von Michael Zwergel*, 14. November 2022
Die Stimmung am Kreditmarkt ist derzeit mehr als nur eingetrübt. Eine wahre Flut von Einflussfaktoren vermiest die Stimmung in den Kreditabteilungen vieler Banken. Dazu gehören: Energiekrise, Inflation, Probleme in den Lieferketten, Krieg, Demografie und die aufwändige grüne Transformation. All diese Faktoren werden bald Auswirkungen haben. Kreditkosten werden steigen, was zu einer Abflachung der Kreditnachfrage führt, sowohl im gewerblichen als auch im privaten Kreditgeschäft.
Konkret lässt sich bereits jetzt im privaten Sektor ein Rückgang der Nachfrage nach Baufinanzierungen feststellen. So ist laut Zahlen der Deutschen Bundesbank das Neugeschäft im September 2022 um rund 50% eingebrochen, verglichen mit dem Boom-Monat März.
Zugleich gibt es allerdings auch Anlass zur Zuversicht. Das ureigene Geschäft von Banken – die Fristentransformation – kann eine regelrechte Renaissance erleben, und zwar durch die steigenden Zinsen. Zwar zeigt die Zinsstrukturkurve zurzeit keine lineare Steigung, sie flacht sogar am hinteren Ende etwas ab (siehe Abbildung). Dennoch lassen sich wesentliche Unterschiede zwischen den Laufzeiten erkennen, und diese Unterschiede sind – vereinfacht übersetzt – Ertragspotenziale für die Kreditgeber. Vor allem Institute, die auf Refinanzierung per Sicht- und Spareinlagen setzen, können in dieser Zeit ihre Kreditmargen steigern.
Banken und Sparkassen werden mit einer sinkenden Kreditnachfrage und steigenden Zinsen umgehen lernen. Bei beiden Entwicklungen müssen sie Wege finden, Erträge zu generieren. Die aktuelle Marktbearbeitung gehört auf den Prüfstand.
Insgesamt betrachtet, wird sich die Bankenlandschaft wohl vom starken Volumengeschäft – wie es in der Niedrigzinsphase lange Zeit schlichtweg erforderlich war – wieder in Richtung Margengeschäft mit ausgewogenen Risiken entwickeln. Damit lassen sich die Betriebsergebnisse halten und ausbauen.
Vier konkrete Stellhebel stehen Banken für diesen Kurswechsel zur Verfügung:
Die Betrachtung des letzten Stellhebels ist besonders relevant. Kreditvermittler wie Interhyp, Compeon und Smava tun sich im derzeitigen Umfeld naturgemäß eher schwer. Das verleitet dazu, Präsenz und Engagement auf den Plattformen massiv zurückzufahren.
Unsere Empfehlung lautet aber: Einzelfallprüfungen im Plattform-Mix: Ja! – Radikaler Rückzug: Nein!
Der Grund: Der Kreditvertrieb, der sich in den vergangenen Jahren immer mehr in Richtung online und Plattform verschoben hat, wird bleiben. Das Wachstum der Vergangenheit zeigt, dass die Kunden die Vermittler-Plattformen nachfragen. Diese sind inzwischen etablierte und bei den Kunden „gelernte“, ja akzeptierte Ansprechpartner. Über die Plattform-Vertriebspartner lassen sich somit voraussichtlich weiter deutlich höhere Wachstumsraten erzielen als im Gesamtmarkt.
Dazu kommen weitere relevante Points-of-Sales wie Embedded Finance. Diese sind für Banken in Teilen komplett neu, Erfahrungswerte damit entsprechend Mangelware. Jedoch zeigen sich im B2C-Segment für Embedded Finance schon klare Tendenzen: Embedded Finance im Stile von Paypal und Klarna ist insbesondere durch ihre einfache Ausgestaltung erfolgreich.
Im B2B-Markt gibt es bisher wenige Player und damit Erlös-Chancen. Deutschlands kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind ein erfolgreicher Motor des Mittelstands und die Finanzverantwortlichen, Vorstände und Geschäftsführer in den Firmen erwarten in ihrer Unternehmenswelt die gleichen digitalen Erlebnisse, die sie als Privatpersonen mittlerweile gewöhnt sind.
Embedded Finance im B2B-Segment ist eine Win-win-Situation für Banken und KMU: Die Bank erhält schnelles Kreditgeschäft auch von Nichtkunden, und der Unternehmer kann seinen Umsatz mit Upselling risikolos steigern. Dafür muss lediglich eine digitale Antragsstrecke mit den individuellen Rahmenparametern der Bank per Schnittstelle an das Unternehmen bereitgestellt werden, so wie es im B2C-Markt schon länger etabliert ist.
Klar ist: Die marktüblichen Rückgänge werden die Vermittler-Plattformen in Zukunft ebenso erleben wie die Banken und Sparkassen selbst – auch sie besitzen keine Superkräfte, die vor sinkender Gesamtnachfrage schützen. Zudem fehlt den meist hoch spezialisierten Plattform-Betreibern Ersatzgeschäft, und daher werden Marktrückgänge hier schneller und deutlicher spürbar. Dennoch sind es Privat- und Firmenkunden gewohnt, neue Wege für Konsum und Beschaffung zu finden. Zahlen aus dem Segment der Firmenkunden untermauern, dass ein Großteil der Aktivitäten mittlerweile auf Online-Kanälen und Plattformen stattfindet:
Neben den relevanten stationären Kundenkontakten werden Vermittler-Plattformen weiter eine wichtige Rolle spielen. Die Plattformen versprechen zwar keine besseren Margen als das stationäre Geschäft, aber in Zeiten gedämpfter Kreditnachfrage sind zusätzliche Kontaktpunkte eine gute Komponente, um Volumen beizubehalten. Banken sollten für ihre Plattform-Bewertung vor allem die Faktoren Sichtbarkeit, Usability und Conversion Rate heranziehen.
Die geschickte Kombination der Kontaktpunkte zum Kunden sorgt in bewegten Zeiten für ein beständiges Kreditvolumen. Sie beschränkt sich nun nicht mehr auf bekannte Kanäle wie stationär oder online. Embedded Finance gehört dazu, denn dieser Kanal ermöglicht den Zugang zu weiteren Kundengruppen im Alltag. Die Zahl von Transaktionen über Embedded-Finance-Lösungen (vor allem B2B) sollten Banken mit realistischen Annahmen und in Zusammenarbeit mit KMU berechnen sowie erfolgskritische Transaktionsmengen identifizieren.
In einem nachhaltigen Vertriebswege-Mix ist der stationäre Vertrieb immer noch führend, wenn es um das Kreditgeschäft geht. Banken sollten allerdings das Andocken an Vermittler-Plattformen – sprich die Interoperabilität – forcieren und neue Vertriebskanäle ausloten, um noch mehr Traffic und Kreditvolumen zu generieren.
–––––––––––––––––––
*Michael Zwergel ist Senior Consultant beim Technologieunternehmen Sopra Steria. Sopra Steria gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.
Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.
Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!