Exklusiv

„Projekt Tiber“: Wie die Sparkassen im Ländle den Transnet-BW-Deal bauen

Die baden-württembergischen Sparkassen müssen sich im Bietergefecht um die Transnet BW mächtig strecken – und haben mittlerweile auch weitere Akteure am Finanzplatz Stuttgart in ihr Konsortium einbezogen, wie uns exklusiv vorliegende Unterlagen rund um das Milliarden-Verfahren zeigen.

Konkret hat die Bietergruppe unter Führung der SV Sparkassen-Versicherung bei den beteiligten Parteien inzwischen rund 850 Mio. Euro für die Offerte eingesammelt. Das sind nochmal rund 200 Mio. Euro mehr als nach Ablauf der ursprünglich geplanten Zeichnungsfrist Anfang Januar. Zur kolportierten Bewertung für den zum Verkauf stehenden Anteil an der Transnet BW (von 1,0 Mrd. bis 1,3 Mrd. Euro ist die Rede) besteht trotzdem ein Delta. Dieses soll eine Finanzierung durch Fremdkapital schließen.

Beim Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW handelt es sich um eine 100%ige Tochter des Energieversorgers EnBW. Das Unternehmen betreibt Hochspannungs-Übertragungswege, um grüne Energie ohne größere Verluste zum Beispiel vom Norden der Republik in den Süden zu transportieren. Für einen Anteil von 24,95% wird ein neuer Käufer gesucht. Als „Sole Financial Advisor“ der EnBW erbittet Morgan Stanley in diesen Tagen die finalen Offerten. Das Sparkassen-Konsortium tritt dabei Berichten zufolge gegen den 19 Mrd. Euro schweren dänischen Finanzinvestor „Copenhagen Infrastructure Partners“ an. Zunächst waren auch Blackrock und die Allianz als Interessenten im Gespräch gewesen; von beiden war zuletzt allerdings nicht mehr viel zu hören.

Laut den Finanz-Szene vorliegenden Dokumenten steht das Sparkassen-Konsortium auf einer viel bereiteren Basis als bislang bekannt. Publik war bis dato nur, dass abgesehen von der SV Versicherung auch der regionale Sparkassenverband der Bietergemeinschaft angehört. Tatsächlich aber sind auch die …

  • L-Bank (also die landeseigene Förderbank), die wohl rund 200 Mio. Euro beisteuern soll,
  • die Stuttgarter Lebensversicherung
  • die Badische Versicherungen
  • die Württembergische Gemeinde-Versicherung
  • sowie die Evangelische Landeskirche in Württemberg

… mit von der Partie. Die Informationen von Finanz-Szene besagen zudem, dass der Sparkassenverband eine große Zahl seiner Mitglieder von dem Investment überzeugen konnte. Gut vier von fünf der insgesamt 50 baden-württembergischen Sparkassen signalisierten demnach Ihr Interesse an einer Beteiligung – der Großteil hat zwischenzeitlich ein Commitment gegeben, heißt es. Als M&A-Advisor wurde die LBBW mandatiert. Intern läuft das Verfahren unter dem Namen „Projekt Tiber“.

Der hohe Anteil der Assekuranz im Konsortium erklärt sich dadurch, dass Versicherer nach lang laufenden und neuerdings möglichst grünen Assets für ihre Kapitalanlage gieren. Allerdings sehen sich auch die baden-württembergischen Sparkassen angehalten, als größte Kapitalsammelstelle im Ländle (mit Einlagen von rund 170 Mrd. Euro) verstärkt auf ESG-konforme Anlagen zu setzen. Die Beteiligung an der Transnet BW würde per se zu diesem Ansatz passen. So betont die LBBW laut den uns vorliegenden Unterlagen, bei dem Netzbetreiber handele es sich um „eine sehr rare und gesuchte Investitionsmöglichkeit“. Gegenüber den Beteiligten wird von einem „maßgeschneiderten Investment-Vehikel“ gesprochen, das regulatorische Bedürfnisse berücksichtige und zugleich die Rendite maximieren solle. So stellen die Sparkassen-Versicherung und die LBBW für eine Haltedauer von 25 Jahren eine Ausschüttungsrendite von mehr als 5% pro Jahr in Aussicht.

Auf dem Weg dorthin sind allerdings enorme, schwer zu kalkulierende Investitionen zu stemmen:

  • Vor einiger Zeit rechnete die EnBW vor, dass sich der Investitionsbedarf bei der Transnet BW bis 2035 auf fast 10 Mrd. Euro summiere
  • Kritiker monieren, dass dies noch konservativ gerechnet sei. So heißt es in einem Memo, das die Kanzlei Rosin Büdenbender für das Konsortium erstellt hat, 9% der Assets der Transnet BW hätte ihre technische Lebensdauer überschritten
  • In dem Memo ist ebenfalls zu lesen, dass die EnBW bis 2045 mit Gesamtinvestitionen von mehr als 30 Mrd. Euro kalkuliere – „vielleicht werden es noch mehr“

Tatsächlich wird im Markt die Frage gestellt, inwieweit das geplante Investment überhaupt noch betriebswirtschaftlichen Aspekten unterliegt – und ob nicht längst politische Erwägungen im Vordergrund stünden. Dem Vernehmen nach haben die einzelnen Sparkassen überhaupt keinen Einblick in die Bücher der Transnet BW geworfen, sondern die Due Diligence komplett an die SV Versicherung delegiert: “Es wird halbblind-blind gezeichnet“, moniert ein Beobachter. Das Gegenargument lautet, die Sparkassen würden ja auch sonst auf die Expertise von Verbundunternehmen setzen – etwa bei Fondsprodukten der Deka.

Fest dürfte stehen: Beim Einstieg in die Transnet BW handelt es sich um ein Investment mit ungewissem Ausgang. So erwiesen sich die Ergebnisse der Transnet BW auch zuletzt schon als schwankungsanfällig (2021 etwa rauschte das unbereinigte Ebit auf minus 34 Mio. Euro, siehe unseren Artikel -> „Heiße Phase beginnt: Sparkassen in Pole Position für EnBW-Milliardendeal“). Zudem hängen die Gewinne stark von der Regulierung ab. So schreibt die LBBW als Beraterin des Sparkassen-Konsortiums: „Latente Risiken bestehen fortlaufend aus Anpassungen des Regulierungsrahmens. Dies kann dazu führen, dass die Erlöse der Transnet BW […] sinken und Verluste entstehen.“

Kritiker des geplanten Milliarden-Deals verweisen dieser Tage darauf, dass der Transnet-BW-Konkurrent Tennet ja gerade zum Rückzug aus dem deutschen Markt ansetze. Hintergrund: Vor zwei Wochen hatte der niederländische Netzbetreiber erklärt, man prüfe einen Verkauf der deutschen Aktivitäten an die Bundesrepublik. „Bloomberg“ zufolge bereitet die Bundesregierung eine Übernahme für mehr als 20 Mrd. Euro vor. Einer der Skeptiker sagt, mit Transnet BW sei kein Geld zu verdienen –“nur zu versenken“.

––––––––––––––––––––

So wollen die Sparkassen den Deal strukturieren

  • Die Mitglieder des Sparkassen-Konsortiums sollen zunächst Anteile an einem Feeder-Fonds zeichen, also an einer Art Dachfonds
  • Dieser Dachfonds gibt sein Kapital dann in eine zu 100% im Besitz der Sparkassen-Versicherung befindliche Investment KG, die den Namen SWKI trägt
  • Diese Gesellschaft wiederum soll mithilfe von bei Banken aufgenommenen Fremdkapitals die sogenannte SWK Holding finanzieren
  • Diese SWK Holding soll 24,95% und mit der KfW (die sich frühzeitig ein Vorkaufsrecht auf weitere 24,95% an Transnet BW gesichert hatte) insgesamt 49,9% an der „Transnet BW KG (FinCo)“ halten. Die Mehrheit von 50,1% entfällt auf EnBW.
  • Dieses Joint-Venture wird den Plänen zufolge 100% der Transnet BW GmbH besitzen

Rechtehinweis

Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.

Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!

To top