Rückblick (#8)

August 2022: Bewerberinnen zu dumm!* National-Bank Essen verzweifelt an Quoten-Zielen

In unserem Jahresrückblick zeigen wir, welche Themen Sie 2022 besonders interessiert haben – mit zwölf Klickfavoriten aus zwölf Monaten. 

Heute mit Teil acht:  

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Frauen, die sich auf gehobene Management-Positionen bei der National-Bank Essen bewerben, fehlt es im Vergleich zu männlichen Kandidaten notorisch an der nötigen fachlichen Qualifikation sowie der richtigen Persönlichkeit.* Zu dieser Einschätzung kommt nach sieben Jahren überaus gezielter, aber doch vergeblicher Frauenförderung der Vorstand des beliebten Regionalinstituts. Dabei hatte sich die National-Bank im Jahr 2015 einer hochambitionierten Quoten-Regelung unterworfen. Demnach sollte zumindest jede zehnte Position auf der ersten Führungsebene mit einer Frau besetzt werden; für die zweite Führungsebene wurde ein Mindestwert von 18% festgeschrieben.

Da die damalige Ausgangssituation fast schon den Zielwerten entsprach, konnte eigentlich nicht viel schiefgehen. Dann jedoch verschwor sich das Schicksal gegen die von Ex-BdB-Vize Thomas Lange geführte Bank:

  • Mal wurden im Zuge eines Sparprogramm ausgerechnet solche Führungspositionen obsolet, die von Frauen besetzt waren.
  • Dann wieder (potzblitz!) ließen „berufliche Veränderungen weiblicher Führungskräfte in neue Fachlaufbahnen“ die Quote sinken.

Nun gäbe es innerhalb der Essener Nationalbank theoretisch zwar genügend Frauen, mit denen sich andere Frauen ersetzen ließen; ihr Anteil an der Gesamtbelegschaft beträgt aktuell 49%. In der Praxis allerdings zeigt sich zum mutmaßlichen Bedauern des rein männlich besetzten Vorstands schon seit Jahren, dass der xt-beste Mann der besten Frau im Zweifel halt doch überlegen ist. So hält auch der aktuelle Jahresabschluss wieder fest:

„Wesentlicher Grund [für die Zielverfehlung bei der Quote] war, dass im Berichtsjahr frei gewordene Führungspositionen mit fachlich und persönlich besser geeigneten männlichen Bewerbern besetzt wurden.“

Ein Sprecher ergänzte auf Nachfrage, dass sich in den Restrukturierungen der Bank 2015 und 2018  „ganz überwiegend männliche Bewerber den Leitungsaufgaben“ gestellt hätten. Und: „Insgesamt besteht eine hohe Stabilität in den Führungsfunktionen, so dass nur wenige Optionen bestehen, die Frauenquote positiv zu beeinflussen.“

Sehen Sie hier, wie sich die Frauen-Quote bei der Essener National-Bank zwischen 2015 und 2021 wohl oder übel entwickeln musste und was die Gründe dafür waren:

Ziele Ist Begründung
1. Ebene 2. Ebene 1. Ebene 2. Ebene
2015 10% 18% 10% 16%
„Reduktion von Arbeitsplätzen mit weiblichen Abteilungsleitern im Zuge der Umsetzung des Programms FOKUS 2018“
2016 10% 18% 10% 15%
„Reduktion von Arbeitsplätzen mit weiblichen Abteilungsleitern im Zuge der Umsetzung des Programms FOKUS 2018“
2017 10% 18% 10% 14% „Ursächlich hierfür sind berufliche Veränderungen weiblicher Führungskräfte in neue Fachlaufbahnen“
2018 10% 18% 6% 12% „Vakante Führungspositionen mit besser geeigneten männlichen Bewerbern besetzt“
2019 10% 18% 6% 15%
„Frei gewordene Führungspositionen mit fachlich und persönlich besser geeigneten männlichen Bewerbern besetzt“
2020 10% 18% 6% 13% „Frei gewordene Führungsfunktionen mit besser geeigneten männlichen Bewerbern besetzt“
2021 10% 18% 6% 13%
„Frei gewordene Führungspositionen mit fachlich und persönlich besser geeigneten männlichen Bewerbern besetzt“

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*Nachtrag: Über Google und die sozialen Medien hat dieser Artikel einige Leserinnen und Leser erreicht, die sich von Text und Überschrift irritiert zeigten. Zur Klarstellung: Wir glauben keineswegs, dass es an den Bewerberinnen liegt, dass sich die Frauenquote bei der Essener National-Bank verschlechtert statt verbessert. Im Gegenteil: Aus unserer Sicht ist es offenkundig, dass die Bank mindestens mal ein großes strukturelles Problem hat. Die Entwicklung der Quote und insbesondere die angeführten Begründungen sprechen für sich. Nun verfolgen wir mit unserer Berichterstattung keine Mission. Aber: Auf Probleme hinweisen – das wollen wir schon. Und ja, wir tun das gerne effektvoll. In konkreten Fall beispielsweise waren und sind wir überzeugt, durch die ironische Überzeichnung ungleich mehr Wirkung zu erzielen als mit einer Berichterstattung im Sinne von „Essener National-Bank bleibt hinter eigenen Quotenzielen zurück“. Insofern hat uns das gigantische (und mit einer Ausnahme ausschließlich positive) Feedback aus unserer gut 40.000-köpfigen Stammleserschaft gefreut. Kleiner Wermutstropfen: Es waren weit, weit überwiegend Leserinnen, die uns geschrieben haben – nicht Leser. Offenbar liegt noch ein Stück Wegstrecke vor uns.

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