von Bernd Neubacher, 23. August 2023
So dramatisch sich das in diesem Frühjahr auch alles anhörte mit den milliardenschweren Depot-A-Verlusten bei Sparkassen und Genos – irgendwie blieb am Ende ein „Alles halb so schlimm“-Gefühl zurück. Weil, so jedenfalls ging die Argumentation:
1.) Schon richtig, die Genobanken haben 2022 auf ihre Eigenanlagen 7 Mrd. Euro abschreiben müssen und die Sparkassen sogar 8 Mrd. Euro – gleichwohl reichte es selbst nach Bewertung bei beiden immer noch zu einem Ergebnis von jeweils rund 4 Mrd. Euro.
Und 2.) Die realen Verluste werden am Ende aller Wahrscheinlichkeit viel geringer ausfallen als es zunächst den Anschein machte – weil nämlich die meisten verlustbehafteten Papiere einfach bis zur Endfälligkeit gehalten und dann zum vollen Kurs eingelöst werden.
Und schließlich noch 3.) Der vorherrschende Eindruck im Frühjahr war, dass die beiden Verbünde ihre Belastungen transparent beziffert haben – dass also bilanziell nichts übertüncht worden ist, zumindest nicht systematisch.
Und damit nun zu den PSD-Banken.
Auch die räumten Mitte Juni bei ihrer Bilanz-PK vorübergehende Abschreibungen auf ihre Wertpapiere ein (und zwar in Höhe von 137 Mio. Euro). Doch auch da blieb die Botschaft, dass der operative Gewinn (in Höhe von 151 Mio. Euro) locker ausreicht, um die ohnehin nur vorübergehenden Verluste zu kompensieren.
Dies allerdings ist augenscheinlich nicht so, wie eine Auswertung der Geschäftszahlen durch Finanz-Szene zeigt. Konkret lassen sich bei elf der insgesamt 14 PSD-Banken bereits die 2022er-Abschlüsse einsehen. Und allein diese elf Institute kommen nicht nur auf ein negatives Bewertungsergebnis von weit mehr als 100 Mio. Euro. Sondern: Darüber hinaus wären eigentlich weitere mehr als 220 Mio. Euro (!!!) an Abschreibungen fällig geworden – hätten die elf PSD-Banken die betroffenen Papiere nicht im Anlagevermögen, sondern in der Liquiditätsreserve bilanziert.
Hintergrund: Anders als im Umlaufvermögen (das zur Liquiditätsreserve gehört und in dem das „strenge Niederstwertprinzip“ gilt, können Banken im Anlagevermögen das „gemilderte Niederstwertprinzip“ wählen. Das bedeutet, selbst wenn der Marktwert der gehaltenen Anleihen bei nur noch, sagen wir, 80 liegt, dürfen die Institute die Papiere weiterhin zu 100 (also zum Buchwert) bilanzieren. Voraussetzung ist lediglich, dass die Bank …
Liegen Papiere ohnehin im Anlagevermögen, ist eine Bilanzierung nach dem „gemilderten Niederstwertprinzip“ in aller Regel unkritisch. Problematisch allerdings wird’s, wenn die Papiere kurzfristig umgewidmet werden – denn dann entsteht der Eindruck, die Umwidmung erfolge einzig aus der Motivation, keine Abwertungen ausweisen zu müssen.
Im Falle der elf PSD-Banken klaffte per Ende 2022 unseren Auswertungen zufolge zwischen Buch- und Marktwert eine Lücke von 224 Mio. Euro. Dies entsprach satten 0,89% der aggregierten Bilanzsumme dieser Häuser. Und durchschnittlich 16% des ausgewiesenen Eigenkapitals.
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Pikant ist dabei nicht nur die hohe Summe. Sondern dass das entsprechende Delta per Ende 2021 bei lediglich 3 Mio. Euro gelegen hatte, also 2022 dann regelrecht explodiert ist. Diese Explosion wiederum ist nicht nur der Zinswende geschuldet – sondern auch der Tatsache, dass acht der elf untersuchten PSD-Banken im vergangenen Jahr explizit Papiere von der Liquiditätsreserve in den Anlagebestand umgeschichtet haben. Dabei stieg der durchschnittliche Anteil des Anlagebestands am gesamten Wertpapierbestand bezogen auf alle elf Banken im Schnitt von 56% auf 82%.
Um das alles mal am Beispiel der übrigens schrulligerweise in Augsburg ansässigen PSD-Bank München zu exemplifizieren:
Sehr happig alles – auch wenn das Beispiel der PSD Bank München zugegebenermaßen extrem ist.
Beim Institut der Wirtschaftsprüfer sieht man das Vorgehen der PSD-Banken kritisch. Auf Anfrage von Finanz-Szene heißt es:
„Die Umwidmungen werfen natürlich die Frage auf, ob sie gerechtfertigt sind. Sie dürfen nur erfolgen, wenn sich der von der Bank mit den Wertpapieren verfolgte Zweck tatsächlich geändert hat. Zu einer reinen Gestaltung des Ergebnisses dürfen sie nicht dienen. Neben der Absicht muss das Institut auch ökonomisch in der Lage sein, die Wertpapiere während der beabsichtigten Haltedauer tatsächlich zu halten. Dies werden auch die Prüfer kritisch hinterfragen und zudem auf Transparenz achten.“
Die Bafin will sich zum konkreten Fall nicht äußern, betont aber, …
dass das Aufsichtsrecht „der Umwidmung von Vermögensgegenständen Grenzen gesetzt“. Man beobachte „vorgenommene Umwidmungen, dadurch entstehende stille Lasten sowie die Einhaltung der Liquiditätsanforderungen im Rahmen des aufsichtlichen Meldewesens sehr genau“.
Finanz-Szene konfrontierte auch den Verband der PSD-Banken sowie jene PSD-Bank, die am stärksten vom Ausweis ihrer Wertpapiere im Anlagevermögen profitiert – nämlich die PSD Bank München (siehe die obige Tabelle). Der Verband reagierte nicht, die Bank teilte mit:
„Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu strategischen Fragen der Gesamtbanksteuerung nicht äußern können.“
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