von Christian Kirchner, 6. November 2020
Wie läuft’s bei Deutschlands größter Direktbank, der ING Diba (wir korrigieren: ING Deutschland)? Die wichtigsten Zahlen zum dritten Quartal hatten wir Ihnen gestern Früh ja bereits präsentiert. Hier noch nachgeschoben eine kleine Analyse:
Huch, hätten Sie das gedacht? Bei der ING Deutschland ist die Zahlen der Vollzeitstellen binnen zwölf Monaten um 14% gewachsen, und zwar gleichermaßen in der Retail-Sparte und im Firmenkundengeschäft (das die ING abgehobenerweise “Wholesale Banking” nennt) genannt. Erstaunlich in einem Umfeld, in dem (siehe auch die jüngste Helaba-Zahlen zum Frankfurter Banken-Jobmarkt) rechts und links der Headcount sinkt oder sinken wird.
Nun muss man hinzufügen: Die niederländische ING (wie gesagt: diese und die folgenden Zahlen beziehen sich zwar auf Deutschland, entstammen aber dem Reporting der Mutter) ermittelt die Zahl der Stellen ein bisschen anders, als es die hiesige Tochter in ihren eigenen Bilanzen tut. Auch das Österreich-Geschäft ist mit drin. Indes: Ein “Plus” ist auch in Amsterdam ein “Plus” …
… und was vor allem auffällt: Im “Wholesale Banking” kam das Wachstum im Q3 zum Stillstand, im Retail-Geschäft (+191 Stellen) ging es dagegen unvermittelt weiter. Woher entstehen also die neuen Stellen?
Die Geschichte vom lange Zeit exorbitanten Wachstum der Wholesale-Banking-Sparte haben wir ja verschiedentlich erzählt (etwa hier). Allein zwischen Anfang 2017 und Anfang 2019 stieg das Volumen ausgereichter Kredite um mehr als 50%.
Jetzt fällt aber Folgendes aus: Der Höhepunkt des Volumens wurde offenbar schon im Q2/2019 erreicht. Es betrug seinerzeit 35,9 Mrd. Euro. Seitdem? Tickt es runter. Und das in einem wohlgemerkt wachsenden Markt, denn deutschlandweit über alle Banken hinweg steigt das Volumen um rund 4% bis 5% pro Jahr.
Die ING steht im Firmenkundengeschäft also auf der Bremse, ähnlich wie (siehe unsere Blitz-Analyse von heute Morgen) die Commerzbank. Je mehr Corona, desto selektiver die Kreditvergabe, so scheint’s. Auf Anfrage heißt es bei der deutschen ING, man habe schon im Frühjahr bekannt gegeben, sich auf das Geschäft mit akzeptablem Risiko-Ertragsprofil konzentrieren zu wollen. “Hinzu kommt, dass im Zusammenhang mit der globalen Corona-Pandemie die weltweite Investitionsbereitschaft und dementsprechend auch die Kreditnachfrage nachgelassen hat”, so ein Sprecher. Da in Frankfurt verschiedene globale Kompetenzzentren für das Unternehmenskundengeschäft angesiedelt seien, spiegele sich diese zurückhaltende globale Investitionsbereitschaft wiederum in den Volumina wider.
Wie viel Gewinn vor Steuern hat die Wholesale-Banking-Sparte erwirtschaftet? Im Q3 waren es 106 Mio. Euro. Das ist immer noch imposant, zumal gemessen am überschaubaren “Headcount” von 429 Vollzeitstellen. Aber mal zur Einordnung: Im ersten Quartal 2019 waren es auch schon mal 141 Mio. Euro bzw. 41% des Rohgewinns in Deutschland. Hier stehen die Zeichen also augenscheinlich eher nicht mehr auf Wachstum (das miserable Ergebnis im Q2 2020 ist übrigens auf den unglückseligen Wirecard-Kredit zurückzuführen).
Ist das alles ein bisserl arg defensiv? Mag sein. Andererseits: Wie die gestern vorgelegten Zahlen auch zeigen, hat die deutsche ING im dritten Quartal praktisch keine Risikovorsorge bilden müssen. Vielleicht dann doch viel richtig gemacht.
Kleiner Blick zurück:
Noch Fragen?
Die Kunden hören einfach nicht auf, ihre Einlagen zur ING Diba zu tragen – die aber weiß (siehe die zweite Diagnose) nicht mehr, was sie damit tun soll.