von Christian Kirchner, 13. Juni 2023
Die drei deutschen Großbanken sowie die Sparkassen haben im Zuge der Zinswende erheblich stärker mit Einlagen-Abflüssen zu kämpfen als die übrige Kreditwirtschaft. Wie aus Daten der Bundesbank hervorgeht, schmolz die Depositen-Basis von Deutsche Bank, Commerzbank und Hypo-Vereinsbank zwischen November 2022 (da erreichte der Einlagenbestand seinen Höhepunkt) und April 2023 (das sind die aktuellsten Daten) um rund 19 Mrd. Euro – prozentual entsprach dies einem Rückgang von 2%. Die Sparkassen wiederum verloren saldiert sogar gut 20 Mrd. Euro. Prozentual war dies ein Minus von ebenfalls 2%.
Etwas geringer fallen bislang noch die Abflüsse bei den Genobanken aus. Diese verzeichneten im gleichen Zeitraum einen Rückgang um 11 Mrd. Euro (minus 1%). Klar profitiert von der Entwicklung haben dagegen die Auslandsbanken, denen es in den letzten Monaten sogar gelungen ist, ihre Einlagenbasis um gut 14 Mrd. Euro auszuweiten; prozentual betrachtet ein Plus von 2%. Hierin könnte sich die aggressive Zinspolitik von Anbietern wie der ING Diba oder der Santander, aber auch die Bilanzausweitung vieler Auslandsinstitute im Zuge ihrer Brexit-Verlagerung nach Frankfurt spiegeln – wobei in die Bundesbank-Daten nicht nur das Retailgeschäft, sondern auch das Firmenkundengeschäft einfließt, in dem die Zinskonditionen weit weniger transparent sind. (Eine wichtige methodische Anmerkung lesen Sie in der Fußnote *)
Besonders deutlich fällt bei den drei Großbanken der Rückgang der Sichteinlagen aus (sprich der Guthaben auf Giro-, Kontokorrent- und Tagesgeldkonten). Interessanterweise zeigte sich der Peak hier nicht erst im Herbst, sondern bereits im August – also unmittelbar, nachdem die EZB die Zinswende eingeleitet hatte. In den acht Monaten bis April sanken die Sichteinlagen von Deutsche Bank, Commerzbank und Hypo-Vereinsbank um 71 Mrd. Euro auf nur noch 540 Mrd. Euro, ein Minus von 12%. Damit standen die drei Institute bei den Sichteinlagen für mehr als die Hälfte des gesamten Rückgangs aller Banken. Die Sparkassen verzeichneten im selben Zeitraum ein Minus von 41 Mrd. Euro, bei den Genobanken waren es 28 Mrd. Euro, bei den Auslandsbanken 28 Mrd. Euro.
Besonders misslich aus Sicht der drei Großbanken: Sichteinlagen werden üblicherweise kaum oder gar nicht verzinst – sind also aus Sicht der Banken besonders lukrativ, weil sich mit ihnen eine entsprechend hohe Passivmarge verdienen lässt, etwa, wenn das Geld einfach nur bei der EZB geparkt wird. Erste Indizien, dass die Großbanken besonders stark vom Einlagen-Abfluss betroffen sein könnten, hatten sich zuletzt auch schon in den Q1-Zahlen der Hypo-Vereinsbank gezeigt, siehe unser Stück –> HVB zahlt signifikant höhere Zinsen – und trotzdem fließt Geld ab.
Dass die Sichteinlagen weit stärker fallen als die Einlagen insgesamt, darauf hin, dass Ersparnisse trotz Inflation und schwacher Konjunktur nicht einfach verkonsumiert werden – sondern in erster Linie in höher verzinste Termineinlagen (also v.a. Festgeld) fließen. Denn während die Sichteinlagen schwinden, ist der Umfang der Termingelder seit Juli branchenweit um kumuliert 198 Mrd. Euro gestiegen – ein Plus von 25%. Bei den Großbanken stiegen die Termineinlagen dabei um 78 Mrd. Euro bzw. 48%, bei den Sparkassen um 34 Mrd. bzw. 120%, bei den Genobanken um 37 Mrd. bzw. 78% und bei den Auslandsbanken um 55 Mrd. bzw. 33%.
Gegenwärtig (oder genauer: per Ende April) sieht der Einlagen-Mix bei den deutschen Banken wie folgt aus:
Der durchschnittliche Zins auf Sichteinlagen von Privat- und Geschäftskunden dürfte sich laut jüngsten Bundesbank-Daten per Ende April rechnerisch im Bereich von rund 0,35% bewegen – für die Banken weiterhin ein extrem lohnendes Geschäft. Selbst wenn man unterstellen würde, dass jeder netto aus den Sichteinlagen abgeflossene Euro seit den Höchstwerten im Herbst 2022 in höher verzinste Einlagen (welcher Art auch immer) geflossen ist, wären lediglich 3% aller Gelder überhaupt in Bewegung gewesen.
* In der Systematik der Bundesbank sind viele Institute in mehreren Bankengruppen vertreten, sodass die Summe der Bankengruppen immer weit größer ist als die größte Einheit "Alle Banken". In dieser Analyse haben wir daher nur die vier Bankengruppen mit klarem Zuschnitt individuell verglichen, ihre Summe ergibt nicht die "Alle Banken", da es einerseits noch zahlreiche weitere Gruppen gibt wie Regional- und Landesbanken und Bausparkassen, andererseits aber auch die in mehreren Gruppen vertretenen Banken die Daten verzerren.
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