Deep Dive

Hat die Commerzbank an der mBank überhaupt noch was verdient???

Zwischen den Anfängen der „Ära Kohlhaussen“ und den Anfängen der „Ära Knof“ liegen satte drei Dekaden (wobei sich natürlich erst noch erweisen muss, ob Manfred Knof bei der Commerzbank wirklich eine Ära prägen wird). Trotzdem hat Martin Kohlhaussen, Coba-Chef von 1991 bis 2001, seinem Nach-Nach-Nach-Nachfolger eine Baustelle hinterlassen, die dieser (seit er 2021 sein Amt antrat) nun schon seit zweieinhalb Jahren vergeblich zu schließen versucht.

In a nutshell: Man schrieb das Jahr 1994, als sich die Commerzbank mit zunächst 21% an der Warschauer BRE Bank beteiligte, die sich später in mBank umbenannte. Und man schrieb den Januar 2022, als die Commerzbank noch schnell 436 Mio. Euro Risikovorsorge ins abgelaufene Geschäftsjahr packte – und glaubte, das sogenannte „Franken-Kredit-Problem“ der polnischen Tochter damit ein für allemal verdaut zu haben.

Wie man weiß, haben sich die Dinge danach ein bisschen anders entwickelt. 2022 musste die Commerzbank weitere 650 Mio. Euro Risikovorsorge bilden (zuzüglich sogenannter „Credit Holidays“ im Umfang von 279 Mio. Euro); im ersten Quartal dieses Jahres kamen 173 Mio. Euro hinzu; und von April bis Juni (wie bereits verkündet) dann sogar nochmals 342 Mio. Euro. Wenn die Commerzbank mithin an diesem Freitag ihre Q2-Zahlen präsentiert, stellt sich eine inzwischen fast notorische Frage: Naaaaa, in welchem Umfang hat das „Franken-Kredit-Problem“ das Coba-Ergebnis diesmal versaut?

Darüber hinaus drängen sich allerdings noch zwei weitere Fragen auf: 1.) Was wird da noch alles kommen?; und 2.) Wenn man mal die ganz, ganz große Rechnung aufmacht – hat die Commerzbank über die letzten drei Jahrzehnte an der mBank überhaupt noch was verdient??

Kurz gesagt: Wir haben einfach mal versucht, die ganz, ganz große Rechnungen tatsächlich aufzumachen. Unser Deep Dive:

1.) Welche Belastungen hat die mBank (zuletzt) verursacht?

Alles in allem summieren sich die Belastungen allein seit Anfang 2020 auf annähernd 2,3 Mrd. Euro. Dabei unterscheidet die Commerzbank in ihrer Bilanzierung zwischen …

  • „Vorsorge für Schweizer Franken-Kredite der mBank“ einerseits
  • und sogenannten „Credit Holidays“ andererseits. Damit ist ein im Sommer 2022 vom polnischen Parlament verabschiedetes Gesetz gemeint, das Kreditnehmern erlaubte, in den Jahren 2022 und 2023 für jeweils vier Monate die Rückzahlung ihrer Kredite straffrei aussetzen zu dürfen
in Mio. Euro Vorsorge für Schweizer-Franken-Kredite der mBank Credit Holidays Summe
Q1/20 -3
Q2/20 -42
Q3/20 -71
Q4/20 -113
Q1/21 -14
Q2/21 -55
Q3/21 -95
Q4/21 -436
Q1/22 -41
Q2/22 -40
Q3/22 -477 -270
Q4/22 -92 -9
Q1/23 -173
Q2/23 -342
Summe -1994 -279 -2273

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2.) Wie wirkten sich diese Belastungen aufs Ergebnis aus?

Weniger stark, als man das auf den ersten Blick vermuten würde. Das liegt daran, dass die mBank in operativer Hinsicht ungemein effizient unterwegs und überdies massiv von der Zinswende profitiert. Die begann in Polen deutlich früher als im Euro-Raum (konkret: am Anleihenmarkt schon Anfang 2021 und seitens der Notenbanken im Oktober 2021) und fiel auch ein gutes Stück kräftiger aus (in nur zehn Monaten stieg der Leitzins von 1,25% auf 6,75%).

Folge: Die mBank …

  • … hat ihre jährlichen Erträge in den letzten fünf Jahren um gut ein Drittel auf 1,675 Mrd. Euro hochgefahren
  • … weist seit nunmehr fünf Jahren eine Cost-Income-Ratio von weniger als 43% aus – zumindest, wenn man die polnische Bankenabgabe außen vor lässt
  • … weist für das erste Quartal dieses Jahres sogar nur eine CIR von 33% aus (wiederum ohne Bankenabgabe)

Tatsächlich drückten die Altlasten das Ergebnis der mBank lediglich 2021 (minus 256 Mio. Euro) und 2022 (minus 150 Mio. Euro) in die Verlustzone. Im Corona-Jahr 2020 reichte es dagegen trotz aller Probleme zu einem kleinen Nettogewinn von 23 Mio. Euro. Und betrachtet man die komplette Fünf-Jahres-Periode 2018-2022, übertreffen die Gewinne die Verluste um sogar um 159 Mio. Euro …

Aktionären zurechenbarer Nettogewinn der mBank:

in Mio. Euro
2018 305
2019 237
2020 23
2021 -256
2022 -150
Summe 159

… In der Bilanzierung der Commerzbank schlägt sich das Ganze dann wie folgt nieder …

Operatives Ergebnis der mBank gemäß Commerzbank-Abschluss:

in Mio. Euro
2018 346
2019 289
2020 77
2021 -186
2022 -90
Summe 436

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3.) Wie viel Geld hat die Commerzbank in die mBank investiert?

Nach dem Erwerb einer Beteiligung von 21% im Jahr 1994 (samt Kooperationsvertrag, der laut Geschäftsbericht „die Delegierung von Commerzbank-Mitarbeitern in die Arbeitsebene, den Vorstand und den Aufsichtsrat der BRE“ vorsah) baute die Coba ihren Anteil an dem Warschauer Institut in mehreren Schritten aus:

  • 1997 erhöhten die Frankfurter ihren Anteil zunächst auf 32,9% und noch im selben Jahr auf 48,7%
  • 2000 stockte die Commerzbank auf gut 50% auf und konsolidierte per Ende Oktober die BRE Bank erstmals. Im damaligen Geschäftsbericht ist zu lesen: „Insgesamt betrug der Anschaffungspreis für 50% der Anteile 225 Mio. Euro.“
  • 2003 wurde der Anteil auf 72,16% ausgebaut. Zum Kaufpreis äußerte sich die Commerzbank seinerzeit nicht. Legt man allerdings den damaligen Börsenkurs der mBank zugrunde, hätten die Anteile lediglich rund 125 Mio. Euro gekostet – denn im September 2003 betrug der gesamte Börsenwert der mBank gerade einmal knapp 0,6 Mrd. Euro
  • Bis 2010 reduzierte sich der Anteil auf 69,9%
  • 2010 zog die Commerzbank gemäß dieses 69,9%-igen Anteils bei einer Kapitalerhöhung über umgerechnet 480 Mio. Euro mit – sie investierte also weitere 336 Mio. Euro
  • Bis heute ist der Anteil der Commerzbank im Zuge aktienbasierter Vergütungsprogramme leicht auf aktuell 69,2% abgebröckelt

Aus den Preisen …

  • für die ersten gut 50% (225 Mio. Euro)
  • die Aufstockung auf zwischenzeitlich gut 72% (125 Mio. Euro)
  • sowie die Kapitalerhöhung 2010 (336 Mio. Euro)

… ergibt sich somit eine Gesamtinvestition (ohne Transaktions- und sonstige Kosten) von 686 Mio. Euro.

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4.) Wie viel Gewinn die Coba aus ihrer Beteiligung gezogen?

Gerechnet ab dem Jahr 2001 (also jenem Jahr, als die Commerzbank erstmals mehr als 50% der Anteile hielt) hat die mBank einen den eigenen Nettogewinn von aggregiert 2,845 Mio. Euro erwirtschaftet …

Aktionären zurechenbarer Nettogewinn der mBank:

in Mio. Euro
2001 61
2002 -98
2003 2
2004 -72
2005 62
2006 108
2007 188
2008 243
2009 30
2010 160
2011 274
2012 287
2013 286
2014 307
2015 311
2016 276
2017 261
2018 305
2019 237
2020 23
2021 -256
2022 -150
Summe 2845

… Auf die Commerzbank entfielen hiervon (wenn man den Gewinn auf ihren jeweiligen Anteil runterrechnet) aggregiert ziemlich exakt 2 Mrd. Euro.

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5.) Wo ist dieser Gewinn gelandet?

Die mBank hat in den vergangenen 22 Jahren (also in der weiter oben betrachteten Periode) nur viermal eine Dividende gezahlt, nämlich für die Jahre 2007, 2012, 2013 und 2017. Die Commerzbank als Mehrheitseigner profitierte hierbei im Umfang von aggregiert 254 Mio. Euro.

Der weit überwiegende Teil der Gewinne wurde derweil thesauriert – mit der Folge, dass das Eigenkapital der mBank von 625 Mio. Euro per Ende 2001 auf 2,72 Mrd. Euro per Ende 2022 angeschwollen ist. Bezogen auf den 69,2%-Anteil der Commerzbank ergibt sich somit ein Betrag von 1,879 Mrd. Euro.

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6.) Wie viel Geld hat die Coba mit der mBank verdient?

Auf der Habenseite stehen Stand heute:

  • Der den Frankfurter zurechenbare Anteil am Eigenkapital  (per Ende 2022): 1.879 Mio. Euro
  • An die Commerzbank ausgezahlte Dividenden der mBank (aggregiert): 254 Mio. Euro
  • Auf die Commerzbank gemäß ihres Anteils entfallender Nettogewinn der mBank im Q1/23: 21 Mio. Euro

Davon abzuziehen sind:

  • Von der Commerzbank für die mBank gebildete Vorsorge im Q2/23: 342 Mio. Euro
  • Von der Commerzbank gezahlter Preis für die mBank-Anteile (aggregiert): grob 686 Mio. Euro 

Macht:

  • Einen „Gewinn“ in Höhe von grob 1,126 Mrd. Euro (wobei der auf die Commerzbank entfallende operativer Gewinn der mBank im Q2/23 noch nicht enthalten ist)
  • Beziehungsweise: Wenn man statt mit an Anteil am Eigenkapital (also mit den den 1,879 Mrd. Euro) mit dem Wert der mBank-Aktien der Commerzbank rechnen würde (gemessen an der aktuellen Marktkapitalisierung von 4,56 Mrd. Euro ergibt sich bei 69,2% ein Wert von 3,16 Mrd. Eur0), läge der „Gewinn“ aktuell sogar bei 2,41 Mrd. Euro

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7.) Fazit – und wie es weitergeht

Anders als es angesichts der aktuellen Belastungen bisweilen den Anschein haben mag, ist die mBank eines sicherlich nicht – ein Fehleinkauf. Stattdessen haben wir es …

  • mit einem operativ seit vielen Jahren hochprofitablen Institut zu tun,
  • dem allerdings Jahr für Jahr ein beträchtlicher Teil seiner Gewinne durch die stark politisch motivierte polnische Bankenabgabe entzogen wird (anschaulich: während die mBank selber fürs erste Quartal vor Bankenabgabe eine CIR von 33% ausweist, weist die Commerzbank für die mBank nach Bankenabgabe eine Q1-CIR von 61,6% aus)
  • und das darüber hinaus massiv mit dem Franken-Kredit-Problem (und den entsprechenden Gerichtsurteilen) zu kämpfen hat

Wie es nun weitergehen wird? In der Commerzbank werden momentan ein Worst-Case- und ein Best-Case-Szenario gewälzt:

Das Best-Case-Szenario:

  • Die polnische Regierung konvertiert nach der Parlamentswahl im Herbst alle Franken-Kredite in Zloty-Darlehen und richtet sie am polnischen Referenz-Zinssatz Wibor aus
  • Vordergründig bildet sich dadurch die nächste Belastung, weil der Zloty in den vergangenen Jahren gegenüber dem Franken deutlich an Wert verloren hat
  • Da die Commerzbank ja aber schon reichlich Rückstellungen für die entsprechenden Engagements gebildet hat, rechnet man in Frankfurt in diesem Szenario saldiert mit einer Entlastung
  • Grob geht die interne Rechnung wie folgt: Belastungen von 4,8 Mrd. Zloty stünden bereits gebildete Rückstellungen von umgerechnet 7,5 Mrd. Zloty (diese Summe entspricht den eingangs erwähnen 1,7 Mrd. Euro). Es winkt eine Auflösung im Umfang von 2,7 Mrd. Zloty (rund 600 Mio. Euro)

Das Worst-Case-Szenario:

  • Eine Mitte letzten Jahres geäußerte Warnung der polnischen Nationalbank materialisiert sich – demnach drohten zum damaligen Zeitpunkt aus den Franken-Krediten branchenweit nochmalige Belastungen im Umfang von 27 Mrd. bis 50 Mrd. Zloty (was im Maximalfall dem rund 2,7-fache der bis dahin gebildeten Risikovorsorge entspricht)
  • Hieraus ergibt sich folgende Rechnung: Die mBank kam per Juni 2022 auf eine Risikovorsorge von 4,4 Mrd. Zloty. Den Faktor 2,7 zu Grunde gelegt, würde ihr demzufolge ein Aufwand von bis zu 11,9 Mrd. Zloty drohen. Das wären insgesamt rund 2,7 Mrd. Euro – bei einem Risikovorsorgebestand von umgerechnet gerade einmal knapp 1 Mrd. Euro per Juni vergangenen Jahres. Ein enormes Delta von 1,7 Mrd. Euro.
  • Allerdings: Berechnungen zeigen, dass die bereits verdaute Ergebnisbelastung heute ungleich höher ist als vor einem Jahr – sie dürfte alles in allem bei etwa 9,5 Mrd. Zloty liegen. Von dort ist das Delta zu den 11,9 Mrd. Zloty (also zum „Worst Case“) nicht mehr ganz so groß, nämlich umgerechnet irgendwas zwischen 500 Mio. und 600 Mio. Euro.

Auch im „Worst Case“ dürfte die Gesamtrechnung also immer noch positiv sein.

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