Exklusiv

Inside BdB: Wie der private Bankenverband zur Großbaustelle wurde

Letzte Woche wurde Christian Ossig eigentlich zurückerwartet. Doch es kam anders. Eine Debatte in Brüssel (Thema: Finanzierung der grünen Transformation), an welcher der BdB-Chef nach monatelanger Absenz teilnehmen sollte, wurde kurzfristig abgesagt. So bleibt fürs Erste offen, wann Ossig zurückkehrt. Der Bankenverband will sich auf Anfrage auch weiterhin auf kein konkretes Datum festlegen (siehe hierzu auch schon unser Briefing vom 2. September).

In gewisser Weise steht die schwierige Lage rund um den BdB-Hauptgeschäftsführer – der sich von einem im Sommer erlittenen Unfall erholt – stellvertretend für die schwierige Lage, in der sich der Lobby-Verband der privaten Kreditwirtschaft insgesamt befindet. Nach der Pleite der Greensill Bank hatte der BdB sich und dem ihm unterstellten Prüfungsverband (der vom Greensill-Kollaps kalt erwischt worden war) eigentlich einen Neustart verordnet. Einfachere Strukturen. Klarerer Fokus. Frisches Personal.

Indes: Was als Reform gedacht war, sieht im Moment eher nach einer einzigen Großbaustelle aus. Führungskräfte kommen und gehen, die Fliehkräfte scheinen zuzunehmen, das Gemurre im Verband und dem Umfeld nimmt zu. Die Stimmung? Den Umständen entsprechend.

Was die Sache nicht leichter macht. Anfang dieses Jahr war der intern geschätzte Co-Chef Andreas Krautscheid, der den Verband über Jahr hinweg gemeinsam mit Ossig geführt hatte, überraschend abserviert worden. Ein Hauptgeschäftsführer sollte reichen. So sah das nicht zuletzt der BdB-Präsident, also Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. In Kombination mit dem Ausfall Ossigs ergibt sich damit aber seit dem Sommer eine Lage, dass der Co-Chef weg ist – und der andere noch nicht wieder da.

Geführt wird der Verband einstweilen von Henriette Peucker. Die kam im August von der globalen Kommunikationsberatung Finsbury, gilt als durchaus selbstbewusst, muss das entstandene Führungsvakuum nun aber mehr oder weniger alleine füllen. Kein leichtes Unterfangen in einer Organisation, aus der sich zuletzt im gefühlten Monatstakt die leitenden Mitarbeiter verabschiedeten.

Ist das noch Reform – oder ist das Tabula rasa?

Um einfach mal mit dem BdB selber zu beginnen:

  • Zu Jahresbeginn zog es Nikolai Lennartz, Head of Retail Banking and Consumer Protection, zum milliardenschweren Berliner Neobroker Trade Republic (wo freilich im Juli schon wieder Schluss für ihn war).
  • Markus Becker-Melching, erst 2020 zum Chief Operating Officer gekürt, verließ den BdB im September nach insgesamt 25 Jahren. „Auf Reisen“, hat er in sein Social-Media-Profil geschrieben.
  • Kurz zuvor hatte aus unklaren Gründen die Leiterin der “Themengruppe Schlichtung und Kontensuche”, Britta Stegmann, das Haus verlassen.
  • Der bisherige IT-Chef Sascha Kratz wurde kürzlich zum Bank-Verlag beordert, einer BdB-Tochter, die ihrerseits turbulente Zeiten durchmacht (siehe zuletzt unser Exklusivstück -> Warum der Bank-Verlag jetzt die komplette Führung auswechselt).
  • Schon vor der Greensill-Pleite hatte es Jan Tibor Böttcher, Direktor für Finanzstabilität, zum BVR (also zum genossenschaftlichen Bankenverband) gezogen, wo er als Leiter der Abteilung Grundsatzfragen begann und inzwischen zusätzlich zum Bereichsleiter Politik und Finanzgruppe aufgestiegen ist.
  • Und im Mai 2021 hatte Dirk Cupei, Leiter der Abteilung für Finanzstabilität, den Hut genommen, um sich mit einer Rechtsanwaltskanzlei selbständig zu machen.

Noch größer ist die Fluktuation in den Reihen des Prüfungsverbands, den sich die Personalberater von Egon Zehnder nach der Greensill-Blamage in Rahmen eines umfangreichen Mandats speziell angeschaut hat. Tabula rasa wurde zunächst einmal im dreiköpfigen Führungsgremium gemacht: Vorstandssprecher Manfred Kühnle trat zurück und wurde ersetzt durch Andreas Hähndel, für Kühnles Mitstreiter Sebastian Podporowski und Thorbjörn Karp kamen Hans-Dieter Bienen und Bente Borgmann. Das allerdings war nur der Anfang. Denn auch bei zwei Schwesterorganisationen des Prüfungsverbands geht es seit Monaten zu Sache – namentlich bei der EIS, also bei der Einlagensicherungs- und Treuhandgesellschaft, sowie bei der verwandten der EIS Einlagensicherungsbank (für Connaisseure: Die EIS soll vereinfacht gesagt die rasche Verfügbarkeit von Bankeinlagen im Krisenfall sicherstellen; die EIS Bank unterstützt das Sicherungssystem der privaten Banken etwa bei der Abwicklung von Instituten und bei der Entschädigung von Einlegern).

  • Ende Oktober verlor die EIS Bank (wie Finanz-Szene exklusiv berichtet hatte, siehe unseren Personalien-Ticker) ihren erst wenige Monate zuvor installierten Vorstand Matthias Heinrich – der, wie man mittlerweile weiß, als Risikovorstand beim Online-Broker Flatex anheuerte. Sein Vorgänger Thorsten Drescher hatte sich zu Jahresbeginn verabschiedet. Womit als drittes Vorstandsmitglied innerhalb von neun Monaten Anfang Oktober Werner Lang in die zweiköpfige Führung eintrat. Pikant: Wer bei der EIS Bank arbeitet, erhält intime Einblicke in die Risikolage der gesamten privaten Kreditwirtschaft. Darum wäre an der Spitze des Instituts eigentlich eine gewisse Kontinuität angezeigt. Beim BdB wird darauf verwiesen, dass Vorstandschef Klaus Vajc die Bank schon seit mehreren Jahren führe.
  • Was bislang öffentlich noch nicht bekannt war: Auch bei der EIS selber ist ein großes Stühlerücken im Gange. So zeigen Recherchen von Finanz-Szene, dass Geschäftsführerin Regina Coenen die Gesellschaft im Oktober nach vier Jahren verlassen hat. Auch Matthias Schütte, seit 2011 als „Managing Director“ firmierend, scheidet aus, wie es auf Anfrage heißt. Stattdessen übernehmen Petra Hamacher-Weiß und Christoph Thielen die Geschäftsführung (offiziell zum Jahreswechsel, doch beide sind bereits an Bord).
  • Wie unsere Recherchen zudem zeigen, verliert eine weitere Tochter des Prüfungsverbands, nämlich die in Köln ansässige „GdB Gesellschaft für Datensicherheit und IT-Beratung mbh“, ihre Eigenständigkeit. Sie werde “im Rahmen der Neustrukturierung des Prüfungsverbandes ihre Prüfungstätigkeit zum Jahresende einstellen und auf die EIS verschmolzen”, heißt es. Auch bei dieser Gesellschaft firmierte der weiter oben erwähnt Matthias Schütte als einer von zwei Geschäftsführern. Doch nicht nur er verlässt das Unternehmen – sondern auch sein Co-Geschäftsführer Ingo van Dyck.

Vom Untergang einer deutschen Bank. Das Greensill-Protokoll

3 Mrd. Euro Schaden. 3 Mio. Euro Zubrot. Das sind die Dimensionen

Ist das alles noch Teil des angestoßenen Prozesses? Teil der selbstverordneten Reorganisation? Teil einer notwendigen Häutung?

Klar ist: Nach dem „Fall Greensill“, der die privaten Entschädigungseinrichtungen mit einem Schaden von bis zu 3 Mrd. Euro zurücklassen könnte, konnten die Dinge nicht so bleiben, wie sie waren. Nicht beim BdB insgesamt. Und schon gar nicht beim Prüfungsverband mit seinen angehängten Gesellschaften wie der EIS oder der EIS Bank. Und klar war auch, dass die Neuausrichtung nicht ohne Friktionen und somit auch Unzufriedenheit vonstatten gehen würde. Hilmar Zettler, in der BdB-Führung für Bankenaufsicht und Einlagensicherung zuständig, hält gegenüber Finanz-Szene nüchtern fest: „Wir fokussieren den Prüfungsverband auf seine Kernaufgaben des Risikomanagements. Dies ist ein tiefgreifender Umbau, der auch die Tochtergesellschaften des Prüfungsverbandes betrifft. Und natürlich ist eine solche Neuaufstellung auch mit personellen Veränderungen verbunden.“

Tatsächlich gehen die Veränderungen beim Prüfungsverband übers rein personelle deutlich hinaus (weshalb neben Egon Zehnder übrigens auch Deloitte und zeb für den Umbau mandatiert wurden). Eine Lehre aus dem „Fall Greensill“: Die Organisation soll die Funktion des Wirtschaftsprüfers stärker mit der Perspektive des Risikomanagers verbinden, um frühzeitig bei sich abzeichnenden Gefahren gegenzusteuern (diese neue Blickrichtung spiegelt sich in einer der oben aufgelisteten Personalien: Der neue Prüfungsverbands-Chef Hähndel ist Banker, seine Vorgänger waren WPs). Auch soll der Prüfungsverband stärker mit modernen, digitalen Technologien arbeiten. Einen größeren Anteil am Umbau habe zudem das Daten- und Informationsmanagement, ist zu hören.

Letzten Endes geht es bei dem Umbau auch darum, den Prüfungsverband auf seine Kernaufgaben zu fokussieren, nachdem dieser im Laufe der Zeit zunehmend andere Dienstleistungen angeboten hatte. Bezeichnend: Im Geschäftsjahr 2020 erwirtschaftete der Prüfungsverband mit „sonstigen Diensten“ wie Personalleihe und Services gegenüber Dritten 2,8 Mio. Euro (=17%) seiner Gesamterlöse. Einerseits ein nettes Zubrot. Andererseits: Der potenzielle Schaden für die privaten Banken im „Fall Greensill“ betrug das grob 1.000-fache. Da ließ sich mit dem Zubrot gegenüber den Mitgliedern nicht mehr so gut argumentieren.

Zumal: Auch die Stimmung unter den Mitgliedsbanken ist fragil. Der breit angelegte Umbau ereignet sich vor dem Hintergrund latenter Unzufriedenheit gerade innerhalb der Masse an kleineren Instituten im Bankenverband. In dessen Prüfungsverband etwa stellen Regional- und sonstige Kreditbanken mit einem Anteil von rund 49% die mit Abstand größte Gruppe. Es folgen die Auslandsbanken mit rund einem Drittel und die klassischen Privatbanken mit 14%. Dagegen stehen die Großbanken sowie die private Pfandbrief- und Schiffsbanken gemessen an der Institutszahl gerade mal für je 2% der Mitgliedschaft.

Trotz dieser zahlenmäßigen Überlegenheit sind die kleineren Institute in der Führung des Bankenverbands nicht repräsentiert: Das Präsidium bilden neben Sewing der ING-Diba-Chef Nick Jue sowie Emmerich Müller, Vorstandsmitglied des Bankhauses Metzler. Im achtköpfigen Vorstand wiederum sitzen neben Ossig und HVB-Chef Michael Diederich Spitzenkräfte dreier Auslandsbanken (BNP Paribas, Goldman Sachs und UBS) sowie Commerzbank-Chef Manfred Knof, PBB-Chef Andreas Arndt und als Vertreter der klassischen Privatbanken der Berenberg-Mann Christian Kühn.

Für Druck auf dem Kessel sorgt zudem, dass die infolge der Greensill-Pleite geplante Reduktion der Einlagensicherung es vor allem den kleineren Adressen erschweren dürfte, sich über Einlagen günstig zu refinanzieren. Die Fronten verlaufen wie folgt: Nicht wenige dieser privaten Kleinbanker halten die eigene Gilde für das Rückgrat der deutschen Realwirtschaft. Während aus den großen Instituten (die den Löwenanteil der Beiträge zur Einlagensicherung berappen) spitz angemerkt wird, allzu weit könne es mit dem Geschäftsmodell solcher Adressen ja kaum her sein, wenn sie auf das private Sicherungssystem angewiesen sein, um Depositen hereinzuholen.

 Vakuum ist Vakuum – auch wenn unglückliche Umstände reinspielen

Im BdB hat man die sich auftuenden Gräben sehr wohl registriert und einen Prozess zur Stärkung kleinerer und mittelgroßer Banken aufgesetzt, wie zu hören ist. Dass die von Ossig im vergangenen Jahr initiierte und auf der Delegiertenversammlung im Dezember dann ohne Gegenstimme verabschiedete Reform der Einlagensicherung revidiert wird – daran allerdings glaubt ernsthaft niemand. Überlegungen laufen eher auf neue Dienstleistungen für die kleineren Banken hinaus. Diskutiert wird zudem, den Instituten im Außenauftritt die Nutzung verbundinterner Ratings zu nutzen, um auf diese Weise mehr Einlagen einzuwerben. Allerdings ist auch dieser Schritt umstritten – zumal aus größeren Häusern zu vernehmen ist, bei manchen kleineren Instituten seien die Ratings gar nicht gut genug, um damit offensiv zu trommeln.

Letzten Endes lautet die Frage, die viele im Verbandsumfeld stellen: Bräuchte der BdB nicht gerade in der jetzigen Phase mehr Führung?

Natürlich (und fairerweise):

  1. Für die Auflösung der Doppelspitze zu Beginn dieses Jahres ließen sich seinerzeit durchaus Argumente ins Feld führen (nicht zuletzt finanzielle).
  2. Auf einen Ausfall wie den Ossigs kann sich eine Organisation schwerlich vorbereiten.
  3. Dass sich manch einer im Verband eine wahrnehmbarere Präsenz des Präsidenten Sewing wünscht, ist zwar verständlich – aber auch ein bisschen wohlfeil. Denn dass der Deutsche-Bank-Chef sehr viel weniger Zeit auf das Amt verwenden würde als beispielsweise sein Vor- und Vorvorvorgänger Hans-Walter Peters, das war immer klar.

Und doch: Der Umstand, dass sich das vorherrschende Führungsvakuum erklären lässt, ändert ja nichts am Vakuum als solchem. Im Verband jedenfalls rumort es.

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