von Georgia Hädicke, 9. August 2023
So eine aufstrebende Bankmanagerin und so ein aufstrebender Fintech-Manager haben’s auch nicht leicht. Da führt man also ziemlich rasch sein eigenes Team. Steigt bald zum Abteilungsleiter auf. Und vielleicht hat man nach ein paar Jahren sogar einen ganzen Bereich unter seiner Fuchtel (wobei’s beim Fintech natürlich 1-2 Hierarchie-Ebenen weniger sind). Aber wie geht’s dann weiter? Und vor allem für wen?
Klar, die Basics müssen stimmen. Dass man seine Zielvorgaben erfüllt. Agil und digital ist (oder wenigstens so rüberkommt). Und mindestens mal so führungssicher, dass einem die Leute nicht in Scharen davonlaufen. Aber was braucht es noch? Also um es wirklich ganz nach oben zu schaffen, an die Spitze des Fintechs, in den Vorstand der Bank?
Genau das fragen wir im heutigen vierten Teil unserer Sommer-Serie zum Thema Leadership. Wobei wir die Frage natürlich nicht selber beantworten. Sondern weitergereicht haben an Leute, die sich tagtäglich genau mit solchen Themen beschäftigen. Nämlich an sieben „Executive Search“-Experten, die hierzulande Führungspositionen bei Finanzdienstleistern besetzen.
Konkret lautete die Bitte, uns auf maximal 2.000 Zeichen jene Eigenschaften zu erklären, die den künftigen Bankchef oder die künftige Fintech-Chefin auszeichnen.
Auf geht’s:
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„Die durchschnittliche Amtszeit von CEOs in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verkürzt und auch das Anforderungsprofil hat sich in einer hyperkomplexen Welt gewandelt. Eine klare Erfolgsbilanz und erworbene Kompetenzen sind wichtig, aber mehr denn je kommt es heute auf die Persönlichkeit, Identität, Ambition, Motivation – und vor allem auch auf das Potenzial an. Erfolgreiche CEOs sind dabei in erster Linie anpassungsfähig, reflektiert und nahbar: 1.) Anpassungsfähigkeit: Wer neugierig bleibt und kontinuierlich an sich und seiner Effektivität arbeitet, kann sich im Business rasch und entschieden adaptieren, Neuerungen authentisch lancieren, Kreativität im Unternehmen kultivieren und Chancen für das Unternehmen nutzen. 2.) Selbstreflexion: Wer ehrlich und offen mit sich selbst und anderen umgehen kann und die eigenen Grenzen reflektiert, kann mit Ressourcen haushalten, Diversität steigern, authentisch Klarheit schaffen und glaubwürdige Entscheidungen treffen, die von anderen mitgetragen werden. 3.) Nahbarkeit und Beziehungsfähigkeit: Wer Mitarbeitende fördert, die unternehmerisch denken und aufgrund ihrer Unabhängigkeit und Expertise Vertrauen verdienen und gleichzeitig eingestehen kann, fehlbar zu sein, schafft Nähe, Verbindung und kann mobilisieren. Voraussetzungen, die auch für den Aufbau unternehmensübergreifender Ökosysteme für Innovation unerlässlich sind. Folglich ist für uns elementar, die Essenz und das „Innenleben“ einer Führungspersönlichkeit zu verstehen und treffsicher einzuschätzen, welche persönlichen Treiber entscheidend beeinflussen werden, wer die Führungskraft in Zukunft sein kann. Das finden wir heraus, indem wir beispielweise intensiv hinterfragen, wie sie sich selbst sieht, was sie antreibt oder zurückhält, auch, wer sie noch nicht ist. Hierbei ist es ebenfalls das Ziel, CEOs dabei zu unterstützen, zu der besten Version ihrer selbst zu werden.“
Birgit Storz, Partnerin bei Egon Zehnder
„Der Weg zum CEO in der Finanzbranche war früher klar vorgezeichnet. Gerade in einer von Zahlen geprägten Branche galten Fachkompetenz, analytisches Denken, unternehmerisches Geschick und Durchsetzungsfähigkeit als zentrale Kriterien für den beruflichen Aufstieg. Hinzu kamen Eigenschaften wie Disziplin, Verlässlichkeit und Fleiß. Auch heute noch sind dies wichtige Voraussetzungen für außergewöhnliche Karrieren. Heute und in Zukunft kommt jedoch ein entscheidendes sozio-psychologisches Element hinzu. Wer Unternehmensziele erreichen will, muss zunächst die Mitarbeiter erreichen. Und die erwarten mitgenommen zu werden – gesehen, gehört, einbezogen und wertgeschätzt zu werden. Ein bloßer „Sende-Modus“ reicht dafür nicht. Emotionale Intelligenz (EQ) ist dafür der Schlüssel. Der US-Psychologe Daniel Goleman definierte bereits vor 30 Jahren EQ als ‚Fähigkeit, Emotionen zu erkennen und zu verstehen und dieses Bewusstsein zu nutzen, um das eigene Verhalten und die eigenen Beziehungen zu steuern‘. Topmanager müssen Gefühle nicht nur wahrnehmen, sondern mit ihnen auch professionell umgehen. EQ wird gerne weiblichen Führungskräften zugesprochen. Das ist jedoch zu kurz gesprungen und nach meiner Erfahrung eine geschlechtsunabhängige Fähigkeit. Besonders wichtig ist sie an der Spitze erfolgreicher Fintechs. In einem kleinen Team mit einer Vision, idealistischen Zielen und großem Zusammenhalt gestartet, stellt sich mit dem Erfolg und dem Wachstum eine ganz neue Situation ein. Regulatorik und Notwendigkeiten eines ‚ordentlichen Geschäftsbetriebs‘ lassen Leichtigkeit und Spaß nur zu oft in den Hintergrund treten. An dem Übergang vom visionären Startup zum reifen Unternehmen gehen viele kreative Köpfe verloren. Gerade dann braucht das Management EQ, um das Team zusammenzuhalten und erfolgreich in die nächste Phase zu führen. Ob Führungskräfte Emotionale Intelligenz besitzen, lässt sich im Übrigen in qualifizierten Interviews und mit modernen Diagnostik-Tools sehr gut erkennen.“
Manuela Klos, Partnerin bei Heidrick & Struggles
„Die eine Kernkompetenz für CEOs gibt es nicht – auch nicht in der Finanzbranche. Es ist die Kombination von Fähigkeiten, die eine oder einen starken CEO ausmacht. Allerdings zeichnet sich ein Merkmal ab, mit dem sich die Top-Leute hervorheben: Die Fähigkeit, Komplexität zu verstehen, zu managen und zu kommunizieren. Hört sich unspektakulär an, ist aber die ganz große Kunst. Banken sehen sich zunehmend mit gleichzeitig auftretenden Faktoren konfrontiert: ESG, Digitalisierung, Inflation, Rezession, Personalmangel auf allen Ebenen, notwendige Kulturveränderungen sowie Krieg, Risiken durch globale Lieferketten und Cyberkriminalität sind nur Beispiele dafür. Jede/r CEO muss mit dieser enorm gestiegenen Komplexität arbeiten. Also muss er diese unterschiedlichen Themen zuerst einmal selbst verstehen. Genau darin liegt die größte Hürde, denn das hat ihm keine Uni beigebracht. Aber nur wer die Komplexität versteht, hat eine Chance sie zu managen. Trotzdem wird niemand das allein leisten können. Hat sie/er das richtige Team um sich, so bleibt noch die Aufgabe, die Komplexität gut zu kommunizieren. Immer noch scheitern zu viele CEOs an dem, was sie als Kommunikation verstehen. Denn es geht nicht um die schöne Kunst der HV-Rede, sondern darum, die Mitmenschen jeden Tag zu erreichen, Informationen weiterzugeben, eigenes Handeln zu erläutern. Mitarbeitenden ernsthaft zuzuhören, ist nichts anderes als Teil der Komplexitäts-Kommunikation. Das gilt auch für den Umgang mit Kunden, Journalisten, NGOs, Politikern etc. Kein CV und kein psychologischer Test geben Aufschluss darüber, ob jemdand Komplexität verstehen, managen und kommunizieren kann. Das Einholen vieler Stimmen aus dem Umfeld kann helfen, sich ein möglichst umfassendes Bild zu machen. Vor allem müssen die Person und ihr Umfeld richtig gut zusammenpassen und zueinander finden. Die gute Integration wird daher immer wichtiger, um den CEO zum erfolgreichen Komplexitätsmanager werden zu lassen.“
Matthias Fritton, Berater bei Spencer Stuart
„Banken und FinTech-Unternehmen befinden sich aktuell in einem permanenten Transformationsprozess mit vielschichtigen Herausforderungen. Zu den wichtigsten Kompetenzen, die ein CEO benötigt, um Transformationen erfolgreich zu gestalten, gehört Mut. Mut bedeutet, entschlossen zu handeln und kalkulierte Risiken einzugehen, gleichzeitig aber auch verantwortungsbewusst und werteorientiert vorzugehen. Mutige CEO’s priorisieren mit Augenmaß, sind bereit, auch unbequeme Wege zu gehen und können nachhaltige Entscheidungen unter Unsicherheit treffen. Eine besondere Herausforderung für Finanzorganisationen liegt in der Gewinnung und Bindung von Führungskräften. Durch den Arbeitnehmermarkt sehen Unternehmen sich gezwungen, individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden mehr Raum als Organisations-Bedürfnissen zu geben. Dieser Druck wird sich weiter verstärken, da insbesondere der Finanzsektor sich mit einer Verschiebung von einer „Medium-skilled Workforce“ zu einer „High-skilled Workforce“ konfrontiert sieht. Aber kein Unternehmen kann sich nur mitarbeitergerecht organisieren. CEO’s benötigen daher die Fähigkeit und das Mindset, ihre Führungskräfte und Teammitglieder zu inspirieren und zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und sich weiterzuentwickeln. Dies fördert eine Kultur, in der sich Mitarbeitende mit den strategischen Zielen des Unternehmens identifizieren, sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen und so unternehmerische und individuelle Bedürfnisse ausbalanciert werden können. In beiden Fällen sprechen wir von überfachlichen Kompetenzen, die zunehmend verstärkt in den Vordergrund treten, die aber anhand des CV’s nur eingeschränkt evaluiert werden können. Sie zu beurteilen gelingt durch ein gezieltes Interview, das durch ein professionelles diagnostisches Verfahren ergänzt wird.“
Barbara Thiell, Executive Director und Partner bei Kienbaum
„Die werteorientierte Führung bezeichnet die Ausrichtung von Führungskräften an ethischen Grundprinzipien und langfristigen Zielen – und sie gewinnt in der Finanzbranche an Bedeutung. Denn in einer oft von negativen Schlagzeilen geprägten Branche ist Vertrauen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Werteorientierte Führung schafft dieses Vertrauen bei Kunden, Investoren und Mitarbeitenden. Sie verlangt von Führungskräften, ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Integrität, Verantwortungsbewusstsein und Nachhaltigkeit fördert. Dabei ist eine klare Wertekultur der Schlüssel für nachhaltigen Erfolg. Kern der dieser Art von Führung sind die persönlichen Werte der Führungskraft, sie bilden das Fundament ihrer Führungsprinzipien. Persönliche Werte sind laut Definition tief und dauerhaft im Menschen verankert, sie entstehen durch Charaktereigenschaften, Denkmuster, Glaubenssätze und die Erziehung, sie sind damit der individuelle Ausdruck der Wesensmerkmale einer jeden Führungskraft. Sie prägen aber nicht nur das Verhalten der Manager, sondern sind auch die Grundlage der Unternehmenskultur und haben maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung sowie das Verhalten gegenüber Kunden und Mitarbeitenden. Selbst auf das Risikomanagement haben sie einen Einfluss. Die Aufgabe des Personalberaters ist es dabei, die unterschiedlichen Werte eines Kandidaten oder einer Kandidatin zu begreifen und mit den benötigten Werten des Unternehmens zu matchen. Dabei geht es weniger um direkte Übereinstimmung, sondern viel mehr ums gemeinsame Erreichen von langfristigen Zielen – eine Führungskraft die etwa Wert auf Transparenz legt passt gut zu einem Unternehmen, welches aus schwierigem Fahrwasser kommt und wo es gilt etwaig verlorenes Vertrauen sowohl bei Kunden als auch bei Mitarbeitenden wieder zu gewinnen. Besonders gut lassen sich die persönlichen Werte im direkten, vertrauensvollen Gespräch mit dem Kandidaten oder der Kandidatin ergründen, etwa durch Fragen nach dem Umgang mit persönlichen Herausforderungen oder beruflichen Alltags- und Ausnahmesituationen.“
Elard Zühlke, Manager bei der Sparkassen-Personalberatung
„Unsere schnelllebige und komplexe Welt stellt Banken und Fintechs wie Führungskräfte aktuell vor immer neue Herausforderungen. Mature Leadership – also reife und erwachsene Führung – ist für mich die Antwort darauf. Veränderungen und Unsicherheiten, die durch technologischen Fortschritt, Globalisierung und Vernetzung stetig zunehmen, verlangen nach Führungskräften mit Weitsicht, Haltung und Lernbereitschaft. Um dem gerecht zu werden, benötigen sie Reife. Reife als Kompetenz hat dabei nichts mit der Anhäufung von Berufserfahrung oder Alter zu tun. Sondern damit, bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten zu entwickeln, die einen positiven Einfluss auf Beschäftigte, Organisation und Gesellschaft haben. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und voranzugehen, nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für andere. Letzteres scheint offensichtlich, geht Verantwortung doch mit einer Führungsrolle automatisch einher. Die Erfahrung zeigt aber: Viele scheuen sich davor, diese wirklich anzunehmen. Die volle Übernahme von Verantwortung ist jedoch essenziell, um andere dazu zu befähigen, selbst Verantwortung zu tragen. Gerade in Zeiten zunehmender Unsicherheit und Komplexität der Märkte ist es relevant, Verantwortung an Teams zu übergeben und Agilität, nicht Kontrolle, zu fördern. Langfristiger Erfolg und Zukunftsfähigkeit hängen daher davon ab, dass Teamplayer, statt egozentrische Persönlichkeiten, an der Spitze agieren. Das erfordert Reife. Führungspersönlichkeiten mit dieser Kompetenz zeichnen sich unter anderem durch ein hohes Maß an Selbstreflexion, Authentizität und Entwicklungsbereitschaft aus. Sie übernehmen zudem Verantwortung für das Wir und nicht nur das Ich. Das ist zentral: Denn ego-orientiertes Handeln schadet am Ende Teams, Organisationen, ja unserer Gesellschaft. Wie ‚reif‘ eine Kandidatin oder ein Kandidat ist, lässt sich daher auch nicht am Lebenslauf ablesen, sondern muss in Gesprächen – am besten in verschiedenen Settings – ergründet werden.“
Constanze Buchheim, Managing Partnerin bei i-potentials*
„Die Finanzbranche muss zukünftig auf immer schnellere Veränderungen reagieren und CEOs benötigen daher sogenannte dynamische Kontextkompetenz, damit sie in diesem Umfeld erfolgreich ein Leitbild für ihr Unternehmen entwerfen und ihre Organisationen sicher in die Zukunft führen können. In der Finanzbranche basieren Zukunftsprognosen meist auf einer linearen Fortsetzung der Gegenwart. Die Entwicklung der Finanzbranche ist jedoch nicht mehr linear, sondern wird mehr von exponentiellen Veränderungen geprägt: Klima, Demografie und Künstliche Intelligenz. Der Klimawandel wird erhebliche Auswirkungen auf Märkte, Handelsströme und Risikoprofile haben und einen veränderten Umgang mit Ressourcen erzwingen. Zukünftige Generationen fordern ein Umdenken in Bezug auf Arbeitsumgebungen, Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance. Künstliche Intelligenz ermöglicht innovative Antworten auf die Herausforderungen in den Bereichen Klima und Demografie. Die Herausforderung für CEOs besteht darin, die Wechselwirkungen dieser Entwicklungen in ihrer Planung zu berücksichtigen. Dafür ist dynamische Kontextkompetenz entscheidend. Die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erkennen, zu verstehen und effektiv darauf zu reagieren, sowie das Verständnis für das größere Bild und die Interdependenzen zwischen verschiedenen Elementen, sind unerlässlich. Kontextkompetenz lässt sich unserer Erfahrung nach bereits im Dialog gut beobachten. Wer sie hat, wird in der Regel über die Analyse und Bewertung verschiedener aktueller Faktoren und weniger auf Basis historischer Erfahrungen argumentieren. Weil diese Personen die einzelnen Variablen bewerten, die eine Situation beeinflussen, sind sie meist dynamischer und anpassungsfähiger, was sich auch in der Rückbetrachtung ihres Handelns nachvollziehen lässt. Noch eindeutiger lässt sich diese Kompetenz in gut geplanten Assessments bewerten, die aufbauend auf einer Kontextanalyse Diagnostik, Simulationen und Interviews kombinieren.“
Dwight Cribb, geschäftsführender Partner der Dwight Cribb Personalberatung
*Transparenzhinweis: Unsere Redakteurin Georgia Hädicke war früher für i-potentials tätig.
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