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Warum das Klimaziel für Banken große Chancen eröffnet

ESG hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Wandel hingelegt: Einst ein „Nice-to-have“, ist der Fokus auf Fragen der Umwelt, des Sozialen und der Unternehmensführung (Environment, Social, Governance) heute unverzichtbar für Corporate- und Investmentbanken. ESG gilt als einer der wenigen Wachstumsbereiche in einem ansonsten schwierigen Marktumfeld. Bereits mehr als 100 Banken haben sich im Rahmen der “UN Net-Zero Banking Alliance“ zu Klimaneutralität verpflichtet.

Regierungen und Aufsichtsbehörden erhöhen kontinuierlich die Ansprüche an ESG-Standards. NGOs und Aktivisten üben öffentlichen Druck auf Banken aus und COP26 – die jüngste Weltklimakonferenz in Glasgow – hat die Bemühungen um Netto-Null-Emissionen der Finanzinstitutionen besonders hervorgehoben. Aus einer Analyse von McKinsey geht hervor, dass der globale ESG-bezogene Ertragspool im Corporate- und Investmentbanking (CIB) pro Jahr um 20% wächst und bis 2025 rund 100 Mrd. Euro erreichen wird.

Die Klimawende erfordert von Unternehmen massive Investitionen. Für Europa allein schätzen wir den kumulativen Gesamtfinanzierungsbedarf bis 2050 auf 28 Billionen Euro. Für Banken eröffnen sich damit große Chancen, neue Finanzierungslösungen anzubieten und ihre Kunden entsprechend maßgeschneidert zu beraten. Es wird zunehmend erwartet, dass sie den Markt mitgestalten und praktikable Lösungen vorschlagen.

Dabei stellt sich die Frage: Wie werden Banken zu Marktführern? Was müssen sie tun, um sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten? Unsere Analyse von zehn wesentlichen ESG-Initiativen zeigt, wie Corporate- und Investmentbanken das Marktpotenzial erschließen können.

1. ESG-Angebote für Debt Capital Markets

ESG-bezogene Debt-Capital-Markets-Produkte (sowie Konsortialkredite) sind im Laufe der vergangenen Jahre zum Standard geworden: Kreditgeber schauen bei der Vergabe nicht nur auf die Solvenz, sondern auch auf die Einhaltung von ESG-Kriterien. Insbesondere “Green Bonds“ und nachhaltigkeitsbezogene Produkte sind stark gewachsen.

Banken, die in diesem Segment Marktanteile gewinnen, haben dies aus einer Kombination mehrerer Maßnahmen heraus erreicht: Sie haben sich auf die relevanten Subsegmente fokussiert (unsere Analyse zeigt, dass 65-90% des Investitionsbedarfs durch die größten Teilsektoren erklärt wird). Zudem verfolgten diese Banken einen proaktiven Marktansatz für erste Deals („First Mover“) und konnten sich frühzeitig einen ersten Track Record aufbauen. Zudem bieten sie kontinuierlich Produktinnovationen und bauen systematisch ihre Platzierungskraft bei ESG-affinen Investoren aus.

2. Projektfinanzierungen und strukturierte Finanzierungen

Projektfinanzierungen und strukturierte Finanzierungen mit Bezug zu ESG werden vor allem von erneuerbaren Energien dominiert. Sowohl die Marktgröße als auch die Zahl der Projekte haben in Europa und im Nahen Osten massiv zugenommen – zwischen 2016 und 2020 betrug das Wachstum fast 50%. Dieser Trend wird sich voraussichtlich noch beschleunigen.

Banken, die im Bereich ESG führen, haben kompetente Teams in Markt und Marktfolge. Sie adressieren frühzeitig Themen wie sich verändernde Marktpreisrisikostrukturen und analysieren neue Technologien. Zudem haben sie sich ein entsprechendes Netzwerk in der Sponsorenlandschaft und dem breiteren Ökosystem erarbeitet.

3. Finanzierung der ESG-Transformation in Fokus-Sektoren

ESG-Finanzierungen sind komplex. Deshalb benötigen Unternehmen Finanzierungspartner, die ein tiefes Verständnis der zugrunde liegenden Übergangstechnologien haben. Im CIB gilt: besser in einem Thema zum Experten werden, statt zu versuchen, alles abzudecken. Mögliche Schwerpunktbereiche sind etwa grüne Immobilien (inklusive Modernisierungen), die Transformation des Energiesektors, CO2-arme Mobilität oder der Umbau der Landwirtschaft.

4. Kombinierte Finanzierungen aus Förder- und Privatkrediten

Auf den Ebenen der Länder und Regionen gibt es eine Vielzahl an Förderprogrammen, doch diese sind für viele Unternehmen schwer zu handhaben. Banken können ihre Kunden dabei unterstützen, diese Programme bestmöglich zu nutzen, indem sie beraten oder entsprechende Förderungen in ihr Produktangebot integrieren. Die Programme können beispielsweise eine Aufstockungslogik beinhalten, bei der Bankfinanzierungen hinzugefügt werden, um das effektive Kreditvolumen zu erhöhen. Außerdem können Bankfinanzierungen Förderprogramme ergänzen, wenn diese nur bestimmte Teile eines Projekts abdecken.

5. Grüne Handels- und Lieferketten-Finanzierung

„Green Trade Finance“ von nachhaltigen Produkten kann insbesondere in Deutschland – als führende Exportnation, die in Teilbereichen auch über führende Green-Tech-Lösungen verfügt – ein wesentlicher Wachstumstreiber sein, gerade auch in der Außenhandelsfinanzierung durch Banken.

Darüber hinaus geht es hier um die Finanzierungsrolle der Banken entlang der Lieferkette. So haben führende Banken ihre Kunden (z.B. Retailer, OEMs etc.) dabei unterstützt, nachhaltige Programme zur Lieferkettenfinanzierung („Green Supply Chain Finance“) aufzusetzen, bei denen Zulieferer bessere Finanzierungskonditionen erhalten, sofern sie bestimmte Nachhaltigkeitsziele erreichen. Banken können solche Programme als Partner effektiv unterstützen und zugleich damit ihre nachhaltigen Finanzierungsvolumina systematisch ausbauen.

6. ESG-Platzierungsexpertise für Anleger

Derzeit sind weltweit etwa 35 Billionen US-Dollar in nachhaltigen Anlagen investiert, nach einem Wachstum von insgesamt 60% zwischen 2016 und 2020. Vor allem größere institutionelle Anleger wollen ihr Engagement in ESG-bezogenen Anlagen vertiefen und diversifizieren. So positionieren sich heute im internationalen Umfeld selektiv schon Banken mit ihren Originate-to-Distribute-Plattformen als zentrale Anlaufstelle („Hub“) für ESG-bezogene Anlagen.

7. Services für klimaneutrale Geschäftsreisen

Da bei vielen Unternehmen ein relevanter Teil der Emissionen auf Geschäftsreisen entfällt, sind für viele Unternehmen Kompensationsmöglichkeiten zur Verbesserung ihrer CO2-Bilanz von großer Bedeutung. Banken können Unternehmen durch die Integration von Zahlungen und Kompensationslösungen unterstützen. So bieten einzelne Fintechs oder Kreditkartenfirmen bereits Kreditkarten an, die automatisch CO2-Emissionen von Geschäftsreisen kompensieren.

8. ESG-App für den Mittelstand

Insbesondere auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) haben deutlichen Unterstützungsbedarf, um ihre ESG-Bilanz zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zu deren Verbesserung zu finden. Eine ESG-App kann eine skalierbare Lösung für die Bedienung des KMU-Segments darstellen: Sie kann automatisch Transaktions- und Zusatzdaten von KMUs analysieren, um die Transparenz der ESG-Bilanz zu erhöhen und ein Benchmarking zu ermöglichen.

So haben führende internationale Banken zum Beispiel eine Funktion zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks in ihre Multibanking-App integriert (einschließlich automatisierter Vorschläge für Verbesserungsinitiativen). Auf diese Weise erhöhen sie die Attraktivität ihrer Multibanking-App durch Zusatzservices, zugleich erleichtern sie das Cross-Selling von Nachhaltigkeitsfinanzierungen.

9. Kompensationen für CO2-Emissionen

Für CO2-Emissionen, die aktuell noch nicht reduziert werden können, bieten CO2-Kompensationszertifikate die Möglichkeit, diese Emissionen zu neutralisieren (etwa durch Aufforstungsprojekte). Banken können verschiedene Dienstleistungen entlang der Wertschöpfungskette anbieten, von der Finanzierung von Offset-Projekten über die Vermittlung (Bereitstellung von Plattformen, Market Making etc.) bis hin zur Nachfrage (Beratung zu Emissionsreduktionen, Aggregierung der Nachfragen von Firmenkunden nach CO2-Kompensationszertifikaten etc.).

10. ESG-nahe Dienstleistungen

Darüber hinaus können Banken weitere Zusatzdienstleistungen anbieten, um ihr Angebot zu ergänzen (zum Beispiel Unterstützung beim Abschluss grüner Strombezugsverträge). Einige Banken haben auch Netzwerke aufgebaut, um ihren Kunden technische E-Beratung zur Identifikation konkreter Verbesserungen zu vermitteln. Im internationalen Kontext wurden lokale grüne Marktplätze entwickelt, um Unternehmen, Startups, Investoren sowie Forschungsinstitute (und andere Interessierte) in Themen der Nachhaltigkeit besser zu vernetzen.

Fazit

Corporate- und Investmentbanken sind zentrale Akteure, um den Übergang zu einer Net-Zero-Welt zu finanzieren. Die zehn genannten Initiativen zeigen, dass das Thema ESG für Banken schon heute ein Wachstumsmarkt ist, den zu erschließen sich lohnt.


*Susanne Maurenbrecher ist Partnerin im Hamburger Büro von McKinsey, Marie Wahlers ist Beraterin im Frankfurter Büro von McKinsey, Markus Röhrig ist Partner im Münchener Büro. McKinsey gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.  

 

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