von Livia Benisty, 6. Oktober 2021
Von Livia Benisty*
Oftmals wird die Einhaltung von Compliance-Vorschriften eher als Belastung denn als geschäftlicher Vorteil gesehen, mit dem sich die Effizienz erheblich steigern lässt. Herkömmliche regelbasierte Prozesse erfassen nur ein Element einer Transaktion, was zu Falsch-Positiv-Raten von 97-99% führt. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) hingegen verbessern die Einhaltung der Regeln, die in traditionell automatisierten Geldwäschebekämpfungs-Prozessen verwendet werden. Darüber hinaus liefert dieser Ansatz eine Reihe von Indikatoren, die potenzielle Risiken aufzeigen. Dies verringert die Zahl der Fehlalarme, reduziert den Arbeitsaufwand, steigert die Effizienz und setzt Ressourcen frei, um sich auf andere Bereiche zu konzentrieren, wie beispielsweise die Kundenbeziehungen.
Im letzten Jahr hat sich die Digitalisierung im Finanzwesen erheblich beschleunigt. Die regulatorischen Auflagen und die Bankprozesse konnten damit allerdings nur schwer mithalten. Das führte zu einem raschen Anstieg der Fälle von Strafen für Geldwäsche. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 wurden weltweit Bußgelder in Höhe von mehr als 700 Mio. US-Dollar verhängt – nach 444 Mio. US-Dollar ein Jahr zuvor (Quelle: Financial Times, Paywall).
Im Verhältnis zu den Brancheneinnahmen sind die Geldbußen zwar eher gering, doch der Schaden im Hinblick auf das Vertrauen der Kunden und die Unterbrechung der Geschäftsprozesse ist beträchtlich. Um diesen Schaden zu begrenzen, geben Banken jedes Jahr durchschnittlich 48 Mio. US-Dollar für Know Your Customer (KYC)-Prozesse und zur Bekämpfung der Geldwäsche aus. So investieren US-Banken jährlich mehr als 25 Mrd. US-Dollar (Quelle: KPMG), um die Einhaltung von Geldwäsche-Compliance sicherzustellen. Diese hohen Ausgaben könnten erklären, warum Finanzinstitute ihre Strategien zur Verringerung des Gesamtrisikos konsolidieren – und damit bestimmte Sektoren und Gemeinschaften ausschließen.
Viele Finanzinstitute führen KI-basierte Ansätze ein, um den Anstieg von Geldwäsche zu bekämpfen. Das geht jedoch mit einer Reihe von Herausforderungen einher. Interviews mit 300 Entscheidungsträgern in europäischen Banken zeigen, dass die Implementierung von KI bisher sehr uneinheitlich ist und die Geschäftsziele gefährden könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass die IT-Budgets immer knapper werden.
Trotzdem sind die Befragten der Meinung, dass KI und ML im Kampf gegen Geldwäsche in der digitalen Zukunft unverzichtbar sind. Die Umfrageteilnehmer stellen sich dabei eine Zukunft vor, in der Software-Roboter automatisch maschinelle Lerntechniken auf Daten anwenden, die über die gesamte Transaktionskette hinweg gesammelt werden – und nicht nur auf ausgewählte Teile des Prozesses, so wie es derzeit noch der Fall ist.
Die Finanzdienstleistungs-Branche befindet sich in einer der größten Umbruchphasen ihrer Geschichte. Geschäftsmodelle, die vorrangig über Filialnetze abgewickelt wurden, verschwinden und werden durch digitale Lösungen ersetzt. Das Potenzial dieser neuen Welt ist bekannt: Sie kann personalisierte Dienstleistungen für Kunden, schnellere Reaktionszeiten und Zahlungen in Echtzeit bieten – und das rund um die Uhr. Doch die Kluft zwischen digitalen Lösungen, alter IT und Kunden wird stetig größer und bietet Kriminellen viele Möglichkeiten, diese auszunutzen.
Die Einführung neuer Ansätze für die Geldwäsche-Bekämpfung inmitten der umfassenden Revolution im Bankwesen ist nicht einfach. Veraltete Technologien, sinkende IT-Budgets und eine schlechte Datenqualität halten traditionelle Banken von der Einführung neuer, digitaler Ansätze ab. Unternehmen sind nur dann in der Lage, ihre betriebliche Effizienz voll auszuschöpfen, wenn sie gesamtheitlich denken. Sie müssen damit beginnen, die Rolle der Geldwäsche-Bekämpfung und der Compliance im Rahmen der digitalen Transformation ganzheitlich zu betrachten.
Im Kampf gegen Geldwäsche sind Kooperationen der Schlüssel zum Erfolg. Finanzdienstleister müssen sowohl nationale als auch internationale Zusammenarbeiten in Erwägung ziehen, um mit gemeinsamen Ansätzen gegen immer raffiniertere, internationale kriminelle Organisationen vorzugehen.
In den Niederlanden haben sich beispielsweise fünf Banken zusammengeschlossen, auf die 90% der dort ausgeführten Zahlungen entfallen, um eine Anti-Geldwäsche-Lösung zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit Deloitte gründeten sie ein Joint Venture, mit dem sie in der Lage sind, ihre Transaktionsdaten zu bündeln und eine umfassende Analyse durchzuführen. Gemeinsam können sie Muster und Ausnahmen erkennen, die auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung hindeuten.
Diese Zusammenführung der Daten ist ein wesentliches Element erfolgreicher KI und ML. Sie setzt jedoch voraus, dass die Daten korrekt und gut gekennzeichnet sind sowie aus zuverlässigen Quellen stammen. Gleichzeitig müssen die Daten richtig verwaltet und interpretiert werden. Fast jeder vierte Befragte (24%) gibt an, dass eine schlechte Datenqualität das Hauptproblem für den Misserfolg der IT-Strategie darstellt. Die Umfrageteilnehmer schätzen, dass bis zu 15% der Echtzeit-Transaktionen aufgrund schlechter Daten über Empfänger oder Initiatoren von Transaktionen blockiert werden.
Damit Geldwäschebekämpfungs-Prozesse effizient und effektiv sind, bedarf es einer deutlich besseren Datenqualität. Die branchenübergreifende Zusammenarbeit ist der optimale Weg, um diesen Wandel herbeizuführen.
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