von Christian Kirchner, 31. August 2020
Die corona-bedingten Veränderungen im Zahlungsverhalten führen nicht automatisch zu höheren Erträgen und Gewinnen im Zahlungsverkehr der deutschen Banken. Im Gegenteil: Die negativen Effekte aus Reisezurückhaltung und der Abwanderung von Transaktionen ins Internet überwiegen offenbar für den Moment die positiven Folgen. So zumindest lesen sich die dieser Tage veröffentlichten Halbjahresberichte von zwei die der drei größten deutschen Direktbanken, nämlich der DKB und der Comdirect. Zusammen kommen die beiden Institute auf gut sechs Millionen Girokonten.
Bei der Comdirect sank der Provisionsüberschuss aus dem Zahlungsverkehr im ersten Halbjahr von 13 Mio. Euro auf 9,6 Mio. Euro. Dafür machte die Bank “rückläufiger Transaktionen in Fremdwährungen” verantwortlich, die mutmaßlich auf gesunkene Reisetätigkeiten zurückzuführen sind. Nimmt man nicht den Überschuss (also das Delta aus Erträgen und Aufwand), sondern nur Erträge, so zeigte sich ein Minus von 16% auf nur 15 Mio. Euro. Erträge im Zahlungsverkehr entstehe etwa beim Auslandseinsatz der Bankkarte über die Umrechnungskurse, aber auch beim Einsatz der Karten als Zahlungsmittel v.a. am physischen “Point of Sale”.
Bei der DKB ist die Entwicklung ähnlich: Hier stieg zwar das Ergebnis aus dem Zahlungsverkehr leicht, es verbesserte sich von einem (historisch aufgrund des Geschäftsmodells üblichen) Minus von minus 24 Mio. Euro auf minus 19 Mio. Euro. Diese Verbesserung fußt indes auf eine Verbesserung beim Aufwand – nicht auf einem deutlichen mehr bei den Erlösen. Die Erträge im Zahlungsverkehr stiegen nämlich lediglich von 9 auf 10 Mio. Euro, im Privatkundengeschäft sanken (!) sie im ersten Halbjahr sogar merklich von 4,2 Mio. Euro auf nunmehr 2,1 Mio. Euro. Im Kreditkartengeschäft sank das Ergebnis sogar um 32% auf 11 Mio. Euro.
Die Teilergebnisse werfen die Frage auf, ob Banken überhaupt nachhaltig vom Karten- und Kontaktlos-Boom profitieren können, der in der Außendarstellung der Kreditwirtschaft (etwa auch in den Geschäftsberichten) gerne herausgestellt wird. Denn die strukturellen Veränderungen des Einkaufs- und Bezahlverhaltens, die sich durch die Corona-Pandemie teilweise beschleunigt haben, wirken ganz unterschiedlich (und eben nicht nur positiv) auf die GuVs der Institute:
Ohnehin drängt sich eine Frage auf: Über welche Beträge reden wir eigentlich im Zahlungsverkehr mit Karten – und spielen diese in den milliardenschweren Bilanzen der Institute überhaupt eine maßgebliche Rolle?
Blicken wir dazu genauer in die Bilanzen der DKB mit ihren immerhin 4,5 Mio. Kunden, die präzise wie kaum keine andere Bank ihre Ergebnisse im Zahlungsverkehr und mit Kreditkarten aufschlüsselt. Hier ein Blick auf die Provisionsergebnisse und ihre Veränderung zur Vorjahresperiode:
Quelle: Halbjahresbericht
Einer Verbesserung des Ergebnisses aus dem Zahlungsverkehr steht eine Verschlechterung des Kreditkartengeschäfts gegenüber. Ersteres steigt wegen des “zunehmenden bargeldlosen Zahlungsverkehrs”, letzteres sinkt durch rückläufige internationale Umsätze, heißt es im Halbjahresbericht. Beide Effekte heben sich wechselseitig annähernd auf. Auch erwähnt die DKB in ihrem Halbjahresbericht explizit mehr Kontaktlosbezahlungen und weniger Bargeldabhebungen.
Vor allem diese selteneren Abhebungen dürften die Bank einiges sparen, denn für eine kostenlose Abhebung zahlen Banken in der Regel bei fremden Automaten selbst drauf. Und tatsächlich ist die Verbesserung des Ergebnisses im Zahlungsverkehr auch eher den sinkenden Kosten, nicht der Steigerung der Erlöse zuzuschreiben, ein Effekt, den wir so im Hintergrund von vielen Banken bestätigt bekommen haben:
… doch nochmal zurück der Frage: Um was für Beträge geht es?
Hier ist die DKB mit ihrer recht digitalaffinen Kundschaft, die keine Filialen braucht, ein spannendes Untersuchungsobjekt, zumal in ihrem Kreditkartengeschäft auch Co-Branding-Dienstleistungen angeboten werden.
Eine Wachstumsstory ist das jedenfalls im Kreditkartengeschäft trotz stark kreditkarten-zentrischem Geschäftsmodell bei der DKB mit Privatkunden weder bei den Erträgen …
… noch beim Ergebnis …
… noch bei den Erträgen im Zahlungsverkehr mit Privatkunden
Nun ist die DKB eine profitable Bank, die für das laufende Jahr trotz Corona und hohen Investitionen rund 200 Mio. Euro Vorsteuergewinn und 5% bis 7% Eigenkapitalrendite erwartet. Und: Das Provisionsergebnis im Privatkundengeschäft lag trotz Corona laut Halbjahresbericht über den Planungen.
Allerdings ist auch nicht erkennbar, dass ein derart digitaler Akteur in besonderem Maße von den großen industriellen Trends weg vom Bargeld und hin zur (immer häufiger kontaktlosen) Bargeldzahlung profitiert. Anders gesagt: Diese Effekte verschwimmen in einer Vielzahl von Einflussfaktoren auf die entsprechenden Segmentergebnisse.
Ähnliches gilt für die Comdirect, wo der eingangs bereits zitierte deutliche Rückgang des Provisionsüberschusses im Zahlungsverkehr eine Funktion gesunkener Erträge ist:
Nun ist die Frage, ob der Rückgang im ersten Halbjahr bei den Erträgen ein einmaliger Corona-Effekt ist und eine Normalisierung von Reisetätigkeit und Auslandseinsatz bei zugleich weiter steigendem Karteneinsatz wieder zu einem Anstieg von Erträgen und Überschüssen aus dem Zahlungsverkehr führt.
Ein ehemaliger Vorstandschef einer deutschen Bank pflegte indes immer dann, wenn er zu Aktivitäten seines Instituts außerhalb des Investmentbankings gefragt wurde, zu sagen: “It doesn’t move the needle” – eine Diagnose, die so womöglich auch auf den Zahlungsverkehr zutrifft: Schön, wenn Kunden mehr mit Karte und kontaktlos zahlen, schön, wenn das Kosten bei der Bargeldversorgung spart, schön, wenn das auch die Bindung zwischen Bank und Kunde festigt …
… Aber selbst bei der Comdirect machen die Provisionserträge aus dem Zahlungsverkehr nur 5% an allen Erträgen aus, bei der DKB die kumulierten Erträge aus dem Zahlungsverkehr und Kreditkartengeschäft an allen Erträgen 9%. Auch das wird die Nadel langfristig nicht bewegen – auch nicht nach einer Corona-Normalisierung.