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Gelber Coup: Jens Weidmann wird Aufsichtsratschef der Commerzbank

Die Commerzbank bekommt einen neuen Aufsichtsratschef: Wie die zweitgrößte deutsche Privatbank am Samstag in einer Pflichtmitteilung mitteilte, will der seit Mai 2021 amtierende Helmut Gottschalk (71) den Posten „altersbedingt“ nach nur einer Amtszeit abgeben. Als Nachfolger stehe der frühere Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bereit. Dessen Wahl zur Hauptversammlung im Mai 2023 gilt als Formsache, da der Bund als 16%-iger Aktionär sowie auch weitere Anteilseigner die Personalie unterstützen. Die Commerzbank erhofft sich von der Bestellung des 54-Jährigen einen deutlichen Reputationsgewinn bei Investoren und anderen Stakeholdern.

Als Gottschalk den AR-Vorsitz vor zweieinhalb Jahren übernahm, herrschte bei der Commerzbank personelles Chaos. 2020 hatten Vorstandschef Martin Zielke und AR-Chef Stefan Schmittmann zeitgleich ihren Abgang verkündet. Kurz darauf musste Privatkundenchef Michael Mandel gehen, dann auch noch Firmenkundenchef Roland Boekhout – und im März 2021 legte schließlich der frühere LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter seinen kurz zuvor angetretenen AR-Chef-Posten krankheitsbedingt nieder. Nach einer Interimslösung übernahm dann Gottschalk.

Dessen Berufung galt intern allenfalls als B-Lösung. Eigentlich war Ex-HSBC-Trinkaus-Chef Andreas Schmitz für den Posten vorgesehen gewesen; weil sich allerdings einzelne Coba-Aufsichtsräte an den Cum-Ex-Verwicklungen des Düsseldorfer Geldinstituts störten, zerschlug sich der Plan und die Wahl fiel auf Gottschalk. Der hatte zwar zwischen 2010 und 2018 den Aufsichtsratsvorsitz über die DZ Bank inne, die in dieser Zeit eine solide operative Entwicklung nahm. Allerdings beschränkten sich Gottschalks Erfahrungen in der operativen Führung einer Bank auf 35 Jahre als Vorstand bzw. Vorstandschef der dann doch eher kleinen Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg.

Nachdem der AR-Vorsitz jahrzehntelang früheren Vorständen vorbehalten war (Martin Kohlhaussen, Klaus-Peter Müller, Stefan Schmittmann …), war Gottschalk ein explizit externer Kandidat. Und auch die von ihm mit ausgewählten Vorstände kamen allesamt von außen: Den IT-Vorstand Jörg Hessenmüller ersetzte bereits vier Monate nach Gottschalks Antritt der zuvor bei sieben verschiedenen Häusern tätige Jörg Oliveri del Castillo-Schulz. Für die Nachfolge von Privatkundenchefin Sabine Schmittroth (die zunächst Personalvorständin blieb) wurde Thomas Schaufler von der österreichischen Erste Bank geholt. Und Schmittroths andere Position übernimmt in Kürze Sabine Mlnarsky, die ebenfalls von der Ersten Bank kommt.

Die Personalie Weidmann setzt dieses Vorgehen fort und stellt rein vom Namen her ein massives Upgrade dar. Weidmann bringt aus seiner zehnjährigen Amtszeit exzellente Kontakte zu Aufsichtsbehörden mit und ist als früherer Merkel-Berater auch in Berlin sehr gut verdrahtet. Sein Ruf unter Ökonomen wie Investoren gilt als tadellos, zeitweise galt Weidmann sogar als Top-Kandidat für den EZB-Chefposten – der dann an Christine Lagarde fiel. Womöglich war es Weidmanns Ruf als geldpolitischer „Falke“, der ihn den Sprung an die EZB-Spitze kostete. Indes: Angesichts der jüngsten Inflationsraten von 10% und mehr dürfte diese Positionierung keinen Malus mehr darstellen.

Einen Reputationsschub gerade unter Investoren kann die Commerzbank allerdings auch brauchen. Denn obwohl das Institut operativ auf gutem Kurs ist, kommt der Aktienkurs nicht so richtig in Gang. Bei Gottschalks Amtsantritt stand der Aktienkurs bei 6,20 Euro, per letzten Freitag waren es 8,07 Euro. Sollte die Weidmann-Berufung darauf hindeuten, dass die Coba möglicherweise doch eine Zukunft als eigenständige Bank hat – dann sollte der Börsenwert über die heutigen 10 Mrd. Euro irgendwann mal wieder deutlich hinausgehen.

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