von G. Hädicke, C. Kirchner und H.-R. Dohms, 30. Juni 2023
In unserem Genosektor-Ticker verfolgen wir Volks- und Raiffeisenbanken genauso wie PSD- und Sparda-Banken, die DZ-Bank-Gruppe genauso wie die Atruvia.
Hier unser Ticker für den Juni:
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Der genossenschaftliche Accelerator Amberra (alle Hintergründe hier) bestückt sein Management-Team überwiegend mit Sparkässlern. So kommen Strategiechefin Bernadett Faßhauer-Kotte von der S-Communication Services – und der neue „Head of Innovation“ Christian Haß von der Deka. Zufall? Nicht unbedingt. Schließlich entstammt auch der schon im Februar eingesetzte Amberra-Chef Björn Schmuck der Deka. Übrigens: Der Investmentchef von Amberra, ein gewisser Moritz Otterbach, leitete bis vor einigen Monaten gemeinsam mit Schmuck das Bildungs-Startup Buya. Und davor? Nein, arbeitete er nicht für die S-Finanzgruppe – sondern 14 Jahre lang bei Berenberg.
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Die Chefin des VÖB kontrolliert die zweitgrößte deutsche Genossenschaftsbank – über dieses Kuriosum hatten wir vergangene Woche ja schon berichtet. Tatsächlich gab es bei der Vertreterversammlung der Berliner Volksbank aber noch einen weiteren Aufreger. Wie neue Recherchen von Finanz-Szene zeigen, versuchten nämlich auch drei freie Kandidaten (darunter eine ehemalige Bankenberaterin von McKinsey und ein Ex-Fintech-Manager) in das Kontrollgremium einzuziehen – wider die offiziellen Pläne der Bank. Die drei Bewerber scheiterten zwar mit ihrem ungewöhnlichen Manöver. In einem Fall aber war’s denkbar knapp. Alle Namen und alle Details: FS Premium
Chef-Lobbyistin der Landesbanken kontrolliert größte deutsche Volksbank
Bei unserem großen Fusionsüberblick im April (siehe hier) hatten wir ja bereits geunkt, dass womöglich nicht alle der für dieses Jahr geplanten Volksbank-Zusammenschlüsse auch vollzogen werden … und prompt ist’s denn auch passiert: Während bei den allermeisten im Frühjahr anberaumten Mitgliederversammlungen artig für die jeweiligen Geno-Verschmelzungspläne gestimmt wurde, haben im baden-württembergischen Pfullendorf ausgerechnet die Mitglieder der Kleinstvolksbank Pfullendorf (Bilanzsumme 255 Mio. Euro) quergeschossen.
Die wollte eigentlich mit der rund doppelt so großen VR-Bank Meßkirch (492 Mio. Euro) zusammengehen. Das Vorhaben scheiterte jedoch an der benötigten 3/4-Mehrheit, weil 121 der 271 Pfullendorfer Mitglieder dagegen stimmten. Als Gründe für ihren Widerstand gaben die Mitglieder gegenüber dem „Südkurier“ (Paywall) unter anderem die Befürchtung zu Protokoll, die „Kompetenz“ könne zum größeren Fusionspartner nach Meßkirch abwandern. Außerdem sei die Volksbank Pfullendorf doch „eine gute Bank“ (Jahresüberschuss zuletzt 330.000 Euro).
In der Tat hatte die Pfullendorfer Führungsspitze im Vorfeld mit dem im Genosektor beliebten Slogan „Zwei gesunde Banken gehen zusammen“ für die Hochzeit geworben. Damit erinnert der Fall denn auch ein bisschen an die Volksbank Wickede in NRW, deren Mitglieder gegen eine Fusion mit der Volksbank Menden votierten, woraufhin die Vorstände ihre Kommunikationsstrategie radikal änderten (siehe dazu -> „Eine lokale Posse, die zeigt: Kleine Banken wollen klein bleiben“). Im zweiten Anlauf klappte es kürzlich dann doch mit der Fusion (siehe unseren Genoticker aus dem Mai). Eine Blaupause für Pfullendorf? Die Volksbank teilt jedenfalls mit: „Vorstände sowie Aufsichtsräte geben sich selbstkritisch und hinterfragen ihre Vorgehensweise. Mit der Volksbank Meßkirch eG Raiffeisenbank bleiben wir im Gespräch.“
Das umstrittene Fusions-Prozedere im genossenschaftlichen Bankenlager muss sich demnächst offenbar vor dem höchsten ordentlichen Gericht des Freistaats Bayern bewähren. Wie aus einem Finanz-Szene vorliegenden Schreiben hervorgeht, hat das Landgericht Nürnberg-Fürth das Verfahren diese Woche an das „Bayerische Oberste Landesgericht“ in München weitergereicht. Genau diesen Schritt hatten Verfahrensbeteiligte gegenüber Finanz-Szene bereits im Februar (siehe unser Stück Volksbank-Revolution bleibt aus: Gericht billigt umstrittene Fusionspraxis) als wahrscheinlich erachtet.
In der Causa geht es um die grundsätzliche Frage, ob Zusammenschlüsse von Volks- und Raiffeisenbanken völlig unabhängig vom inneren Wert der Genossenschaftsanteile vollzogen werden können (siehe dazu -> „Volksbank-Beben – Gericht stellt Procedere bei Geno-Fusionen infrage“). Bislang ist genau dies übliche Praxis: Rücklagen, Rentabilität oder Dividenden der Institute spielen keinerlei Rolle bei der Frage, mit welchem Geschäftsanteil die Mitglieder der Vorgänger-Institute an der fusionierten Bank beteiligt werden.
Bei der Dreierfusion der VR-Bank Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach, Volksbank Raiffeisenbank Nürnberg und der VR meine Bank aus Neustadt/Aisch hatte der Kläger eine Ausgleichszahlung für die wirtschaftlichen Unterschiede der fusionierten Banken verlangt. Diese wurde ihm aber ebenso verwehrt wie das angestrebte Spruchverfahren. Ob das rechtens ist, entscheidet nun also das Bayerischen ObLG. Mit einem neuerlichen Urteil dürfte allerdings frühestens 2024 zu rechnen sein.
Gehen die Volksbanken in der privaten Baufinanzierung jetzt all in?
Die PSD Banken haben im vergangenen Jahr (offenbar erstmals) mehr als die Hälfte ihres Neugeschäfts in der Baufinanzierung über Kredit-Plattformen wie Interhyp oder Hypoport generiert. Zwar sank das Neukredit-Volumen insgesamt um 3% auf nur noch 2,77 Mrd. Euro – hiervon allerdings entfielen 1,42 Mrd. Euro (plus 5%) auf das Plattform-Geschäft, das bei den im Direktvertrieb eher schwachen PSD-Banken seit Jahren massiv forciert wird. Für 2023 rechnet die Gruppe laut Aussagen von Verband-Präsident Jurgeleit in der „BÖZ“ mit einem Anstieg des Baufi-Neugeschäfts um 2-3%. Das wäre eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, dass der Gesamtmarkt per Ende April mit einem Neukredit-Volumen von 53 Mrd. Euro um 52% hinter dem Vorjahr hinterher hinkte.
Unterdessen legten die PSD Banken auch weitere Geschäftszahlen für ihre 14 Institute umfassende Gruppe vor und mussten dabei massive Abschreibungen im „Depot A“-Geschäft eingestehen. Das Bewertungsergebnis explodierte (wenn man Wertpapier- und Kreditgeschäft zusammennimmt) um den Faktor 13 auf 153 Mio. Euro – mit der Folge, dass die Gruppe letztlich einen Verlust von 2 Mio. Euro verbuchte (über die Probleme und Umbauten im PSD-Sektor hatte Finanz-Szene zuletzt intensiv berichtet, siehe unsere Exklusiv-Stücke zur Liquidierung der IT-Service-Tochter, zur Fusion von Hamburg und Kiel sowie zur Umfirmierung der PSD-Bank Westfalen-Lippe). Rein operativ betrachtet lesen sich die Zahlen freilich einigermaßen okay: Dank eines gestiegenen Zinsüberschusses (plus 6% auf 405 Mio. Euro) verbesserte sich das Betriebsergebnis vor Bewertung um 11% auf 151 Mio. Euro, was 0,54% der durchschnittlichen Bilanzsumme entsprach.
Zwischen Fusions-Saison und Girocard-Tausch: Das war der Genosektor im Mai
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