von Arne Storn, 18. Juni 2025
Die Dinge schienen eindeutig, damals, im Dezember 2021, rund eine Woche vor Weihnachten. „Cum-Ex-Razzia bei der SEB-Bank“, „Razzia wegen Cum-Ex-Geschäften bei SEB“ – so oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen. Nun ist wichtig zu betonen: Im Prinzip waren die Meldungen nicht falsch. Denn tatsächlich waren es Cum-Ex-Deals (und nicht etwa Cum-Cum-Deals), deretwegen die Ermittler damals erklärtermaßen in die Geschäftsräume der hiesigen Tochter der schwedischen Großbank einmarschierten.
Die Sache ist aber: Just am 15. Dezember 2021, nur Minuten nach einer Mitteilung zur Razzia (die damals schon den zweiten Tag andauerte), verschickte die SEB eine Mitteilung, derzufolge der deutsche Fiskus „im Rahmen seiner laufenden steuerlichen Prüfung“ inzwischen Steuernachforderungen in Höhe von 936 Mio. Euro an eine deutsche Tochtergesellschaft richte. Wegen Cum-Ex, weshalb sonst? Dachten jedenfalls die meisten damals – und vermengten naheliegenderweise beide Sachverhalte, also die Razzia und die Steuernachforderungen. In Wirklichkeit aber: Wurde die Razzia zwar seinerzeit von der Staatsanwaltschaft mit Cum-Ex begründet. Die taggleich publik gemachten Forderungen von fast 1 Mrd. Euro allerdings: Sie bezogen sich – wie neue Recherchen von Finanz-Szene zeigen – komplett auf Cum-Cum-Geschäfte. Und das ist noch nicht alles. Denn wie unsere Recherchen weiter zeigen, geht es im Kräftemessen zwischen dem deutschen Fiskus und einer der ehemals größten hiesigen Auslandsbanken inzwischen um weit höhere Summen.
Und so zeigt der Fall der SEB-Bank exemplarisch, warum der Cum-Cum-Komplex womöglich deutlich größer ist als der Cum-Ex-Komplex, der viele Jahre lang die Schlagzeilen bestimmte. Und warum (siehe Deka, siehe Apobank) viele Fälle erst jetzt so langsam ans Licht kommen.
Eine Rekonstruktion*:
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In ihrem Geschäftsbericht für 2017 spricht die deutsche Tochtergesellschaft der Schweden erstmals von einem „latenten Steuerrisiko“ bezogen auf das, was heute allseits als Cum-Cum-Geschäfte bezeichnet wird (von der Bank selbst damals aber noch um einiges komplizierter ausgedrückt wird). Zusammengefasst heißt es, infolge eines BMF-Schreibens vom 17. Juli 2017 (mehr dazu kommt gleich) beabsichtige die Finanzverwaltung, derartige Geschäfte zu untersuchen, sofern sie vor dem 1. Januar 2016 durchgeführt worden seien.
Allzu besorgt wirkt das Geldinstitut zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Die SEB-Tochter schreibt, die betroffenen Geschäfte seien alle „gesetzeskonform“ gewesen. Auch der Abschlussprüfer kommt in in seinem Vermerk zu dem Schluss, dass „die von den gesetzlichen Vertretern vorgenommene Einschätzung der Risiken“ und der bilanziellen Abbildung „hinreichend differenziert dokumentiert und begründet sind“.
Für ihre entspannte Sicht der Dinge hat die deutsche Tochter durchaus Anlass. Das erwähnte BMF-Schreiben vom 17. Juli 2017 betrifft die „steuerliche Behandlung von ‚Cum/Cum-Transaktionen'“ und besagt vor allem, dass bei diesen Transaktionen, bei denen ausländische Inhaber deutscher Aktien ihre Wertpapiere kurz vor dem Dividendenstichtag bei Erwerbern im Inland einbuchten, grundsätzlich auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergegangen sei – weshalb sich Banken, die als Erwerber agierten, hierzulande zu diesem Zeitpunkt noch sicher wähnen.
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