von Heinz-Roger Dohms, 17. September 2020
Es war das Fintech-Thema dieses Sommers – der (angebliche) “Untergang der Neobanken”. Noch mal zur Erinnerung: Monzo wurde vom eigenen Wirtschaftsprüfer angezählt. Bei Revolut explodierten die Kosten. Und N26 verlor binnen weniger Monate sechs Topmanager. Normale Rückschläge aufstrebener Startups? Oder Ausdruck tiefer struktureller Probleme?
Klar ist, dass die Pandemie und die einhergehenden Restriktionen dem “Lifestyle-Banking”-Geschäftsmodell (so nennt das unser Blogger-Kollege Chris Skinner) massiv zusetzen. Und klar dürfte ebenfalls sein, dass die Konsolidierung des Neobanken-Sektors wegen Corona früher kommt als gedacht. In UK zeigen sich die Aufseher bereits alarmiert. Und hellsichtige Branchenkenner wie Robert Le sagen für die “nahe bis mittlere Zukunft” die Übernahme einer prominenten Challenger-Bank durch eine arrivierte Großbank voraus. Stimmt das mit dem Untergang also tatsächlich?
Um dieser Frage zu beantworten, haben wir einfach mal das meiste dessen, was es in den letzten Wochen zu lesen gab, auch tatsächlich gelesen und für Sie zusammengefasst. Was sind die wichtigsten Zahlen? Was sind die entscheidenden Entwicklungen? Und wie ist die Lage wirklich? Versuch einer Einordnung:
Weil in Großbritannien sehr viel strengere Reporting-Pflichten gelten als in Deutschland, mussten die großen Londoner Neobanken im Sommer bereits ihre 2019er-Zahlen veröffentlichten. Dabei kam heraus, dass bei Revolut die Kosten von umgerechnet 120 Mio. Dollar auf 352 Mio. Dollar gestiegen sind (siehe Forbes: “The Sad Demise Of Europe’s Neobanks”), während bei Monzo der Wirtschaftsprüfer anmerkte, dass “die Fähigkeit der Gruppe, das Geschäft weiterzuführen, mit materiellen Unsicherheiten behaftet ist” (siehe AltFi: “Monzo’s results cast ‘material uncertainty’ on bank’s future”). Angereichert durch den allgemeinen Corona-Blues und die seit Monaten anhaltenden Unruhen bei N26 (Manager-Exodus + Kurzarbeit + Entlassungen + Betriebsrats-Chaos) wie Monzo (Abgang der Gründers) wie Revolut (Entlassungen + Gehaltsverzicht + gefühlt 1000 andere Querelen) kam so die These von Untergang der Neobanken auf.
Das ist richtig. Allerdings waren die Investoren in der Hoffnung auf rasches Wachstum da auch noch willens, die Löcher durch immer höhere Fundings zu stopfen. Bei N26 indes gerieten die beiden jüngsten Fundings geringer als als drittletzte (-> Finanz-Szene.de: “N26 gegen Solarisbank: Der große Direktvergleich“). Und bei Monzo sank im Zuge der jüngsten Finanzierungsrunde sogar die Bewertung von 2,6 Mrd. Dollar auf nur noch 1,6 Mrd. Dollar. “One issue is that funding is drying up for FinTech innovation”, schreibt Chris Skinner (-> The Finanser: “[Monzo + Starling + Revolut] – Pandemic = The End?”). Laut “Telegraph” wurden die britischen Challenger-Banken von ihren Investoren zuletzt reihum verpflichtet, ihre Wachstumspläne runterzudampfen. (-> The Telegraph: “Britain’s once-popular digital banks face a bruising reality”).
Das sehen zumindest die Skeptiker so. Die wichtigsten Argumente:
“Neobanks across Europe are simply struggling to adapt to the regulatory and business pressure that comes with their size and ambition, only over in Germany staff feel they’re now the punch-bag pressure release for N26’s banking struggles.”
“My boring old bank gets my boring old bills – utilities, loans, mortgages, etc – whilst my brand spanking new neobank gets my everyday spending – shopping, entertainment, food, drink, going out, etc. There’s the issue: I’m not going out. Their customers are not going out. Their customers have no lifestyle everyday spending, because they’re staying at home.”
“In Latin America […] the debit interchange fee is high enough to make the economics work. This is not the case in Europe. With near-instant retail payment settlement among bank current accounts and under tighter regulatory caps, debit card interchange fees are much lower at 0.2% of transaction value.”
“Features wie Real Time Push oder Apple Pay können inzwischen auch viele Etablierte, und die über Konto und Karte hinaus gehenden Vorteile sind überschaubar geblieben. Man hat das Gefühl, dass teilweise das Produkt hinter der Expansion zurücksteht. Diese mangelnde Innovationskraft, welche die Challenger zu Beginn vor allem ausmachte und aus der eine Erwartung bei den Kunden entstand, wird jetzt zum Problem.“