von C. Kirchner, B. Neubacher, H.-R. Dohms und C. Behr, 27. Juni 2025
In unserem Makro-Ticker behalten wir alle volkswirtschaftlichen und politischen Oberthemen im Blick, die das Geschäft unserer Banken und Fintechs beeinflussen.
Hier der Ticker für Juni 2025:
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Wenn Investmentbanker „klare Empfehlungen“ aussprechen, noch dazu über die sozialen Medien, dann müssten in der Compliance-Abteilung eigentlich die Alarmglocken schrillen. Im Falle von Marc Osigus können die Kollegen allerdings unbesorgt sein. Der Chef der Investmentbanking-Sparte von Hauck Aufhäuser Lampe postet in letzter Zeit nämlich nicht mehr nur über den Kapitalmarkt, sondern mindestens genau so engagiert über den Hamburger SV. Und so galt die „klare Empfehlung“, die Osigus bei Linkedin verbreitete, keiner Aktie – sondern einem der Präsidentschafts-Kandidaten beim norddeutschen Traditionsverein (und zwar, dies der Vollständigkeit halber, einem Mann namens Henrik Köncke, der am Wochenende dann tatsächlich gewählt wurde). Freilich – zu denken geben sollte es trotzdem, wenn einer der führenden deutschen Investmentbanker (jedenfalls bezogen auf das Small- und Mid-Cap-Segment) auf Social Media gen Fußball umschichtet. Zwar ist Osigus seine HSV-Begeisterung uneingeschränkt zu gönnen, immerhin glückte dem einstigen Europapokalsieger im Mai nach sieben Spielzeiten in der zweiten Liga die Rückkehr ins Fußball-Oberhaus. Beim Blick auf das hiesige Kapitalmarktgeschäft verdichtete sich zuletzt allerdings eher der gegenteilige Eindruck: Abstieg statt Aufstieg, Ernüchterung statt Euphorie: 1.) Da ist die zuletzt als „Stifel Europe“ firmierende frühere Mainfirst Bank, die ihr Brokerage und Research in Frankfurt zusammenkürzt, wie Finanz-Szene im Mai exklusiv berichtete; 2.) Da ist das Hamburger Traditionshaus M.M. Warburg & CO, das – auch diese Entwicklung war zuerst bei Finanz-Szene zu lesen, siehe hier, hier und hier – weite Teile seines Kapitalmarktgeschäfts ins Schaufenster stellte, allerdings keinen zahlungswilligen Interessenten fand und nun zum großen Kahlschlag ausholt; 3.) Da war just dieser Tage die Meldung, dass Hauck Aufhäuser Lampe auf einen Schlag rund 15 Investmentbanker an einen hierzulande bislang nahezu unbekannten US-Wettbewerber namens Cantor Fitzgerald verliert (ironischerweise postete HAL-Mann Osigus seine „Wahlempfehlung“ am gleichen Tag, an dem „Bloomberg“ den Massen-Exodus in der Osigus-Truppe öffentlich machte) … Eine zufällige Häufung von Einzelfällen? Oder Indizien, dass für hiesige Banken im Kapitalmarktgeschäft immer weniger zu gewinnen ist – und im Zweifel die anderen die Deals machen? Unser Deep Dive: FS Premium
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Wenn die Bundesregierung den Bankkunden „mehr Rechte beim Dispo“ einräumen will, wie am 23. Juni vermeldet wurde – dann klingt das nicht zwingend nach einem Erfolg der Banken-Lobby. Und in der Tat: Wie aus dem veröffentlichten Entwurf des Justizministeriums zur EU-Verbraucherkredit-Richtlinie hervorgeht, sollen Dispositionskredite seitens der Bank künftig nicht mehr mit unmittelbarer Wirkung gekündigt werden können. Sondern nur noch mit einer Frist von mindestens zwei Monaten. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Zwangsvollstreckung soll also künftig entfallen. Das allerdings ist nur das, was drinsteht in dem Entwurf. Interessanter (und relevanter für die Banken und deren GuV) könnte am Ende sein, was nicht drinsteht. Hier entlang: FS Premium
Die Dinge schienen eindeutig, damals, im Dezember 2021, rund eine Woche vor Weihnachten. „Cum-Ex-Razzia bei der SEB-Bank“, „Razzia wegen Cum-Ex-Geschäften bei SEB“ – so oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen. Nun ist wichtig zu betonen: Im Prinzip waren die Meldungen nicht falsch. Denn tatsächlich waren es Cum_-Ex_-Deals (und nicht etwa Cum-Cum-Deals), deretwegen die Ermittler damals erklärtermaßen in die Geschäftsräume der hiesigen Tochter der schwedischen Großbank einmarschierten. Die Sache ist aber: Just am 15. Dezember 2021, nur Minuten nach einer Mitteilung zur Razzia (die damals schon den zweiten Tag andauerte), verschickte die SEB eine Mitteilung, der zufolge der deutsche Fiskus „im Rahmen seiner laufenden steuerlichen Prüfung“ inzwischen Steuernachforderungen in Höhe von 936 Mio. Euro an eine deutsche Tochtergesellschaft richte. Wegen Cum-Ex, weshalb sonst? Dachten jedenfalls die meisten damals – und vermengten naheliegenderweise die beiden Sachverhalte, also die Razzia und die Steuernachforderungen. In Wirklichkeit aber: Wurde die Razzia zwar seinerzeit von der Staatsanwaltschaft mit Cum-Ex begründet. Die taggleich publik gemachten Forderungen in Höhe von fast 1 Mrd. Euro allerdings: Sie bezogen sich – wie neue Recherchen von Finanz-Szene zeigen – komplett auf Cum-Cum-Geschäfte. Und das ist noch nicht alles. Denn wie unsere Recherchen weiter zeigen, geht es im Kräftemessen zwischen dem deutschen Fiskus und einer der ehemals größten hiesigen Auslandsbanken inzwischen um weit höhere Summen. Und so zeigt der Fall der SEB-Bank exemplarisch, warum der Cum-Cum-Komplex womöglich deutlich größer ist als der Cum-Ex-Komplex, der viele Jahre lang die Schlagzeilen bestimmte. Und warum (siehe Deka, siehe Apobank) viele Fälle erst jetzt so langsam ans Licht kommen. Die detaillierte Rekonstruktion eines weitreichenden Falls – hier entlang: FS Premium
Denen ist das ernst! Warum der digitale Euro plötzlich alle elektrisiert
Es wirkte wie eine perfekt orchestrierte PR-Nummer. Mittels „dpa“ – sprich: mit größtmöglicher Verbreitung und ohne kritisches Hinterfragen – ventilierte die Bankenindustrie zunächst eine bei PwC in Auftrag gegebene Untersuchung, wonach die Einführung des digitalen Euro die europäische Kreditwirtschaft „bis zu 30 Mrd. Euro“ kosten wird (weil beispielsweise Bezahlterminals, Geldautomaten, Karten, Online-Banking und Banking-Apps angepasst werden müssten und auch darüber hinaus ganz viel Aufwand entstehe). Das Motiv hinter der Studie: In vielen Banken und vor allem Sparkassen sieht man den digitalen Euro tendenziell skeptisch. Was erstens mit sehr grundsätzlichen Erwägungen zusammenhängt (siehe –> Die trügerische Ruhe unserer Banken im Angesicht des digitalen Euros), zweitens mit der befürchteten Konkurrenz zu Wero (–> EPI vs. EZB – das stille Ringen um die europäische Payment-Herrschaft) und drittens, in der Tat, mit der Befürchtung, die Kosten des Projekts könnten dessen Nutzen bei weitem übersteigen. Eigentlich sollte man in der Kreditwirtschaft also sehr zufrieden sein, dass PwC (welch Wunder …) mit der von den Auftraggebern erhofften großen Zahl ums Eck kam und diese große Zahl die große Runde machte. In Wirklichkeit aber – gab es laut Finanz-Szene-Informationen hinter den Kulissen reichlich Knatsch um die Veröffentlichung. Hier entlang: FS Premium
Wenn Finanzplätze laufen könnten (also so ganz allgemein), dann könnte der Finanzplatz Frankfurt momentan trotzdem kaum laufen. Nämlich vor Kraft: Im globalen Finanzplatz-Ranking, was auch immer man von so etwas halten mag, reichte es letzten Herbst erstmals wieder zu einer Top-10-Platzierung. Zu sehen, wie die Commerzbank der Unicredit trotzt, tut ganz Frankfurt gut. Über die Aktienkurs-Entwicklung auch der Deutschen Bank kann man nur staunen. Und dass die Eintracht nächste Saison in der Champions League spielt, hat mit dem Finanzplatz zwar nur sehr mittelbar etwas zu tun, passt aber natürlich trotzdem ganz hervorragend zum neuen Selbstbild der Stadt. Muss man da noch erwähnen, dass die Finanzplatz-Studie der Helaba von Ausgabe zu Ausgabe immer euphorischer wird, zumal jetzt, wo auch noch die AMLA in die Stadt kommt, also die neue Anti-Geldwäsche-Behörde der EU? Freilich, anderswo wird auch nicht geschlafen. Amsterdam hat zwar keine AMLA. Dafür aber Adyen (und so was wie Adyen hat Frankfurt nicht mal im entferntesten, so was bringt hierzulande allenfalls Berlin hervor). Und bei aller Rührigkeit, die man Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef attestieren darf (wer war noch mal der Vorgänger?) – ein Macron ist er halt nicht. Was dazu beigetragen haben mag, dass Revolut seinen EU-Hub jetzt in Paris ansiedelt, wie zuvor auch schon die HSBC. Die üppigste Brexit-Dividende, klar, die fließt weiter in der Main-Metrople. Was aber nicht auf alle Zeiten so bleiben muss. Wenn so eine britische Auslandsbank, die sich eben erst für Frankfurt entschieden hat, plötzlich nach Amsterdam abwandert, ist das zumindest mal ein klitzekleines Warnsignal. Und nicht nur die in Frankfurt beheimatete EU-Einheit von Goldman Sachs baut in Paris mehr Jobs auf als in Frankfurt selbst (siehe unseren Bericht von Freitag) – bei der EU-Einheit von J.P. Morgan ist es genauso. Alles kein Grund zu übermäßiger Sorge. Aber nicht nur die Teilnahmeberechtigung für die Champions League muss man sich immer wieder neu verdienen.
Sämtliche Makro-News aus Mai 2025
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