von Christian Kirchner, 10. November 2020
Es klang wie eine dieser üblichen Übertreibungen auf Social Media. “Mit dem #klimaVest haben wir das Potential Geschichte für die Commerz Real AG zu schreiben”, postete Johannes Anschott, Interim-CEO besagter Commerzbank-Tochter, vergangene Woche unter geringfügiger Missachtung geltender Kommaregeln bei Linkedin. Natürlich setzte sogleich der übliche Beifall ein. “Well done”, kommentierte ein Follower. “Thanks for the opportunity to support”, meinte ein anderer. Ein dritter zeigte den hochgereckten Daumen. Und ein vierter schrieb: “Dies ist der richtige Fonds zur richtigen Zeit.”
Das mit dem “richtigen Fonds zur richtigen Zeit”, stimmte in gewisser Weise tatsächlich. Schließlich schlagen die Coba und ihre Tochter Commerz Real mit dem “Klimavest”-Fonds in die gleiche Kerbe, in die auch etliche andere Banken, Asset Manager und selbstverständlich Fintechs dieser Tage schlagen. Motto: Geld ist das neue Grün. Was allerdings nicht ganz stimmte, das war die Feststellung, der “Klimavest” habe das Potenzial, “Geschichte für die Commerz Real” zu schreiben.
Denn: Bei der vermeintlichen Übertreibung handelte es in Wirklichkeit um eine Untertreibung. Der “Klimavest” dürfte nämlich nicht nur für die Commerz Real der mit Abstand ambitionierteste Produkt-Launch aller Zeiten sein. Sondern für die Commerzbank als Ganzes!
In Zahlen: Der “Klimavest” soll laut offizieller Mitteilung zehn Milliarden Euro Eigenkapital einsammeln. Inklusive Fremdkapital kann er bis zu 25 Mrd. Euro bewegen. Das ist das 2,4-fache Volumen des ersten großen Telekom-Börsengangs 1996. Und das 2,6-fache Volumen des „Uniglobal Vorsorge“, also des Riester-Aktien-Fonds der Union Investment mit seinen zwei Millionen genossenschaftlichen Kunden.
Seit dem 28. Oktober ist der „Klimavest“ zum Vertrieb zugelassen – und zwar unter der hierzulande wenig bekannten Struktur eines sogenannten ELTIF (European Long Term Investment Fund). Dabei darf man das „Long Term“ durchaus wörtlich verstehen: Die Laufzeit ist bis 2070 geplant. Das eingesammelte Geld soll in Windparks, nachhaltige Infrastruktur, grüne Mobilität oder auch Aufforstungs-Plantagen fließen. „Impact Fonds“, lautet das Schlagwort, Rendite nach Kosten für Anleger: Drei bis vier Prozent pro Jahr, stellt die Commerz Real in Aussicht, ab 10.000 Euro sind (vorerst nur vermögendere Anleger) dabei.
Im Filialvertrieb der Commerzbank werde schon seit Wochen ordentlich gerödelt, ist zu hören. Mindestens bis Ende Februar hat sich die Coba das Vertriebsmonopol gesichert. Frühestens dann dürfen auch Drittvertriebe einsteigen. Dabei steht schon jetzt fest: Was die Provisionen angeht, ist der „Klimavest“ der Traum eines Bankenchefs, denn Vertrieb wie Verwaltung liegen unter einem Dach – dem der Commerzbank. Ein paar Einordnungen:
Klar – aus Anlegersicht liest sich das Ganze nicht ganz so lukrativ:
Nun gilt der Fokus von Finanz-Szene.de allerdings traditionell nicht den Verbraucherschützern, sondern den Banken. Doch auch aus dieser Perspektive wirft die Öko-Bazooka einige Fragen auf:
Die Commerzbank dementiert das auf Anfrage entschieden: “Nein, Klimavest stellt keine Abkehr von der offenen Fondsarchitektur der Commerzbank dar. Die Commerzbank bietet auch weiterhin Produkte anderer Häuser an, wie Fidelity, AGI, Blackrock oder anderen. Es handel sich um ein Produkt, das es so am Markt noch nicht gibt. Und das eine, also die Unabhängigkeit in der Beratung, schließt das andere nicht aus, also das Angebot eines hauseigenen Impact-Fonds, auf den wir seitens unseres Vertriebs sehr positives Feedback erhalten.”
Jedenfalls wird im „Klimavest“-Kontext deutlich, warum sich die Commerzbank zumindest von einer Produkttochter bislang nicht getrennt hat – nämlich von der Commerz Real. Denn auch wenn da draußen (und auch bei uns hier von Finanz-Szene.de) immer viel über die Comdirect und über die polnische mBank schwadroniert wird … eine verlässliche Cashcow unter den Coba-Töchtern ist: die Commerz Real:
Diese Gewinne sind umso erstaunlicher, als die Commerz Real zuletzt gerade mal auf Assets under Management im Wert von 34 Mrd. Euro kam. Mit den bis zu 10 Mrd. Euro des „Klimavest“ (bezogen rein aufs Eigenkapital) ließe sich das verwaltete Vermögen also rein rechnerisch um bis zu 30% anheben. Oder anders gerechnet: Der Klimavest hat als erster Impact-Fonds für Privatkunden in Deutschland das Zeugs, den Gewinnen und dem Provisionsgeschäft mal den dringend benötigten Schub zu verleihen.
Weil: Das letzte Mal, dass die Coba ihr Provisionsergebnis konzernweit gesteigert hat, war 2015. Seitdem geht es Jahr für Jahr runter, und zwar nicht nur prozentual …
… sondern natürlich auch in absoluten Zahlen: 2019 lag das Provisionsergebnis um fast 400 Mio. Euro unter dem von 2015. Selbst rein aufs Privatkundengeschäft bezogen liegt der Provisionsüberschuss 2019 unter dem Niveau von 2016, trotz steigender Börsen, netto 2 Mio. Neukunden, und obwohl die Comdirect eingerechnet wird. Einzig 2020 sieht es mit +9% auf Neunmonatssicht konzernweit besser aus, wobei hier die Comdirect die größten Beiträge liefert.
Und einen Hebel hat die Platzierung des “Klimavest” mit Sicherheit: Auf 1.914 Mio. Euro Provisionsüberschuss kam das Privatkundengeschäft zuletzt noch. Nimmt man Ausgabeaufschläge und anfängliche Bestandsprovisionen zusammen, locken selbst bei konservativer Rechnung angesichts der Milliarden-Pläne in den kommenden Jahren dreistellige Millionen-Erträge “on top” oder neue Anreize für “Flatrate”-Depotmodelle.
Und wenn das alles nicht klappt? Dann incentiviert man eben Drittvertriebe. Bei bis zu 5% Ausgabeaufschlag und bis zu 2,85% möglichen Gesamtgebühren inklusive Vertriebsvergütung werden auch die gewiss bald hellhörig, der Commerzbank-Tochter die dringend gesuchten Assets beizubringen.