von Oliver Schwarz, 14. Juni 2022
Smartphones sind aus dem Alltag in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Fast 89% der Menschen hierzulande nutzen sie – installieren Apps, surfen im Internet und erledigen viele ihrer Alltagsaufgaben ganz bequem und mobil. Mit nur wenigen Taps auf dem Display lassen sich eine Vielzahl von Services nutzen. Das reicht von der Taxi-Bestellung, über das Freischalten des E-Scooters bis hin zur ärztlichen Konsultation per App. Alles folgt dem Grundsatz: Customer First. Diesen Komfort ihres digitalen Alltags erwarten viele Menschen jedoch auch dann, wenn es um ihr Geld geht. Die Pandemie hat entscheidend dazu beigetragen, dass viele Menschen digitale Bankgeschäfte für sich entdeckt haben.
In einer Studie des Hightech-Branchenverbands Bitkom gaben zuletzt bereits 80% der Befragten hierzulande an, Online-Banking zu nutzen – rund zwei Drittel von ihnen greifen dabei auch zum Smartphone, um Finanzdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. In der Gruppe der 16- bis 29-Jährigen ist der Anteil mit 76% sogar nochmals deutlich höher. Für die Zukunft der Filialen hat das Folgen. Jede dritte Person (38%), die Online-Banking nutzt, hat inzwischen überhaupt keinen Kontakt mehr zu den Beschäftigten einer Filiale. Bei der Auswahl der jeweiligen Bank ist dann auch die benutzerfreundliche Gestaltung der App aus Sicht der Befragten weitaus wichtiger als die persönliche Beratung oder die regionale Nähe des Geldhauses. Mit der digitalen Customer Experience entscheidet sich daher, ob es Banken gelingt, sich erfolgreich im New Normal zu positionieren.
Ein Blick auf den Payment-Bereich macht diese Entwicklung mit ihren Herausforderungen und Chancen sehr deutlich. Das Beratungsunternehmen PwC sagt voraus, dass die Zahl bargeldloser Transaktionen in Europa zwischen 2020 und 2025 um fast 64% zulegen wird. Doch mit der gleichzeitigen Zunahme des E-Commerce sind es vor allem junge, datengetrieben Unternehmen, die als Payment-Provider von dieser Entwicklung profitieren. Die mögliche Einführung des digitalen Euro schwächt die Rolle der Geschäftsbanken im Payment wahrscheinlich zusätzlich. Womit die digitalen New Kids on the Block überzeugen, ist eine tiefe Integration in den Alltag der Kund*innen, eine hohe Verständlichkeit der angebotenen Services, eine einfache Bedienbarkeit. Kurzum: Sie bieten eine gelungene Customer Experience. Im Gegenzug haben sie die Chance, von einer Vielzahl von Daten zu profitieren, um mit deren Hilfe das eigene Geschäftsmodell konsequent weiterzuentwickeln. PwC geht davon aus, dass nützliche Konsumentendaten der Banken bis 2025 zu 90% aus dem Payment-Segment stammen. 86% der Befragten wiederum geben an, dass traditionelle Payment-Provider mehr mit Fintechs und Technologie-Providern zusammenarbeiten, um Innovationen voranzubringen.
Banken und andere klassische Akteure der Finanzindustrie müssen daher selbst einen neuen Umgang mit den Daten ihrer Kund*innen erlernen. Ein holistischer Blick ist gefragt, bei dem die Banken über alle Kanäle hinweg lernen, Daten zu managen und die richtigen Schlussfolgerungen aus diesen Daten zu ziehen. Die Zahl der Kanäle, über die Kund*innen mit einer Bank interagieren wollen, ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen – und sie wird weiter steigen. Ganz gleich, ob Kund*innen sich per App, Hotline, über die Online-Seite im Browser oder einen Messenger-Chat mit der Bank austauschen, sie stellen stets dieselben hohen Erwartungen an eine nahtlose Customer Experience. Dafür muss die Bank jedoch die Informationen über all diese Kanäle zugänglich machen und bereitstellen können.
Kund*innen beginnen ihre Anfrage womöglich mit einem kurzen Chat mit einer KI im Messenger, lassen sich Anfragen daraufhin nicht per Selfservice lösen, übernehmen die menschlichen Berater*innen, die durch die Leistung des Daten-Managements im Hintergrund jedoch bereits sämtliche Informationen zur Verfügung gestellt bekommen haben. Neben der Customer Experience macht auch das Thema Green Finance den Umgang mit immer komplexeren Daten notwendig – sowohl, um Kundenanforderungen an die Transparenz zum tatsächlichen Impact des Investments zu gewährleisten, als auch um gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich nachkommen zu können.
Was außerdem wichtig ist: das Design. Gestaltungsfragen sind bei digitalen Angeboten nicht das Sahnehäubchen, sondern von wesentlicher Natur. Indem Banken und andere Finanzdienstleister sich intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie Menschen mit den verschiedenen digitalen Angeboten interagieren, rücken sie die Nutzer*innen konsequent ins Zentrum. In der Folge profitieren sie davon, dass Kund*innen durchaus auch bereit sind, mehr Daten preiszugeben, wenn die Customer Experience stimmt.
Die dritte Dimension bei der Customer Experience ist die Verfügbarkeit der jeweiligen Angebote – oder vielmehr deren Sichtbarkeit. Konkret bedeutet das: Aus Sicht der Kund*innen ist Banking immer ein Service, der mit irgendwas anderem in Verbindung steht. Mal geht es darum, Konsumgüter zu finanzieren, mal geht es um reguläre Zahlungen im E-Commerce, um das Begleichen von Rechnungen im B2B-Segment oder um den Handel mit Finanzinstrumenten aller Art. Kund*innen öffnen eben nicht die Online-Seite ihrer Bank, um sich zu überlegen, was sie mal an Banking-Services nutzen könnten, sondern haben einen Bedarf an Bankdienstleistungen, weil sie die Angebote Dritter nutzen wollen.
Mastercard beispielsweise setzt mit seiner Digital-Transaction-Insights-Lösung im Online-Shopping genau da an. Der Zahlungsdienstleister verbindet dafür in Echtzeit die Informationen aus seinem eigenen Netzwerk mit Daten des jeweiligen angeschlossenen Händlers, um Kund*innen zu identifizieren und Autorisierungprozesse zu beschleunigen. Auf diese Weise ermöglicht Mastercard schnelle Zahlungsprozesse beim Einkaufen im Netz, verhindert Betrug und stärkt die Customer Experience der Kund*innen. Die Bank und ihre Services müssen also dort sein, wo die Kund*innen sind – somit immer häufiger tief integriert in umfassendere digitale Ökosysteme. Indem Banken Banking-as-a-Service per API für andere Unternehmen anbieten, können sie sich weitere Ertragsquellen erschließen. Und nicht nur bei einem solchen Embedded Finance machen sich Kreditinstitute beispielsweise bei Fragen des Designs oder der Usability einer App die Fähigkeiten innovativer Start-ups zu eigen und können Kund*innen im Ergebnis eine umfassende Customer Experience bieten.
* Oliver Schwarz ist Senior Industry Executive Banking bei der Microsoft Deutschland GmbH. Microsoft gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.
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