von Bernd Neubacher, 17. November 2022
Letzte Woche wurde Christian Ossig eigentlich zurückerwartet. Doch es kam anders. Eine Debatte in Brüssel (Thema: Finanzierung der grünen Transformation), an welcher der BdB-Chef nach monatelanger Absenz teilnehmen sollte, wurde kurzfristig abgesagt. So bleibt fürs Erste offen, wann Ossig zurückkehrt. Der Bankenverband will sich auf Anfrage auch weiterhin auf kein konkretes Datum festlegen (siehe hierzu auch schon unser Briefing vom 2. September).
In gewisser Weise steht die schwierige Lage rund um den BdB-Hauptgeschäftsführer – der sich von einem im Sommer erlittenen Unfall erholt – stellvertretend für die schwierige Lage, in der sich der Lobby-Verband der privaten Kreditwirtschaft insgesamt befindet. Nach der Pleite der Greensill Bank hatte der BdB sich und dem ihm unterstellten Prüfungsverband (der vom Greensill-Kollaps kalt erwischt worden war) eigentlich einen Neustart verordnet. Einfachere Strukturen. Klarerer Fokus. Frisches Personal.
Indes: Was als Reform gedacht war, sieht im Moment eher nach einer einzigen Großbaustelle aus. Führungskräfte kommen und gehen, die Fliehkräfte scheinen zuzunehmen, das Gemurre im Verband und dem Umfeld nimmt zu. Die Stimmung? Den Umständen entsprechend.
Was die Sache nicht leichter macht. Anfang dieses Jahr war der intern geschätzte Co-Chef Andreas Krautscheid, der den Verband über Jahr hinweg gemeinsam mit Ossig geführt hatte, überraschend abserviert worden. Ein Hauptgeschäftsführer sollte reichen. So sah das nicht zuletzt der BdB-Präsident, also Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. In Kombination mit dem Ausfall Ossigs ergibt sich damit aber seit dem Sommer eine Lage, dass der Co-Chef weg ist – und der andere noch nicht wieder da.
Geführt wird der Verband einstweilen von Henriette Peucker. Die kam im August von der globalen Kommunikationsberatung Finsbury, gilt als durchaus selbstbewusst, muss das entstandene Führungsvakuum nun aber mehr oder weniger alleine füllen. Kein leichtes Unterfangen in einer Organisation, aus der sich zuletzt im gefühlten Monatstakt die leitenden Mitarbeiter verabschiedeten.
Um einfach mal mit dem BdB selber zu beginnen:
Noch größer ist die Fluktuation in den Reihen des Prüfungsverbands, den sich die Personalberater von Egon Zehnder nach der Greensill-Blamage in Rahmen eines umfangreichen Mandats speziell angeschaut hat. Tabula rasa wurde zunächst einmal im dreiköpfigen Führungsgremium gemacht: Vorstandssprecher Manfred Kühnle trat zurück und wurde ersetzt durch Andreas Hähndel, für Kühnles Mitstreiter Sebastian Podporowski und Thorbjörn Karp kamen Hans-Dieter Bienen und Bente Borgmann. Das allerdings war nur der Anfang. Denn auch bei zwei Schwesterorganisationen des Prüfungsverbands geht es seit Monaten zu Sache – namentlich bei der EIS, also bei der Einlagensicherungs- und Treuhandgesellschaft, sowie bei der verwandten der EIS Einlagensicherungsbank (für Connaisseure: Die EIS soll vereinfacht gesagt die rasche Verfügbarkeit von Bankeinlagen im Krisenfall sicherstellen; die EIS Bank unterstützt das Sicherungssystem der privaten Banken etwa bei der Abwicklung von Instituten und bei der Entschädigung von Einlegern).
Vom Untergang einer deutschen Bank. Das Greensill-Protokoll
Ist das alles noch Teil des angestoßenen Prozesses? Teil der selbstverordneten Reorganisation? Teil einer notwendigen Häutung?
Klar ist: Nach dem „Fall Greensill“, der die privaten Entschädigungseinrichtungen mit einem Schaden von bis zu 3 Mrd. Euro zurücklassen könnte, konnten die Dinge nicht so bleiben, wie sie waren. Nicht beim BdB insgesamt. Und schon gar nicht beim Prüfungsverband mit seinen angehängten Gesellschaften wie der EIS oder der EIS Bank. Und klar war auch, dass die Neuausrichtung nicht ohne Friktionen und somit auch Unzufriedenheit vonstatten gehen würde. Hilmar Zettler, in der BdB-Führung für Bankenaufsicht und Einlagensicherung zuständig, hält gegenüber Finanz-Szene nüchtern fest: „Wir fokussieren den Prüfungsverband auf seine Kernaufgaben des Risikomanagements. Dies ist ein tiefgreifender Umbau, der auch die Tochtergesellschaften des Prüfungsverbandes betrifft. Und natürlich ist eine solche Neuaufstellung auch mit personellen Veränderungen verbunden.“
Tatsächlich gehen die Veränderungen beim Prüfungsverband übers rein personelle deutlich hinaus (weshalb neben Egon Zehnder übrigens auch Deloitte und zeb für den Umbau mandatiert wurden). Eine Lehre aus dem „Fall Greensill“: Die Organisation soll die Funktion des Wirtschaftsprüfers stärker mit der Perspektive des Risikomanagers verbinden, um frühzeitig bei sich abzeichnenden Gefahren gegenzusteuern (diese neue Blickrichtung spiegelt sich in einer der oben aufgelisteten Personalien: Der neue Prüfungsverbands-Chef Hähndel ist Banker, seine Vorgänger waren WPs). Auch soll der Prüfungsverband stärker mit modernen, digitalen Technologien arbeiten. Einen größeren Anteil am Umbau habe zudem das Daten- und Informationsmanagement, ist zu hören.
Letzten Endes geht es bei dem Umbau auch darum, den Prüfungsverband auf seine Kernaufgaben zu fokussieren, nachdem dieser im Laufe der Zeit zunehmend andere Dienstleistungen angeboten hatte. Bezeichnend: Im Geschäftsjahr 2020 erwirtschaftete der Prüfungsverband mit „sonstigen Diensten“ wie Personalleihe und Services gegenüber Dritten 2,8 Mio. Euro (=17%) seiner Gesamterlöse. Einerseits ein nettes Zubrot. Andererseits: Der potenzielle Schaden für die privaten Banken im „Fall Greensill“ betrug das grob 1.000-fache. Da ließ sich mit dem Zubrot gegenüber den Mitgliedern nicht mehr so gut argumentieren.
Zumal: Auch die Stimmung unter den Mitgliedsbanken ist fragil. Der breit angelegte Umbau ereignet sich vor dem Hintergrund latenter Unzufriedenheit gerade innerhalb der Masse an kleineren Instituten im Bankenverband. In dessen Prüfungsverband etwa stellen Regional- und sonstige Kreditbanken mit einem Anteil von rund 49% die mit Abstand größte Gruppe. Es folgen die Auslandsbanken mit rund einem Drittel und die klassischen Privatbanken mit 14%. Dagegen stehen die Großbanken sowie die private Pfandbrief- und Schiffsbanken gemessen an der Institutszahl gerade mal für je 2% der Mitgliedschaft.
Trotz dieser zahlenmäßigen Überlegenheit sind die kleineren Institute in der Führung des Bankenverbands nicht repräsentiert: Das Präsidium bilden neben Sewing der ING-Diba-Chef Nick Jue sowie Emmerich Müller, Vorstandsmitglied des Bankhauses Metzler. Im achtköpfigen Vorstand wiederum sitzen neben Ossig und HVB-Chef Michael Diederich Spitzenkräfte dreier Auslandsbanken (BNP Paribas, Goldman Sachs und UBS) sowie Commerzbank-Chef Manfred Knof, PBB-Chef Andreas Arndt und als Vertreter der klassischen Privatbanken der Berenberg-Mann Christian Kühn.
Für Druck auf dem Kessel sorgt zudem, dass die infolge der Greensill-Pleite geplante Reduktion der Einlagensicherung es vor allem den kleineren Adressen erschweren dürfte, sich über Einlagen günstig zu refinanzieren. Die Fronten verlaufen wie folgt: Nicht wenige dieser privaten Kleinbanker halten die eigene Gilde für das Rückgrat der deutschen Realwirtschaft. Während aus den großen Instituten (die den Löwenanteil der Beiträge zur Einlagensicherung berappen) spitz angemerkt wird, allzu weit könne es mit dem Geschäftsmodell solcher Adressen ja kaum her sein, wenn sie auf das private Sicherungssystem angewiesen sein, um Depositen hereinzuholen.
Im BdB hat man die sich auftuenden Gräben sehr wohl registriert und einen Prozess zur Stärkung kleinerer und mittelgroßer Banken aufgesetzt, wie zu hören ist. Dass die von Ossig im vergangenen Jahr initiierte und auf der Delegiertenversammlung im Dezember dann ohne Gegenstimme verabschiedete Reform der Einlagensicherung revidiert wird – daran allerdings glaubt ernsthaft niemand. Überlegungen laufen eher auf neue Dienstleistungen für die kleineren Banken hinaus. Diskutiert wird zudem, den Instituten im Außenauftritt die Nutzung verbundinterner Ratings zu nutzen, um auf diese Weise mehr Einlagen einzuwerben. Allerdings ist auch dieser Schritt umstritten – zumal aus größeren Häusern zu vernehmen ist, bei manchen kleineren Instituten seien die Ratings gar nicht gut genug, um damit offensiv zu trommeln.
Letzten Endes lautet die Frage, die viele im Verbandsumfeld stellen: Bräuchte der BdB nicht gerade in der jetzigen Phase mehr Führung?
Natürlich (und fairerweise):
Und doch: Der Umstand, dass sich das vorherrschende Führungsvakuum erklären lässt, ändert ja nichts am Vakuum als solchem. Im Verband jedenfalls rumort es.
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