von Bernd Neubacher, 9. September 2024
Nehmen wir LEA Partners. Muss man vielleicht nicht unbedingt kennen. Wer allerdings mit Kredit-Software zu tun hat – der dürfte den Namen zumindest schon mal gehört haben. Also: LEA Partners ist ein deutscher Finanzinvestor, der in den vergangenen Jahren ein stattliches Portfolio an bankennahen IT-Dienstleistern zusammengekauft und diese dann unter dem Dach einer Holding namens „Finnofleet“ zusammengefügt hat. Klassisches „Buy and Build“, wenn man so will. Mit dem Ergebnis, dass vor den Toren Frankfurts (genauer: in Mörfelden-Walldorf, also am anderen Ende des Flughafens) neuerdings eine Banken-IT-Holding sitzt, die es mit fünf Portfoliofirmen, zehn Standorten und alles in allem mehr als 350 Mitarbeitern locker aufnehmen kann mit den großen Berliner B2B-Fintechs. Nun wissen diejenigen Leser, die schon brav den ersten Teil unseres „Deep Dives“ gelesen haben, natürlich bereits grob Bescheid über LEA Partners. Schließlich zeichnet der Private-Equity-Spezialist gleich für mehrere der von uns aufgelisteten 35 Übernahmen im IT-Umfeld unserer Banken seit 2021 verantwortlich.
Die Sache ist aber: LEA Partner ist nicht der einzige Name, der in der Übersicht gleich mehrmals auftaucht. Das Gleiche gilt für weitere Finanzinvestoren wie Main Capital, Pollen Street, Anacap oder Alpina Partners. Was die Frage aufwirft, ob die von uns diagnostizierte M&A-Welle am Ende also schlicht eine PE-Veranstaltung ist. Antwort: Ja – und nein. Oder genauer: Ja – aber nicht nur! Denn auch andere klare Muster schälen sich heraus, etwa, dass aus anderen Zusammenhängen bekannte Namen wie KPMG oder Ernst & Young ebenfalls auffallend aktiv nach hiesigen Banken-IT-Mittelständlern greifen.
Bohren wir im zweiten Teil unseres Deep Dives also richtig hinein: Wer sind die Treiber des M&A-Booms? Was haben die anvisierten Unternehmen gemein, welche Strategien verfolgen die Käufer? Schließlich: Was macht die Konsolidierung mit dem Markt? Wird es die hierzulande lange Zeit typischen kleinen IT-Spezialisten in Zukunft überhaupt noch geben? Und last but not least: Was heißt das alles für Banken und Sparkassen?
Bitte sehr:
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Die übernommenen Unternehmen weisen oft diese Eigenschaften auf:
Die Tätigkeitsfelder reichen von „SaaS“-Diensten für Wealth-Manager (Finasoft) bis zu Software-Lösungen für die Firmenkundensparten klassischer Banken (Eudemonia Solutions). Dabei lassen sich vier Schwerpunkte erkennen:
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Die Käufer im Markt lassen sich unterdessen in drei Gruppen einteilen:
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Die Bedingungen für Zukäufe haben sich mit der Zinswende eingetrübt – bleiben aber insofern günstig, als der IT-Service-Markt stetig wächst. Zwar liegen keine unabhängigen Marktdaten bezogen rein auf den Bankensektor (oder die „Financial Services“-Industrie insgesamt) vor. Laut Destatis-Daten allerdings hat sich der industrienübergreifende Umsatz mit IT-Dienstleistungen hierzulande zwischen 2012 und 2022 auf 191 Mrd. Euro beinahe verdoppelt (die Zahl der Beschäftigten stieg derweil über 900.000). Bei der Umsatzzahl handelt es sich um die Summe aus Programmierung (93,4 Mrd. Euro), Beratung (54,0 Mrd.), Betrieb für Dritte (11,3 Mrd.) und sonstige Dienste (32,1 Mrd.).
Aktuellere Zahlen gibt es vom Bitkom. Der Branchenverband kommt für 2023 bezogen rein auf den Service-Markt (also ohne Software- und Hardware-Aufwendungen) auf 49,3 Mrd. Euro Umsatz, auf Sicht von fünf Jahren ist dies ein Zuwachs von 24%. Rund ein Fünftel davon entfiel dabei in den Jahren 2020 bis 2023 jeweils auf den Finanzsektor, wie das Beratungshaus Lünendonk erhoben hat.
Hinweise auf die Ertragskraft gibt beispielsweise die börsennotierte GFT Technologies (deren größte Kundengruppe Finanzdienstleister sind). Setzt man deren Konzernumsatz 2023 ins Verhältnis zum Ebitda, ergibt sich eine Spanne von gut 11% Wettbewerber dürften auf ähnliche Niveaus kommen, heißt es im Markt. Grundsätzlich gilt dabei das reine Infrastruktur-Geschäft für Banken mit Margen um 10% als weniger lukrativ. In der Beratung dagegen liege die Spanne bei eher 15% liegt und reiche im Extremfall bis zu 40%, sagen Marktkenner. Ebenfalls margenstark seien aktuell sämtliche Dienstleistungen, die Banken dabei helfen, ihre Aktivitäten aus einer klassischen IT-Plattform herauszulösen und in eine Cloud zu bringen.
Was die Kaufpreise bei Übernahmen angeht, geben sich die beteiligten Unternehmen meist wortkarg. Allerdings findet sich dank der Börsennotierung von GFT auch hier eine Ausnahme. So fand sich im H1/23-Abschluss des Stuttgarter IT-Dienstleisters der Hinweis, dass für die Übernahme von Targens (also der vormaligen Software-Tochter der LBBW) ein Kaufpreis von exakt 54,28 Mio. Euro entrichtet wurde. Dabei entfielen rund zwei Drittel auf den Firmenwert, ein Drittel auf Kundenbeziehungen, Software und Markenrechte. Sehr grob kalkuliert kassierte die LBBW damit für jede Million Umsatz rund 1,30 Mio. Euro Kaufpreis (die ausführliche Rechnung finden Sie in unserem "Banken-IT"-Ticker aus dem November 2023).
Die sehr aktive Rolle von Private Equity bei der IT-Service-Konsolidierung in der deutschen Bankenbranche hatten wir weiter oben ja schon angedeutet. Tatsächlich lassen Marktkenner durchblicken, dass Finanzinvestoren auch mal ein höheres Premium als strategische Interessenten zahlen. So sagte uns der GFT-Manager Jens-Thorsten Rauer vor einiger Zeit: "Wenn wir bei einem Deal nicht zum Zuge kommen, dann meist wegen des Preises, nicht wegen Sympathie oder des strategischen Fits."
Die bevorzugte Private-Equity-Strategie scheint dabei "Buy-and-build" zu sein, die Finanzinvestoren kaufen also mehrere kleinere Anbieter und schließen diese dann auf die ein oder andere Weise zusammen mit Ziel, entsprechende Ertrags- und Kostensynergien zu heben. Im Gespräch mit Finanz-Szene macht ein Private-Equity-Manager mit Blick auf die kleineren IT-Häuser diese Rechnung auf:
Dabei kommt es durchaus vor, dass auch Assets von einem PE-Spezialisten zum nächsten wandern. So erwarb Main Capital im Jahr 2018 den Münchner Regtech-Spezialisten Cleversoft – und reichte diesen im Juni vergangenen Jahres an Levine Leichtman Capital Partners (LLCP) weiter. Wie es aussieht, führt die Beteiligungsgesellschaft aus Kalifornien den ursprünglich von Main Capital eingeleiteten "Buy-and-build"-Kurs jetzt fort. Dafür zumindest spricht die Übernahme des kleineren, ebenfalls in München ansässigen Konkurrenten Tetralog in diesem Mai.
Für Christian Hank, Geschäftsführer der vom Finanzinvestor Alpina Partners jüngst zusammengefügten Finaplus, wird die Welle der Konsolidierung jedenfalls noch eine ganze Weile andauern. Private Equity habe "einen guten Riecher für Märkte, in denen eine Konsolidierung möglich" sei, sagt der Manager. Fest steht: Die Beteiligungsgesellschaften sind nicht nur auf den schnellen Euro aus, sie können auch einen langen Atem haben. So bastelten die Karlsruher Finanzinvestoren von LEA Partners nach Übernahme von Engram, eines Bremer Anbieters von Vertriebs-Software, vier Jahre lang an ihrem Konglomerat: Nach den Zukäufen von b+m Informatik, Subito sowie Pro-Direct-Finance in Deutschland (sowie eines Kreditmanagement- und eines Baufi-Spezialisten in der Schweiz) brachte die Beteiligungsgesellschaft im vergangenen Jahr die Finnofleet GmbH an den Staat, die eigenen Angaben zufolge gut 350 Beschäftigte und über 400 Kunden aus der Finanzdienstleistungsbranche zählt.
Und: Ungeachtet hoher Einsätze kann sich die Spekulation auf einen lukrativen Exit lohnen. Dies hat Warburg Pincus im Falle des auch hierzulande (Stichwort: Apobank) ambitionierten Schweizer Bankensoftware-Spezialistenb Avaloq demonstriert. Als die Beteiligungsgesellschaft im Jahr 2017 einstieg, wurde Avaloq mit 812 Mio. Dollar bewertet. Beim Exit drei Jahre später waren es umgerechnet 2,24 Mrd. Dollar.
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Den Run auf mittelständische IT-Häuser befeuern dabei fünf Faktoren:
Hinzu kommt ein weiterer Trend ...
Modernisierung und Digitalisierung sind teuer, unter anderem in den folgenden drei Bereichen:
Kaum eine deutsche Bank hat die Kapazitäten, die entsprechenden Projekte komplett selbst umzusetzen – zumal Fehlschläge extrem hohe Kosten verursachen, siehe das Beispiel der Apobank (siehe dazu -> "Chronik eines „Projekts“: Wie die Apobank ins Chaos stürzte"). Entsprechend hoch im Kurs stehen Dienstleister, die operative Stabilität versprechen und nicht nur die Konzeption, sondern gleich die Umsetzung übernehmen und bestenfalls auch noch die Risiken absichern. Die Folge: Größere Projektvolumina gehen an weniger Dienstleister.
Beispielhaft zeigt sich das bei cloud-basierten ERP-Systemen. Hier verspricht ein Dickschiff wie SAP den Banken, ihre stetig steigenden Datenmengen mithilfe der "S/4 HANA"-Software künftig in Echtzeit verarbeiten und analysieren zu können. Um solche Systeme zu implementieren, brauchen die Banken aber wiederum Dienstleister, die sich mit der SAP-Einführung bzw. -Anwendung auskennen. Das erklärt, warum gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren stark konsolidiert wurde (wobei übrigens Private Equity bei SAP-Spezialisten auffällig zurückhaltend ist).
"Big is beautiful" gilt auch bei IT-Consulting-Riesen wie Accenture. Deren Kalkül: Sie wollen Banken neben der strategischen Beratung auch gleich die Umsetzung eines entsprechenden Projekts anbieten. Auch klassische Prüfgesellschaften (die mittlerweile große Teile ihres Umsatzes mit Beratung erwirtschaften) folgen dieser Lösung. So übernahmen Ernst & Young im Dezember 2022 den Compliance-Spezialisten IFB aus Grünwald bei München, bald darauf schnappte sich KPMG das auf SAP-Dienstleistungen für Banken spezialisierte Dresdner IT-Haus Quadrio. Der Trend geht zu mehr Größe. Und entsprechend zu mehr Konzentration.
Eine Rolle spielt auch: Ebenso wie Banken und Sparkassen ächzen auch ihre Zulieferer unter den steigenden aufsichtlichen Mindestanforderungen – und auch hier sind es logischerweise die kleinen Player, die proportional am stärksten belastet werden. Projekte wie DORA (also der neue Digital Operational Resilience Act der EU) erfordern bei IT-Dienstleister "hohe Investitionen, bei denen kleinere Anbieter Probleme haben, diese zu tätigen", sagt Lünendonk-Partner Mario Zillmann. Auch dies befördert den Trend zu Größe und Konsolidierung.
Wenn Banken verstärkt auf eine kleine Zahl großer IT-Dienstleister setzen – dann werden sie damit leben müssen, dass ihr Spielraum bei Preisverhandlungen enger wird. Auch weitere Faktoren sprechen für künftige höhere Preise, etwa die (zumindest in den vergangenen beiden Jahren) starke Inflation oder auch der schon erwähnte Fachkräftemangel.
Andererseits: Nicht nur die durchschnittliche Größe der IT-Dienstleister nimmt zu – sondern auch die diese Dienste beanspruchenden Banken werden immer größer. Zudem professionalisiert die Kreditwirtschaft (unter anderem dank neuer digitaler Tools) ihr Einkaufsverhalten. So hört man auch Schilderungen aus dem Markt, wonach zumindest die Preise für manche "No frills"-Dienste zuletzt angeblich sogar gesunken sind.
Noch gilt der Service-Markt aus Bankensicht als hinreichend fragmentiert, auch weil im Zuge der Fintech-Revolution ganz neue Player auf den Markt gekommen sind, die sich gegen die etablierten Player positionieren – auch mittels Preiswettbewerb. Was allerdings die ganz großen IT-Projekte angeht, dürften die Kosten in vielen Fällen eher steigen als sinken. Zumal, wenn es um Regulierungsthemen geht. Denn an der Regulierung zu sparen, das wird hintenraus oft teuer.
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