Ausblick (#9)

Wir haben 23 digitale Topshots gefragt: Was treibt die Banken 2023 um?

Die Churchill’sche Auffassung, dass man keine Krise ungenutzt verstreichen lassen sollte, ist ja gerade bei den Digitalos weit verbreitet. Die Corona-Pandemie damals? Die geschlossenen Filialen? Hatte doch alles irgendwo auch sein Gutes. Denn danach wusste auch der verschlafenste Kunde, dass es zum Tätigen einer Überweisung kein Bankgebäude braucht – so was geht auch online!!! Und nun? Ist 2023. Und schon wieder Krise. Doch während die Digitalexperten während der Pandemie zu großer Form aufliefen, hat man aktuell eher das Gefühl, sie würden so ein wenig an den Rand gedrängt. Motto: „Das müssen jetzt mal die richtigen Banker richten.“

Nun sei dahingestellt, ob dieses Gefühl die Wirklichkeit korrekt beschreibt. Wir haben uns jedenfalls gedacht: Warum lassen wir in unserer Ausblicks-Serie statt der richtigen Banker nicht einfach mal die digitalen Banker zu Wort kommen? Und so haben wir also dieselbe Aufgabe, die wir dieser Tage schon 23 Top-Consultants gestellt haben nun auch 23 digitalen Top-Shots bei Banken, Fintechs, Payment- und IT-Dienstleistern gestellt: „Schreiben Sie uns bitte auf maximal 2.023 Zeichen, was die deutsche Bankenbranche im Jahr 2023 bewegen (und möglicherweise sogar überraschen) wird.“ Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: 1.) Dass immerhin 20 der 23 in die Tasten gegriffen haben, freut uns tierisch!; 2.) Dass drei wegen zu großer Arbeitsbelastung freundlich abgesagt haben, nehmen wir als Indiz, dass die Digitalos sehr wohl noch gebraucht werden!!!; und 3.) Keiner der Digitalexperten hat Churchill zitiert. Aber einer Rainer Maria Rilke. Muss man auch erst mal hinkriegen.

Voilà:

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Verlässlichkeit sticht Innovation!

„Nein, Banken werden auch in 2023 keine Quantensprünge machen. Das ist auch weiterhin nicht ihre Aufgabe. Dass Angebote im innovativen Metaverse ausgelotet werden, macht absolut Sinn – aber bitte nicht nur im Retail-Segment. Denn die besondere Spannung liegt in Anwendungen für Unternehmenskunden und davon gibt es bei näherem Hinschauen dann doch einige. Aber kommerziell in 2023? Open Banking steckt auch (nach fast einem Jahrzehnt) noch in den  Startlöchern. Das Thema ist noch viel zu Technik-getrieben und bedarf einer echten Geschäftsmodell-Aufarbeitung. Mehrwerte sind nicht technische Nutzbarkeit diverser Drittanbieter oder Fintechs, sondern ein erweitertes, flexibleres und schnelleres Produkt- oder Serviceerlebnis! Aber auch das wird in 2023 noch nicht durchstarten, wenn es auch mit der Konsolidierung der Fintech-Szene und deren Bedarf an mehr Kooperationen an Wichtigkeit gewinnt. Ich bin überzeugt, dass in 2023 die manchmal als anstrengend betrachtete Regulatorik einen signifikant positiven Schub erhalten wird und Banken aus voller Überzeugung und mit vollem Vertriebsfokus die regulatorische Sicherheit ihrer Angebote in die Schaufenster stellen. Nach FTX-Crash oder dem Abzug von Milliarden Euros aus Kryptobörsen – von fallenden Bewertungen in (wenig regulierten) Kryptowerten ganz zu schweigen – werden innovative Banken genau dieses Sicherheitsleck im Digital Assets Komplex mit eigenen Angeboten schließen. Bei aller Leidenschaft für technische Neuerungen ist am Ende dann doch die Verlässlichkeit ein schlagendes Argument! In dem Segment der Digital Assets gibt es noch viel zu viele „Versuchsangebote“. Mit einem regulierten Bankenangebot, angefangen von der „Digital Assets“-Verwahrung, über Tokenisierungslösungen, der Schaffung von verlässlicher Infrastruktur bis hin zum Handel liefern das neue elektronische Wertpapiergesetz, ein DLT Pilot Regime oder auch die in 2024 nahende europäische Verordnung über Krypto-Werte (MiCA) die Basis für verlässliche Banking-Angebote.“ – Stephan Paxmann, LBBW, Leiter Digitalisierung & Innovation

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Bankprodukte werden noch nischiger werden!

„Das zurückliegende Jahr war für uns alle ein harter Einschnitt, auch für die Fintech-Branche. Man kann davon ausgehen, dass die Marktturbulenzen uns auch 2023 begleiten werden. Die daraus resultierenden Unsicherheiten und Effekte werden zu vielen taktischen und/oder strategischen Richtungswechseln in der deutschen und europäischen Finanzindustrie führen. Die langfristigen Trends sollten jedoch kaum beeinflusst werden. Deren Kern: Auch wenn der europäische Markt mehr oder weniger ‚over-banked‘ ist, so heißt das noch lange nicht, dass Kunden auch überall qualitativ hochwertige Lösungen bekommen. In einer Analogie: Die Tatsache, dass wir Fleisch im Überfluss genießen können, heißt ja auch nicht, dass wir überall gutes Fleisch bekommen. Ergo: Banken und Fintechs müssen weiterhin die Art und Weise verändern, in der wir Kunden die Lösung von Finanzthemen ermöglichen. Zur Sicherheit, damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir müssen nicht darüber nachdenken, wie wir Produkte verkaufen, sondern wie wir diese Produkte gestalten und den Kunden zugänglich machen. Ein großer Teil der Antwort ist Embedded Finance. So wie wir uns in den 15 Jahren seit Einführung des iPhones in eine App-Economy entwickelt haben, in der es für jedes individuelle Problem eine App gibt, so werden wir uns in den nächsten zehn Jahren im Banking entwickeln: Weiterhin steigende Diversität der Angebote, auch für ’nischige‘ Themen. Neue und spezifische Ansätze, die extrem nah am individuellen Kundenproblem positioniert sind. 2023 werden wir weitere Schritte auf diesem Weg sehen, der Trend wird zum Fakt. Wer auf diese Entwicklung bisher keine Antwort hat, sollte sich besser heute als morgen die Zeit nehmen, diese zu finden.“ Jörg Howein, Chief Product Officer, Solarisbank

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Das neue Jahr bringt den Schmerz, den manche Bank erst braucht!

„2023 fängt an wie 2021: Uns hat eine unerwartete Krise hart getroffen. Unser Alltag wurde auf dem Prüfstand gestellt. Langsam kommen wir damit zu recht. Statt Covid und Lockdown haben wir jetzt Ukraine-Krieg und Energiekrise. Covid hat uns bei aller menschlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen deutlich gemacht: Wenn’s hart auf hart kommt, geht plötzlich vieles von dem, was vorher für nicht machbar gehalten wurde. Auf der positiven Seite ein massiver, gezwungener Schub für die Digitalisierung. Auf der negativen ein Eingriff in die selbstverständlichen Grundrechte. Und jetzt? Die Tragödie in der Ukraine ist unbeschreiblich. Bei uns könnte es ähnlich wie bei Covid laufen: Auf der einen Seite die gezwungene, aber lang notwendige Transformation der Gesellschaft zum nachhaltigeren Handeln. Auf der anderen Seite eine Situation, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben: Stromausfälle, Energieknappheit, Menschen und Unternehmen, die vor schwierigen Optionen stehen. Bedeutet für die Finanzwelt? Wir sind mit Herausforderungen konfrontiert, die die jüngere Generation Banker nach Lehman gar nicht kennt, Fintechs sowieso nicht: Kreditausfälle. Fallende Asset-Preise. Sogar Zinsen! Fintechs, die auf den Kreislauf immer steigender Bewertungen und höherer Marketing-Ausgaben gebaut haben, müssen jetzt tatsächlich Wert für Kunden liefern – und Geld verdienen! Banken, die in den letzten Jahren viel am Asset-Boom verdient haben, müssen sich jetzt eine fundamentale Geschäftsmodellfrage stellen, bei gleichzeitigen Verlusten im Kreditportfolio und Depot A. Die steigenden Zinsen bieten uns Banken eine Verschnaufpause – wenn wir die nicht als Ausrede nutzen, um die notwendige Transformation wieder zu schieben. Denn: Noch schmerzt es uns nicht genug, um ein Anreiz für echte Veränderung zu sein. In den Worten von Tony Robbins: ‚Change happens when the pain of staying the same is greater than the pain of change.‘ Ist der Pain schon groß genug? Falls nicht: Kommt noch!“ – Pranjal Kothari, Chief Digital Officer, Sparkasse Bremen

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Die App wird wichtiger als das Online-Banking! 

„Der Trend zur Smartphone-Nutzung wird das Banking 2023 nachhaltig bestimmen: Bei der Commerzbank beispielsweise liegt die Zahl der Kunden, die nur noch die Banking-App nutzen, inzwischen bei rund 35 Prozent. Damit haben die „Banking-App-Only-Kunden“ die „Online-Only-Kunden“ überholt und liegen an der Spitze. Auch die steigende Nutzung von Apple- und Google-Pay zeigt die Beliebtheit des Smartphones. Immer komplexere Anwendungen finden daher den Weg in die Banken-Apps. Entscheidend für die Akzeptanz ist hier die einfache Umsetzung. Die digitale bzw. die digital unterstützte Beratung wird künftig eine immer größere Rolle spielen und den Unterschied im Kundenerlebnis ausmachen. Die Bedeutung von passgenauen, auf die individuellen Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Informationen unter Nutzung von Big-Data-Analysen wird dabei weiter zunehmen. In diesem Kontext spielen zugleich Datenschutz und Transparenz bei der Datennutzung eine entscheidende Rolle. Neben all diesen Entwicklungen wird der persönliche Kontakt ein wichtiger und fester Bestandteil in der Kundenbetreuung und Multikanal-Strategie bleiben – sei es vor Ort in der Filiale oder per Telefon und Video im Beratungscenter. Auch hier spielen digitale Lösungen wie authentifizierte Anrufe und intelligente Chat-Bots eine wichtige Rolle für ein überzeugendes Kundenerlebnis.“ – Gerald Ertl, Leiter Digital Banking Solutions, Commerzbank

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Der Wettkampf Banken vs. Fintechs ist vorbei!

„Die tägliche Interaktion mit Kunden ist und bleibt ein Schlüsselthema. Banken müssen relevant bleiben für ihre Kunden, was angesichts rückläufiger Filialnutzung und abnehmender Bedeutung von Bargeld nicht trivial ist. Das Konto bleibt ein Ankerprodukt, wird sich aber weiterentwickeln. Das Thema Payments wird noch weiter an Bedeutung gewinnen und dadurch Kundenkontakte und Relevanz schaffen. Hier wird die Entwicklung weiter voranschreiten – nicht nur im B2C- sondern vor allem auch im B2B-Bereich. Banken versus Fintechs wird kommendes Jahr endgültig Geschichte sein. „Fintech“, das ist keine Ansammlung von Startups mehr, die irgendjemandem irgendetwas wegnehmen wollen, sondern ein strategischer Marktansatz: Ohne fundierte Tech-Kompetenz und angemessene „Time to market“ wird niemand in der Branche überleben. Diese Erkenntnis haben Fintechs den etablierten Banken vor Augen geführt und das wird auch 2023 wie ein Beschleuniger wirken. Banken haben gelernt, umzudenken und sich inhaltlich weiterzuentwickeln, und sie haben gelernt, Partnerschaften mit Fintechs einzugehen, die sich für beide Seiten auszahlen. Das Thema ESG dürfte im kommenden Jahr eine immer wichtigere Rolle als elementarer Bestandteil von nahezu allen Bankprodukten spielen. Gleichzeitig wird die Branche das Thema nicht mehr so sehr als Teil einer Strategie oder der Organisationen hervorheben. Das Fazit wird sein: Wir reden weniger über Nachhaltigkeit, tun dafür aber mehr. ESG muss und wird eine Selbstverständlichkeit sein und das gilt auch in der Finanzbranche. Internationalisierung und vor allem Europäisierung rücken noch weiter in den strategischen Vordergrund. Wachstum außerhalb des Heimatmarktes wird für Banken insbesondere in den Bereichen Retail und Payments (wieder) zum Kernthema werden. Die Kunden wünschen sich, dass ihre Bank sie über Grenzen hinweg begleitet. Indem die Bank das tut, stärkt sie automatisch die Kundenbindung und wird Wachstumschancen nutzen können. Das zahlt gleichzeitig positiv auf die Marken der Banken ein.“ – Kilian Thalhammer, Leiter Merchant Solutions, Deutsche Bank

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Kundennähe geht nur mit Automatisierung!

„Schon heute erwarten Kunden und Kundinnen von ihrer Bank ein medienbruchfreies Omnikanal-Erlebnis. Verständliche und einfache Prozesse, kanalübergreifende Datenübernahme und digitale Fallabschlüsse sind nur einige der benötigten Eckpfeiler, um ein konsistentes Service-Erlebnis zu schaffen. Voraussetzung dafür ist eine fundamentale Veränderung in der zugrundeliegenden IT-Architektur. Ein nahtloser Übergang aus einer digitalen Selbstberatung in das persönliche Beratungsgespräch in der Filiale funktioniert nur, wenn Prozessfundament und Datenbasis sowohl für Kunden als auch für Bankmitarbeiter dieselben sind. Prozessstandardisierung, Automation und Datenkonsolidierung sind daher in der Finanzwirtschaft zu zentralen wettbewerbsentscheidenden Faktoren avanciert. Diese Faktoren wirken jedoch längst nicht nur auf die Kundenschnittstelle sondern insbesondere auch in den Kreditinstituten selbst. Durchgängige automatisierte Prozesse vom Vertrieb bis in die Marktfolge steigern die Effizienz, sorgen für kürzere Bearbeitungszeiten sowie nachhaltige Kostenreduktionen. Die klare Erwartungshaltung von Banken auf diesem Transformationspfad: Effekte in der Effizienz müssen transparent und konkret messbar sein. Nur so werden sich passgenau Ableitungen für die Optimierung der eigenen Gesamtbank-Organisation treffen lassen, die durch Effizienzgewinne möglich werden. Zweifellos wird das kommende Jahr deutliche Fortschritte in diese Richtung bringen. Dann wird noch klarer sichtbar sein, dass mehr digital-persönliche Kundennähe und höhere Effizienz zwei Seiten derselben Medaille sind.“ Daniela Bücker, Vorständin für Banking-Lösungen, Atruvia

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KMU-Finanzierer müssen sich auf veränderte Nachfrage einstellen!

„Ob Restrukturierung von Lieferketten, Energie- und Kapitalkosten oder die veränderte Nachfrage der Konsumenten: Kaum etwas ist derzeit für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), egal aus welchem Sektor, wirklich einfach. Allerdings haben drei Themen das Potenzial, im Firmenkundengeschäft für positive Überraschungen zu sorgen. 1.) Die digitale Affinität von KMU wächst und Embedded Finance ist weiter auf dem Vormarsch. Schon jetzt werden zunehmend digitale Finanzierungsmöglichkeiten genutzt. Die Bereitschaft der KMU, dafür relevante Daten auch digital zu teilen, wird 2023 weiterwachsen; auch weil die Unternehmen selbst immer stärkere digitale Fähigkeiten und digitale Präsenz entwickeln.  2.) Die Zinswende führt dazu, dass steigenden Fremdfinanzierungskosten auch wieder Einlagenzinsen gegenüberstehen. Das weckt Erwartungen. Wir werden 2023 neue Produktangebote sehen, die über die Verzinsung für mehr Effizienz beim Betriebskapital sorgen, denn kleine und mittlere Unternehmen werden hier künftig stärker Angebote sondieren und vergleichen. 3.) Für Banken ist Nachhaltigkeit aktuell noch mit einigen Unsicherheiten behaftet. Wann etwa gelten Unternehmen und eine Finanzierung als nachhaltig? Auf Seite der KMU sorgt das Thema aber bereits für Bewegung. Entsprechend richten immer mehr KMU ihre Lieferketten und ihr Angebot darauf aus. Die Umstellung erfordert aber auch Investitionen, zum Beispiel bei der Umsetzung der CSR-Direktive. Auch wenn die derzeitigen Herausforderungen nächstes Jahr weiter sehr präsent sein werden, viele KMU zeigen eine hohe Resilienz, Anpassungsfähigkeit und Innovations-Tempo, um sie zu bewältigen. Entscheidend ist deshalb, dass Finanzierungs- und Bankingpartner in ihren Prozessen und Produkten für KMU die digitalen Möglichkeiten unserer Zeit tatsächlich nutzen.– Nadine Methner, Head of Business Banking, ING Deutschland

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Mobiles Bezahlen bestimmt den Payment-Markt!

„Digitalisierung wird den Payment-Markt weiter vorantreiben, die Anzahl und Komplexität von Payment-Frontends nehmen kontinuierlich zu. Bargeldlos bezahlen können die Menschen künftig, wo, wann und wie immer sie wollen – mit der klassischen Plastikkarte, dem Smartphone oder sogenannten Wearables (z. B. Fitnessarmband oder Smartwatch). Ein neues Frontend entsteht gerade mit dem Metaverse. Hier wird man beobachten müssen, ob und wann sich konkrete Payment-Anwendungen ergeben. Autos werden zu „Shopping Devices“. Immer mehr Hersteller integrieren In-Car-Payment-Services in ihre Fahrzeuge – den Kaffee für unterwegs, die Tankfüllung, Mautgebühren oder die Elektrostrom-Ladung aus dem Auto heraus bezahlen – alles möglich. Trends wie „Embedded Finance“ oder „Contextual Commerce“ führen dazu, dass nahezu jedes Medium, jeder Kommunikationskanal und jede Art von Device zum „Point of Sale“ wird. Banken und Sparkassen werden ihre Konzepte für mobile Wallets ausbauen müssen, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Im E-Commerce wird im nächsten Jahr die Girocard eine deutlich stärkere Rolle spielen. Aber auch BNPL-Zahloptionen in Online-Shops sind ein interessanter Markt für die Kreditwirtschaft. Der Handel ist auf dem Weg zu „Invisible Payment“: Die Anzahl von Self-Check-out- und Self-Scanning-Systemen im Einzelhandel steigt. Im Kommen sind autonome Geschäfte und Supermärkte ohne Personal und bediente Kassen. Kameras, Sensoren und KI registrieren, welche Produkte die Kunden einpacken. Bezahlt wird anschließend über die Anbieter-App. NFC-fähige Smartphones werden zu Akzeptanz-Terminals und ermöglichen auch kleineren Händlern und Gewerbetreibenden bargeldloses Kassieren. Banken und Sparkassen müssen sich (wieder) intensiver mit dem Handel auseinandersetzen – (europäische) Großprojekte wie EPI, Digitaler Euro aber auch die Girocard der Zukunft sehen hier wieder wichtige Rollen bei den Instituten vor.“Erik Meierhoff, Geschäftsführer der S-Payment

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Metaverse? Erst einmal elementare Digitalisierung!

„Das Jahr 2023 wird wesentlich von makroökonomischen Fragestellungen und dem geopolitischen Umfeld geprägt. Davon unabhängig werden Banken konsequent weiter an der Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle arbeiten. Dabei stehen elementare Themen im Fokus: Smart- und Big-Data Analysen, omnikanal-fähige Geschäftsmodelle, Plattformen und Ökosysteme sowie effiziente Betriebsmodelle. Parallel dazu laufen interne Transformationsprozessen – in technischer, organisatorischer und kultureller Hinsicht. Nachhaltigkeit bleibt ein dominierendes Thema, sowohl aus einer politisch-regulatorischen als auch aus einer Kundenperspektive. Dabei wird vor allem die Frage in den Vordergrund rücken, wie neue Technologien und Innovationen eine nachhaltige Transformation von Real- und Finanzwirtschaft unterstützen können. Ein weiteres Zukunftsthema ist die Blockchain bzw. ‚Distributed Ledger‘-Technologien: Banken beschäftigen sich intensiv mit dem Aufbau der entsprechenden Infrastrukturen und -services für die Verwahrung und den Handel von Krypto-Assets, der Tokenisierung und Smart Contracts. Der Hype um das Thema Metaverse wird jedoch nach den ersten zarten Gehversuchen, die das eine oder andere Institut gewagt hat, etwas abklingen. Das Thema verspricht langfristig zwar durchaus Potenzial, zeigt aber im Status Quo noch diverse Unzulänglichkeiten. Auch interessant zu beobachten werden die Entwicklungen in Richtung Web 3.0: Wird sich ein dezentrales Internet durchsetzen oder entwickelt sich das Netz – wie auf der Money 2020 postuliert – in Richtung Web 2.5? Das wäre zwar dezentraler als heute, aber dennoch reguliert und weiterhin mit einigen zentralen Playern.“ – Franz Welter, Department Head Innovation & Digitalization, DZ Bank

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Wirkungsdaten entscheiden künftig über Finanzierungen!

„Die deutsche Bankenbranche steht 2023 vor einem Paradigmenwechsel: Sogenanntes „Wirkungsmanagement“ stärkt die Steuerung und Transparenz nachhaltiger Finanzierungen. Dabei wird datenunterstützte Wirkungsmessung für Sustainable Finance bisher kaum genutzt – eine vertane Chance, denn der Impact einer Finanzierung gemessen z.B. in CO2-Reduktion, Fläche geschützter Ökosysteme oder geschaffener Bildungsinfrastruktur ist aussagekräftiger als ihre Finanzierungs-Summe. Diese Daten schaffen Transparenz. Zudem verdeutlichen messbare Ziele, wo wir uns auf dem Transformationspfad befinden und wo ggf. Korrekturen erforderlich sind. Beim CO2-Fußabdruck gibt es schon viele Ansätze, andere Bereiche der Nachhaltigkeit wie Biodiversität sind bisher nahezu Blind Spots. Das liegt vor allem an der komplexen Datenbeschaffung, denn Wirkungsdaten von Kunden sind in kompetitiven Finanzierungen bisher schwer einzufordern. Positivbeispiel ist die gebündelte Informationsabfrage zu Portfoliounternehmen von Fonds über das Fonds-Management. Externe Unternehmen, etwa Stromversorger und Heizungsbauer haben zwar wertvolle Daten, doch es fehlt ein Rechtsrahmen zum Teilen dieser Daten. 2023 ist eine Weichenstellung für den branchenweiten Einsatz von Wirkungsmanagement-Modellen unabdingbar. Der Austausch von Best Practices wird die Umsetzung beschleunigen. Wir müssen auf eine Vernetzung zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Finanzindustrie setzen, um Daten auszutauschen und zu interpretieren. Denn wir brauchen passgenaue Daten, die bisher nicht vom regulatorisch geforderten Nachhaltigkeits-Reporting abgedeckt sind. Die technische Vernetzung setzt auf Cloud-Technologie und eine gut durchdachte Datenarchitektur.“ – Melanie Kehr, CIO und COO, KfW

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Refinanzierung wird das große Thema!

„2023 wird ein Jahr, das uns zurück zur Normalität führen sollte. Zumindest, wenn man sich noch erinnern kann, was vor über zehn Jahren ’normal‘ war. Das gilt insbesondere für geldpolitische Rahmenbedingungen.  Die Zinsen der EZB sind seit der ersten Zinserhöhung im Juli um 2,5% gestiegen und sie werden weiter steigen. In UK liegt der Leitzins bei 3,5% In den USA sogar bei über 4%. Warum sollte die EZB nicht auch in diesen Regionen landen? 3% haben die Märkte schon eingepreist. Banken werden viel mehr als im vergangenen Jahrzehnt vor die Frage gestellt werden, wie sie sich refinanzieren. Bereitete früher die Reduzierung des Einlagenüberhangs Kopfschmerzen, macht es heute das Zinsumfeld. Liquidität liegt nicht mehr auf der Straße. Und diese Kopfschmerzen werden größer: TLTRO wird Mitte des kommenden Jahres fällig und die Zentralbanken werden Zinsen weiter als Steuerungsinstrument einsetzen. Die Tablette, die gegen diese Schmerzen hilft, ist ein altbewährtes Hausmittel: Retail-Einlagen. Zwangsläufig werden nicht nur kleine Banken oder Institute aus der Peripherie Europas, sondern auch die großen deutschen Häuser die Vorteile von Retail-Einlagen wiederentdecken. Wir sehen das zum Teil schon, doch die Entwicklung ist noch nicht annähernd in der Breite angekommen. Auch große Häuser werden wieder Zinsen anbieten müssen. Refinanzierung gibt es nicht mehr zum Nulltarif: Die marktführenden Tagesgeld-Zinsen stiegen nach der zweiten Zinserhöhung am 14. September von 0,5% auf heute 1,6%. Der Zins-„Pass through“ wird durch intensiveren Wettbewerb unvermeidlich steigen. Für Sparer wird das ein Segen sein. Nicht zuletzt, weil die Alternativen – Aktienmärkte, Immobilien oder Krypto – mindestens 2023, vermutlich auch darüber hinaus eher volatil bleiben werden. Kosten für Liquidität werden auch in 2023 ein beherrschendes Thema bleiben. Das ist keine Anomalie. Die letzten knapp zehn Jahre waren die Anomalie. Wir kehren schlicht zurück zur Normalität.“ Frank Freund, Chief Financial Officer, Raisin

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2023 wird die Digital-Strategien auf die Probe stellen!

„Die ökonomischen Herausforderungen im Jahr 2023 werden einen grundlegenden Einfluss darauf haben, wie die Bankenbranche kundenzentrierte Digitalisierung vorantreibt. Wir blicken einer Zeit entgegen, die für viele Menschen zu finanziellen Herausforderungen führen kann. Beim kundenzentrierten Banking geht es zunehmend um die Frage, wie schnell, unkompliziert und individuell passende Finanzprodukte bereitgestellt werden. Den IT-Dienstleistern des Sektors kommt dabei eine besondere Verantwortung zu – sie stehen vor der wesentlichen Herausforderung, den vielfältigen Erwartungen einer sehr diversen Kundengruppe aus allen Teilen der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Kund:innen wollen Banking-Angebote jederzeit digital und intuitiv nutzen, möglichst viele davon auch online abschließen und gleichzeitig bequem zur persönlichen Beratung und zurück wechseln können. Neben App und Online-Banking müssen auch die stationären Prozesse und die SB-Geräte in der Customer Journey integral funktionieren. Deshalb müssen IT-Dienstleister bei Entwicklungen immer alle Kanäle mitdenken, um ein übergreifendes und einheitliches Kundenerlebnis bereitzustellen. Wir sehen dabei vier Fokusbereiche: 1.) Durchgängigkeit der Kundenerlebnisse von der Suche bei Google bis hin zur täglichen Nutzung von Banking-Anwendungen und -Services; 2.) Entwicklung von skalierbaren, innovativen Lösungen; 3.) gezielte Nutzung von Daten – inklusiv, kundennutzenorientiert und datenschutzkonform; und 4.) resilienter Technologie-Einsatz für stabile Handlungsfähigkeit bei sich schnell ändernden Kundenbedürfnissen. In Summe bin ich zuversichtlich, dass gerade jetzt Innovation und Technologie einen Beitrag dazu leisten können, Menschen auch in schwierigen Zeiten zu unterstützen.“ – Julia Koch, Geschäftsführerin, Finanz Informatik

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Die Zeit ist reif für die ChatGPT3-Revolution!

„Der gehypte, künstlich-intelligente Chatbot ChatGPT-3 allein wird die Finanzindustrie nicht revolutionieren. Das neue Denken und Diskutieren über Künstliche Intelligenz (KI), das er auslöst, und die Intelligenz-Infrastruktur, die dahintersteht, wird sich aber 2023 zu einem entscheidenden Moment für die Finanzindustrie verdichten. Technisch stehen hinter ChatGPT-3 und ähnlichen Anwendungen sogenannte „Foundation Models“. Dies sind „vortrainierte“ Intelligenzen, die parallelisierte Selbstlernprozesse nutzen, um Wissen in bisher nicht denkbaren Mengen automatisiert aufzusaugen. Sie sind nicht für besondere Aufgaben ausgebildet, sondern stellen Rohintelligenzen dar, die durch „Finetuning“ spezialisiert werden. ChatGPT-3 ist für die Kommunikation mit Menschen ausgebildet. Andere GPT3-Anwendungen sind auf Programmieren, Grafikerzeugung oder naturwissenschaftliche Aufgaben ausgerichtet. GPT3 ist über APIs nutzbar und schafft bietet damit „KI as a Service“ an. Dies macht Foundation Models zu einer General-Purpose-Technologie mit einer ähnlichen innovativen Kraft wie in der Vergangenheit Druckerpresse, Dampfmaschine, Elektrizität, Mobilfunk oder Cloud Computing. „KI as a Service“ schafft für Fintechs die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem Aufwand KI-basierende Geschäftsmodelle zu entwickeln. Sie müssen nur noch schlanke Modelle entwickeln, die die API-genutzte Rohintelligenz für spezifische Aufgaben fit machen. Mit ChatGPT-3 erleben viele Menschen erstmals im wörtlichen Sinne, zu was KI fähig ist – der Chatbot wirkt wie seinerzeit das iPhone für Mobile-Technologie als Katalysator für das kreative Nachdenken über die unternehmerische KI-Nutzung. Deshalb werden wir 2023 erste KI-First-Fintech-Geschäftsmodelle sehen – wie Real Robo Advising, KI-first Neobanken oder Selbstservice-Kredite. Noch spannender könnte es werden, wenn sich die Zukunftstechnologien KI und Blockchain kreuzen, um etwa Smart Contracts zu entwickeln, die Foundation Models als Input für die Vergabe von DeFi-Krediten nutzen.“ – Hartmut Giesen, Business Development, Sutor Bank

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Die Einlagenjagd wird die Digitalisierung ausbremsen! 

„Die schon fast spektakuläre – mindestens aber sehr überraschende – Zinswende wird die Digitalisierung gleichzeitig fördern und  verlangsamen. Wie das? Die beschleunigenden Faktoren: Das neuausgereichte Kreditvolumen ist geringer als bislang und im wohnwirtschaftlichen Bereich wird das auch eine zeitlang noch so bleiben. Damit aber mögliche Einlagenzinsen überhaupt bezahlt werden können, werden die Banken um das verbleibende „Restvolumen“ noch härter konkurrieren. Dass viele Institute möglicherweise bei den Risiken vorsichtiger agier werden (müssen), lässt den Fokus auf die anderen Bereiche noch stärker werden. Hier müssen sicher alle Vertriebskanäle genutzt werden, wenn eine Bank wachsen will oder muss. Die Margen in der klassischen Baufinanzierung gehen schon zurück! Da es hier aber bereits neue Prozesse und neue Instrumente gibt, werden zahlreiche Geno-Banken diese Chance nutzen. Für den Druck der Plattformen hat der Wandel ohnehin gesorgt. Es ist schwer vorstellbar, dass diese den Volumensverlust nicht versuchen aufzuholen. Die bremsenden Faktoren: Nach einer (schmerzhaften) Übergangsfrist werden die höheren Zinsen den Banken wieder Margen im Passivgeschäft erlauben. Damit wird wieder auf beiden Seiten der Bilanz Geld verdient. UND Einlagengeschäft ist immer noch zu sehr großen Teilen Geschäftsstellengeschäft. Die Geschäftsstellen sind die „Staubsauger“ für die Kundeneinlagen – immer noch! Daher werden sich die Institute diesen wieder zuwenden. Das gleichzeitig schwenkt den Fokus weg von den Themen der Digitalisierung des Vertriebs in der gesamten Wertschöpfungskette – Online-Vertrieb verliert relativ an Bedeutung. Die Konzentration auf Kosten und Digitalisierung wird mit steigenden Erträgen nachlassen. Der „Druck“ sinkt und die Herausforderung wird sein, ohne Not das richtige zu tun. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das oft nicht klappt.“ – Ralf Magerkurth, Vorstandschef, Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank (Reinheim)

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Unreguliertes „Buy now pay later“ steht vor dem Aus!

„Die im vergangenen Jahr enorm gestiegenen Energie- und Gaspreise werden bei den Haushalten voll zu Buche schlagen. Die Teuerungsrate, gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex, wird sich bei rund vier Prozent einpendeln, abhängig von der Entwicklung der geopolitischen Lage sind auch zusätzliche Belastungen nicht auszuschließen. In dieser Situation wird die Kreditwirtschaft gefragt sein, ihren Kundinnen und Kunden möglichst flexible Bezahl- und Finanzierungslösungen an die Hand zu geben – und zwar auf einfachem und unbürokratischen Weg, übersichtlich und transparent. Wir sehen bereits jetzt, dass die Nachfrage nach kurzfristigen, vergleichsweise kleinen Finanzierungen stetig steigt. Die Menschen möchten temporäre Liquiditätsengpässe überbrücken und ihre finanziellen Wünsche und Pflichten erfüllen, ohne an Lebensqualität einzubüßen. Der Bedarf nach möglichst flexiblem Bezahlen und Finanzieren dürfte im kommenden Jahr dabei noch weiter zunehmen. EU-Rat und Parlament konnten sich Anfang Dezember auf eine Verbesserung des Verbraucherschutzes bei der Beantragung von Krediten einigen. Die Verabschiedung der überarbeiteten EU-Verbraucherkreditrichtlinie, die künftig unter anderem auch Kredite über einen Betrag von unter 200 Euro einschließen soll, dürfte 2023 das Ende des unregulierten „Buy now pay later“-Marktes einläuten – eine gute Nachricht für den Verbraucherschutz. Auf Banken und Finanzdienstleister, die ihre BNPL-Funktionalitäten bislang noch nicht als regulierte Verbraucherkredite ausgestaltet haben, käme dann eine Menge Arbeit zu. Sie werden aufschließen müssen zu jenen Instituten, die vollständige Bonitätsprüfungen und Verbraucher-Informationen auch bei geringen Beträgen und Laufzeiten bereits seit Jahren standardmäßig durchführen.“ – Tobias Grieß, CEO, Barclays Consumer Bank Europe

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„Click to Pay“ wird das Bezahlverhalten verändern!

„Konsumenten erwarten schnelle, reibungslose und sichere Zahlverfahren. Handelsunternehmen möchten im digitalen Ökosystem ihren Umsatz maximieren. Vor diesem Hintergrund erkennen Banken und Sparkassen zunehmend, dass ihre Kund:innen Bezahlkarten erwarten, die immer und überall funktionieren – im E-Commerce, im M-Commerce, im Inland und im Ausland. Immer mehr Finanzinstitute setzen auf Debit-Karten oder entwickeln sogenannte Co-Badge-Lösungen mit den zusätzlichen Funktionalitäten, um den Wunsch ihrer Kund:innen nach einem Zahlungsmittel zu erfüllen, das mit ihrem Girokonto verbunden ist und entsprechend direkt abbucht. Für Händler wird zudem der Industriestandards „Click to Pay“ entscheidend. Dabei handelt es sich um eine Wallet-ähnliche Lösung, bei der die Debit- oder Kreditkarte quasi von der physischen in die digitale Geldbörse wandert, allerdings ohne App. Damit können sich Karteninhaber im Checkout schnell identifizieren oder werden automatisch wiedererkannt – ohne ein neues Konto bei dem jeweiligen Shop einrichten zu müssen. Das mühsame Eingeben der langen Kartennummer oder von Passwörtern im Online-Handel entfällt in solch einem Prozess, auch die Liefer- und Rechnungsadresse ist bereits im digitalen Geldbeutel hinterlegt. Gleichzeitig sind alle regulatorischen Anforderungen der PSD2 und der starken Kundenauthentifizierung erfüllt. – Hedi Krüger, Digital Solutions Lead Germany, Mastercard

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Der Krypto-Markt professionalisiert sich für institutionelle Anleger!

„‚Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.‘ So beschreibt Rainer Maria Rilke den Herbst. Aber es ist 2023 und der Kryptomarkt befindet sich nicht mal mehr im Herbst, sondern im tiefen Winter. 2022 war mit der Pleite von Terra, Celsius und nicht zuletzt FTX wieder sehr turbulent. Auch im neuen Jahr ist es möglich, dass unerwartet große Player vom Markt verschwinden. Den seit Jahren erwarteten Einstieg der institutionellen Anleger werden wir erst dann sehen, wenn es ausreichend professionalisierte Angebote gibt. Sie werden und sollten bei der Partnerwahl genauer hinschauen. Dieses Jahr wird auch weiter im Zeichen der Regulatorik stehen. Mit der MiCA-Verordnung steht das Krypto-Pendant zur MiFID vor der Tür: ein bahnbrechendes Framework für einen harmonisierten europäischen Kryptomarkt. Gleichzeitig ist eine schärfere Prüfung der Geschäftsmodelle durch die Regulatoren zu erwarten. Hier kann es für Newcomer ans Eingemachte gehen und vielleicht sehen wir nicht nur Genehmigungen, sondern auch einmal den Entzug einer Lizenz. Produktseitig diversifiziert sich der Markt weiter. Digital Assets unterteilen sich in neue Werte (Krypto-Assets, z. B. Bitcoin oder NFTs) sowie bestehende Instrumente basierend auf der neuen Technologie (Distributed Financial Instruments, z. B. Kryptowertpapiere). Letztere bedeuten für Finanzinstitute nicht weniger, als das Kerngeschäft auf Blockchain umzubauen. Das sind substanzielle Veränderungen. Es bedeutet aber auch, dass die ersehnten Effizenzgewinne ohne einheitliche Abwicklung (inklusive der Geldseite) auf der Blockchain nicht erreichbar sind. Aus meiner Sicht braucht es für die Begebung eines digitalen Euro aber keiner Zentralbank, das kann auch eine Geschäftsbank. Nur auf 2023 zu schauen, ist aber zu kurz gesprungen. Entscheidungen müssen jetzt schon mit Blick auf 2028 bis 2033 getroffen werden. Wir befinden uns in einer Phase der Rüstzeit, in der man ohne massiven Druck aus dem Markt stabile Lösungen aufbauen kann.“ – Simon Seiter, Head of Digital Assets, Hauck Aufhäuser Lampe

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Die wertvollsten Daten werden die zur Risikoanalyse!

„Die Schlagworte 2023 sind vor allem Open Banking und Embedded Finance. Schon jetzt ist Open Banking – also die Entwicklung hin zu einem offenen Ökosystem für Finanzdienstleistetungen – zu einem Standard als „Enabling Technology“ in Banken und Fintechs geworden. Banken werden noch mehr zu datengetriebenen Unternehmen, die weiterhin signifikant in interne APIs investieren, aber auch bisher kleine Geschäftsmodelle durch größere Kundenakzeptanz zu Umsatztreibern entwickeln. Embedded Finance ergänzt diese Entwicklung durch Nicht-Finanzunternehmen, die durch eingebundene Lösungen ebenfalls Finanzprodukte und Services anbieten. Das kann genauso der E-Commerce-Händler sein, der eine Versandversicherung anbietet, wie ein Kaufhaus mit eigener Kundenkreditkarte. Banken merken in diesem immer komplexer werdenden System, dass sie aus eigener Kraft nicht den größten Mehrwert aus ihren Daten ziehen können und benötigen Unterstützung in datengetriebenen Use Cases und Data Analytics. Auch wird immer deutlicher, dass Daten innerhalb der Banken Kollaboration erfordern, um eine gute Kundenerfahrung über verschiedene Produktangebote bieten zu können. Datengetriebene Geschäftsmodelle werden erfordern, dass sich Unternehmen, auch Banken, neu um absolute Kundenzentrierung aufstellen. Wichtiges Wachstumsfeld wird dabei vor allem der Bereich Risk sein. Risikomanagement nimmt sowohl im Retail- als auch im KMU-Markt zu. Daten, die Risiko-Scoring oder -Reduktion (bspw. Income Verification oder Entscheidungs-Felder für Kreditvergabe oder Hypotheken) ermöglichen, werden immer wertvoller. Wir werden dabei neue Anwendungen sehen, die immer mehr Nichtbanken mit Finanzdienstleistungen für ihre Kunden unterstützen. Viele werden dabei vom Nischenthema für Early Adopters hin zum gesetzten Marktstandard wachsen. Und womöglich werden Banken durch die großen Digitalplattformen sogar eines Tages „disintermediated“, das heißt: sie werden gezwungen, sich auf das reine Anbieten von Produkten zu beschränken.“ – Nicola Breyer, CEO, Finleap Connect

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Der Broker mit der besten IT gewinnt!

„Für 2023 und darüber hinaus ist zu erwarten, dass das strukturelle Wachstum im Wertpapiermarkt u.a. durch zunehmenden Wertpapierbesitz in Sparplänen mittel- bis langfristig unterstützt wird. Diese Entwicklung spiegelt sich ebenso in einer steigenden Anzahl der Wertpapierdepots privater Anleger wider. Nach zwei sehr erfolgreichen Handelsjahren in 2020 und 21 wird sich der Markt rund um Dienstleistungen im Wertpapierhandel in den kommenden Monaten neu sortieren. Dabei fördern zusätzliche digitale Angebote von Neobrokern oder Robo-Advisorn den Wettbewerb und schaffen perspektivisch Konsolidierungsmöglichkeiten – auch über Ländergrenzen innerhalb Europas hinweg. Insbesondere aus Deutschland heraus öffnen sich Unternehmen mit Brokerage-Angeboten zunehmend für europäische Kunden. Für Neo-Broker, Online-Vermögensverwalter, Handelsplätze und Banken stehen insbesondere die Digitalisierung und in diesem Zusammenhang die IT-Infrastruktur als Wettbewerbsvorteil im Fokus. Sowohl für etablierte Anbieter als auch für neue Marktteilnehmer gilt, dass sie im zunehmenden Wettbewerb die technischen Prozesse sowie die markt- und produktseitigen Ansprüche an die Systeme stets überprüfen und an aufkommende Anforderungen anpassen müssen. Hierfür benötigen sie eine einwandfreie IT-Infrastruktur, die auch in außerordentlichen Börsenphasen standhält. Jene Marktteilnehmer, die in der Lage sind, neue Märkte und Produktanforderungen zu bedienen und darüber hinaus technisch einwandfrei zu agieren, können den Wettbewerb und die Internationalisierung im Wertpapiergeschäft mitgestalten.“ – Dietmar von Blücher, CFO, Baader Bank

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Er wird ein Jahr der Merger und Kooperationen!

„Das neue Jahr startet im „Risk-Off“-Modus,  dabei kommt den der Finanzwirtschaft mit Blick auf die Zukunftsthemen Unternehmertum, Erfindungsgeist und Aufbruch eigentlich eine Schlüsselrolle in Deutschland zu. Die Banken müssen Kundinnen und Kunden in widrigem Umfeld weiter kompetent zur Seite stehen – trotz steigender Risiken, seien es Ausfälle oder Zinsänderungen. Dabei drängt zugleich die Regulierung auf die Anpassung der Kapitalpuffer und macht es damit Instituten nicht leichter, in der Flaute Zusatzenergie in die Unternehmen zu lenken. Gleichzeitig braucht der enorme Innovationsbedarf für die Transformation eine starke Kapitalseite. Hinzu kommt der Aufwand für die Klima-Risikobewertungen und die Umsetzung der EU-Taxonomie. Es bleibt für die Banken ein Balance-Akt von Investitionen in die eigene Innovation auf der einen und Kosteneinsparungen auf der anderen Seite – bei zunehmendem Bedarf an Nachwuchs. Dabei befinden sich traditionelle Häuser im Wettbewerb mit Fintechs, Technologiekonzernen und Wachstumsunternehmen, die weiter die treibende Kraft für die technologischen Veränderungen sind. Insgesamt dürften sowohl Fusionen und Kooperationen zwischen Banken und Technologieunternehmen im europäischen Kontext als auch Verschmelzungen innerhalb der Säulen der Kreditwirtschaft für etwas Überraschung sorgen. Perspektivisch wird Innovation durch EU-Regulierungsfortschritte zu Kryptomärkten, zu elektronischen Wertpapieren und zur Aktienrente befördert, um den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Bleiben „Schwarze Schwäne“ aus, wird 2023 ein Jahr des Übergangs in ruhigere Fahrwasser. Wenn Strukturprobleme weiter in die Zukunft verschoben werden, erhält das zwar die Unsicherheit im System, die Innovationsdynamik bei Startups und insbesondere bei den Fintechs bleibt aber erfreulich robust.“Achim Oelgarth, Vorstand, Ostdeutscher Bankenverband & Geschäftsführer, Berlin Finance Initiative

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