von Heinz-Roger Dohms, 31. Oktober 2017
Die österreichische Großsparkasse „Erste Group“ spielt nach Informationen von „Finanz-Szene.de“ einen Markteintritt in Deutschland durch. Als Vehikel für diesen Schritt könnte das Multibanking-Tool „George“ dienen, das in der Alpenrepublik bereits von weit mehr als einer Million Menschen genutzt wird – und das die „Erste Group“ über Tochterinstitute auch schon in Tschechien, der Slowakei und demnächst Rumänien anbietet. „An uns sind einige deutsche Banken herangetreten, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Einführung von ‚George‘ in den deutschen Markt auszuloten. Uns freut dieses Interesse und wir evaluieren alle Optionen für eine mögliche Erweiterung der ‚George‘-Plattform in neue Märkte“, bestätigte ein Sprecher der „Ersten Group“ auf Anfrage von „Finanz-Szene.de“. Bislang ist die größte österreichische Bank in Deutschland nur mit einigen Kapitalmarktprodukten wie Anleihen oder Zertifikaten vertreten, die über Banken, Sparkassen oder sonstige Finanzdienstleister vertrieben werden.
Unter digitalaffinen Bankern gilt „George“ schon länger als Geheimtipp. Das Tool startete vor dreieinhalb Jahren als scheinbar normales Online-Banking – nur um sich mit einer Reihe von innovativen Funktionen alsbald deutlich von der Konkurrenz abzuheben. Das Herzstück von „George“ ist dabei bis heute ein „Personal Finance Manager“, der jede Kontobewegung des Nutzers auswertet und in anschauliche Tabellen übersetzt. Dadurch kann der Kunde stets sein Ausgabenverhalten der vergangenen Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre kontrollieren. Als „Finanz-Szene.de“ vor rund einem Jahr mit dem Bankenberater Karsten Junge von Consileon über „George“ sprach, meinte der: „Inzwischen bieten zwar viele Banken solche Applikationen an. So übersichtlich wie ‚George‘ bekommt das aber kaum einer hin.“ Noch euphorischer äußerte sich damals André Bajorat, Chef des Hamburger PSD2-Fintechs Figo: „Es gibt in ganz Europa kein besseres Online-Banking.“
Erste-Bank-Vorstand Bosek denkt allerdings noch weiter. Für ihn ist „George“ nicht nur ein Tool, um die eigenen Kunden mit den eigenen Produkten zu verlinken – sondern die Keimzelle eines Banking-Ökosystems: „Wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass ‚George‘ eine eigene API [Anm.: eine eigene Schnittstelle] hat. Und warum? Weil wir sicherstellen wollten, dass die Nutzer von den Dienstleistungen Dritter profitieren können.“ Seine Vision gehe deshalb über die Entwicklung einer schicken App weit hinaus, so Bosek vor wenigen Monaten gegenüber „Capital“: „Wir wollen mit ‚George‘ eines Tages zu einer paneuropäischen Bankenplattform werden. Eine Art iTunes für Banking.“
Für die deutschen Sparkassen muss diese Ankündigung wie eine Bedrohung klingen. Es heißt zwar, dass sich Grüppchen von Sparkassen-Funktionären in der Vergangenheit sogar nach Wien aufgemacht hätten, um sich „George“ vorführen zu lassen – das fortschrittliche Tool ins eigene Angebot zu übernehmen war aber offenbar nie ein Thema. Begründet wird dies beim Sparkassenverband DSGV mit den „unterschiedlichen Kernbanksystemen“, die eine Integration von „George“ quasi unmöglich machten. Darüber hinaus darf man allerdings vermuten, dass sich die deutschen Sparkassen die Schmach ersparen wollten, bei der Digitalisierung auf die Hilfe des österreichischen Schwesterinstituts angewiesen zu sein. Indes: Sollte die „Erste Group“ nun hierzulande gemeinsame Sache mit direkten Sparkassen-Konkurrenten machen (und das ganz womöglich sogar erfolgreich), wäre die Peinlichkeit sicherlich nicht geringer.
Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.
Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!