahr erwartet oder wenigstens erwarten könnte – da schälen sich stark abweichende Szenarien heraus.
Dabei ist es vermeintlich der Coba-AR-Chef Weidmann, dem eine knifflige Personalentscheidung bevorstehen könnte. Nämlich für den Fall, dass Vorstandschef Manfred Knof tatsächlich auf eine zweite Amtszeit verzichten sollte. Doch selbst wenn??? Würde sich die Nachfolge nicht von selber klären (Bettina Orlopp)? Und ist der Commerzbank-Vorstand nicht auch sonst vernünftig aufgestellt (mit dem Firmenkundenchef Kotzbauer, der liefert ohne Ende, und dem Retailchef Schaufler, dem intern viel Gutes nachgesagt wird)? Kurzum: Nach heutigem Stand braucht Weidmann eigentlich nur abzuwarten, wie Knof sich entscheidet; der Rest könnte fast zur Formsache werden.
Merklich anders liegen die Dinge hingegen bei Wynaendts und der Deutschen Bank. Da nämlich wird sich der (vor 18 Monaten fachfremd ins Amt gekommene) DWS-Chef Hoops nach dem Übergangsjahr 2023 endgültig beweisen müssen – während man dem (vor 5 Monaten fachfremd ins Amt gekommenen) Privatkundenchef de Sanctis angesichts der misslichen Lage seiner Sparte ein Übergangsjahr gar nicht erst zugestehen dürfte. Und dann ist da ja auch noch der Vorstandschef, bei dem man, wäre er ein Fußballtrainer, immer noch die Formulierung sitzt fest im Sattel wählen würde – von dem manche seiner Spieler allerdings sagen, er hätte zuletzt einen bisweilen ermatteten Eindruck gemacht.
Um es kurz zu machen: Würde man mittags die Anzugträger auf der Fressgass fragen, wie denn der AR-Vorsitzende der Deutschen Bank heißt, dann wäre die mutmaßlich häufigste Antwort: "Na, der Niederländer, wie heißt er noch gleich?" – Gut möglich, dass sich die Frankfurter Community bis Weihnachten 2024 endgültig an den Namen Alexander Wynaendts gewöhnt haben wird.
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