Finanz-Szene.de Top 2: Die bilanziellen Coups der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser

„Finanz-Szene.de“ macht zwei Wochen Pause und ist am 14. August mit neuen Top-Stories aus der deutschen Banken- und Fintech-Branche wieder für Sie da. Um die Zeit zu überbrücken, „wiederholen“ wir die zehn meistgelesenen Geschichten aus den vergangenen zwölf Monaten. Heute: „Die bilanziellen Coups von Hauck & Aufhäuser“. Der Artikel erschien am 19. Juni.

Es ist der Job seines Lebens. Im Auftrag des chinesischen Investors Fosun, ausgestattet mit frischem Kapital und frischen Kompetenzen, soll Vorstandschef Michael Bentlage, 53, der altersmüden Privatbank Hauck & Aufhäuser neues Leben einhauchen. Es geht nicht nur darum, das schwachbrüstige Traditionsinstitut – das zuletzt sogar rote Zahlen schrieb – in  die Gewichtsklasse der Metzlers und Berenbergs zurückzuführen. Es geht um eine sehr viel größere Frage: Sind deutsche Geldhäuser bei chinesischen Geldgebern gut aufgehoben?

Die Antwort hierauf gab Bentlage vor wenigen Tagen selber. Da ließ der Hauck-Aufhäuser-Chef nämlich auf Grundlage der 2017er-Zahlen eine Pressemitteilung verschicken, in der vom „besten Ergebnis seit der Finanzkrise“ und einer „deutlichen Steigerung der operativen Profitabilität“ die Rede war. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ geriet  daraufhin in geradezu euphorische Wallung: Hauck & Aufhäuser entwickele sich „prächtig“, wachse „stürmisch“ und werfe „ordentlich Ertrag ab“, war zu lesen.

Bereits im Newsletter des nächsten Tages meldete „Finanz-Szene.de“  allerdings ein paar zarte Zweifel an dieser Darstellung an. Denn: Im „Jahresbericht“ auf der H&A-Homepage fand sich ein nicht näher erläuterter Posten namens „sonstiger Überschuss“, der mit 29,5 Mio. Euro fast  genauso groß war wie der Vorsteuergewinn. Dies deuteten wir als ein erstes Indiz, dass das Ergebnis (anders als  es die Losung von der „deutlichen Steigerung der operativen Profitabilität“ suggeriert) eher nicht rein operativ erwirtschaftet worden war.

Offen blieb: Was hatte es mit dem „sonstigen Überschuss“ genau auf sich? Wo kam er her? Handelte es sich um einen Einmaleffekt? Und wie steht „Hauck & Aufhäuser“ in Wirklichkeit da? Diesen Fragen ist „Finanz-Szene.de“ in den vergangenen Tagen noch einmal in Ruhe nachgegangen. Eine Analyse in fünf Kapiteln:

1. Kapitel: Die „sonstigen betrieblichen Erträge“ im testierten Konzernabschluss

Was uns bei der Ad-hoc-Analyse neulich entgangen war: Beim „Jahresbericht“ auf der H&A-Homepage handelte es sich bei genauerer Betrachtung um gar keinen richtigen Abschluss – sondern eher  um eine Attrappe:  Viele hübsche Bilder. Wenig Substanz. Kein WP-Stempel. Deutlich mehr Aussagekraft hat das eigentliche  Testatsexemplar, das sich mit ein bisschen Suchen ebenfalls auf der H&A-Homepage findet. In diesem Testatsexemplar ist nicht nur von besagtem „sonstigen Überschuss“ die Rede, sondern auch von „sonstigen betrieblichen Erträge“ in Höhe von 34,6 Mio. Euro. Ein Aufriss dieser 34,6 Mio. Euro wird allerdings nicht geliefert. Was hat es mit dieser Position also auf sich?

2. Kapitel: Ganz ohne guten Willen – der „Lucky Buy“ von Hauck & Aufhäuser

Hauck & Aufhäuser hat 2017 zwei bedeutende Zukäufe getätigt, nämlich die Deutsche-Bank-Töchter  Sal. Oppenheim jr. & Cie. Luxembourg S.A. und Sal. Oppenheim Asset Management Services S.à r.l.

Hierzu ein kleiner Exkurs: Wenn ein Unternehmen ein anderes kauft, dann entsteht dabei häufig ein rechnerischer Verlust. Das liegt normalerweise  daran, dass der Käufer dem Unternehmen eine höhere Ertragskraft zubilligt und mehr bezahlt, als das akquirierte Unternehmen Eigenkapital ausweist. Um diesen „rechnerischen Verlust“ im Zuge der Erstkonsolidierung auszugleichen, wird ein sog. aktiver Unterschiedsbetrag gebildet, besser bekannt als „Goodwill“.

Einen ähnlichen Effekt würde man zunächst auch bei den Hauck-Aufhäuser-Sal-Oppenheim-Transaktionen vermuten. Die Analyse von „Finanz-Szene.de“ zeigt jedoch: Die Erstkonsolidierung führte gerade nicht zu einem aktiven Unterschiedsbetrag – sondern im Gegenteil zu einem passiven Unterschiedsbetrag. Das heißt: H&A zahlte für die beiden Gesellschaften weniger, als die beiden Firmen Vermögen aufwiesen.

Für den passiven Unterschiedsbetrag aus der Erstkonsolidierung gibt es nun zwei Fachbegriffe mit unterschiedlichen Bedeutungen: „Badwill“ und „Lucky Buy“. Handelt es sich um einen „Badwill“, dann erwartet der Käufer eine zunächst schwache Geschäftsentwicklung – und zahlt darum weniger, als die Vermögenswerte auf dem Papier wert sind. Der „Badwill“ ist also eine Art Schuld, die zu passivieren und im Zeitablauf aufzulösen ist, um die erwarteten Verluste zu decken. Ganz anders verhält es sich mit dem „Lucky Buy“. Hier geht der Käufer sozusagen davon aus, ein Schnäppchen getätigt  zu haben. Also kann er sich, wenn er möchte, den  Unterschiedsbetrag gleich als Profit in der GuV schreiben. Genau das ist bei „Hauck & Aufhäuser“ offenkundig geschehen.

3. Kapitel: Eine rechnerische Annäherung an den passiven Unterschiedsbeitrag

Der Wert der Anteile, die „Hauck & Aufhäuser“ an verbundenen Kreditinstituten hält, hat sich 2017 laut Jahresabschluss um 71 Mio. Euro verändert – diese Differenz muss auf die beiden Sal.-Oppenheim-Gesellschaften zurückzuführen sein (jedenfalls gibt es keine andere schlüssige Erklärung). Das Eigenkapital dieser beiden Firmen betrug per Jahresende 114 Mio. Euro. Hieraus ergibt sich ein passiver Unterschiedsbetrag von 114 – 71 = 43 Mio. Euro. Da es sich bei einer der beiden Sal.-Oppenheim-Gesellschaften um die Tochter der anderen handelt (das geht aus dem luxemburgischen Handelsregister hervor), muss hiervon das Eigenkapital der kleineren Gesellschaft (6 Mio. Euro) noch abgezogen werden. Bleibt ein passiver Unterschiedsbetrag (bzw. ein „Lucky Buy“) von 37 Mio. Euro.

Diese 37 Mio. Euro entsprechen von der Größenordnung her nun mehr oder weniger den besagten „sonstigen betrieblichen Erträgen“ in Höhe von 34,6 Mio. Euro. „Finanz-Szene.de“ schlussfolgert daher, dass diese Bilanzposition im Großen und Ganzen aus der Erstkonsolidierung der beiden Sal.-Oppenheim-Gesellschaften stammen dürfte. Daraus wiederum ergibt sich aus unserer Sicht die folgende Vermutung: Der ausgewiesene Vorsteuergewinn in Höhe von rd. 29,5 Mio. Euro dürfte ganz wesentlich nicht operativ erzielt worden sein.

Hauck & Aufhäuser stellt hierzu auf Anfrage klar, dass der Verdacht, 2017 könnte es einen operativen Verlust gegeben haben, „falsch“ sei. Eine Sprecherin verweist in diesem Zusammenhang unter anderem darauf, dass die „sonstigen betrieblichen Erträge“ zum Beispiel auch auf Erträge aus Devisengeschäften zurückzuführen seien.

Darüber hinaus teilt H&A in einer schriftlichen Stellungnahme mit:

  • „Das veröffentlichte operative Ergebnis (Lagebericht Abschnitt 3.6.2.1) reflektiert die Erfolgsspaltung der Gewinn- und Verlustrechnung und unterscheidet zwischen dem „operativen Ergebnis“ und dem „außerordentlichen Ergebnis“. Hauck & Aufhäuser hat als Kreditinstitut bei der Bilanzierung über die allgemeinen Rechnungslegungsvorschriften auch die speziell für Kreditinstitute geltenden Bestimmungen der §§ 340 ff. HGB und der RechKredV zu beachten. Hieraus ergeben sich formelle und materielle Unterschiede zur Bilanzierung bei Nichtbanken.“
  • In der Analyse von „Finanz-Szene.de“ fehle „die vollständige Anwendung der Konsolidierungsgrundsätze nach deutschem Handelsrecht“.
  • „Im Konzern entstand zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung von beiden Oppenheim-Gesellschaften im Zuge der Kapitalkonsolidierung ein passiver Unterschiedsbetrag, der auf Grund seines Eigenkapitalcharakters erfolgswirksam im Konzern vereinnahmt wurde. Ferner mussten im Konzern Wertberichtigungen auf Beteiligungen vorgenommen werden und in der Bank entstanden Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen.“
4. Kapitel: Der Verkauf einer alten H&A-Tochter an eine der neuen Gesellschaften

Neben der Erstkonsolidierung der Sal.-Oppenheim-Gesellschaften stieß „Finanz-Szene.de“ bei den Recherchen auf eine weitere spannende Begebenheit: Am 28. Dezember 2017 – also kurz vor Jahresende – verkaufte H&A eine ihrer schon bestehenden Töchter (es handelte sich um die Hauck & Aufhäuser Investment Gesellschaft S.A.) an eine der frisch hinzugewonnenen Sal.-Oppenheim-Gesellschaften. Auch wenn im Geschäftsbericht an keiner Stelle explizit erwähnt wird, welcher Preis hierfür floss, so lassen sich doch auch zu dieser Transaktion ein paar Rückschlüsse ziehen.

An mehreren Stellen im Abschluss heißt es nämlich, dass der Gewinn aus der Veräußerung der bilanziellen Rücklagenposition „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ zugeführt wurde. De facto ging es also um eine stille Reserve, die auf Basis eines Wertgutachtens in der Bank gehoben und sodann in den Risikenfonds eingestellt wurde. Diese Zuführung betrug laut Lagebericht 54,4 Mio. Euro. Zugleich ist aus der eigentlichen Bank ein Buchwert von 8,9 Mio. Euro abgegangen – womit sich ein Kaufpreis von 63,3 Mio. Euro. ergibt. Diese Summe deckt sich mit Angaben, die sich wiederum im luxemburgischen Handelsregister finden.

Hauck & Aufhäuser betont in diesem Zusammenhang, dass der Kaufpreis „durch eine externe Bewertung von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestimmt wurde“. Weiter heißt es in der Stellungnahme: „In der Bank entstand aus dem konzerninternen Verkauf […] ein Ertrag von außerordentlicher Höhe, der dem Fonds für allgemeine Bankrisiken der Bank zugeführt wurden. Der Fonds für allgemeine Bankrisiken erhöhte sich in der Bank im Berichtsjahr um 54.367 Tsd. Euro auf 64.569 Tsd. Euro. Im Konzern erhöhte sich der Fonds für allgemeine Bankrisiken von 4.427 Tsd. Euro auf 9.744 Tsd. Euro.“

5. Kapitel: Wie H&A den Speck vom Schwein trennt, obwohl das Schwein noch lebt

Wie ist der „Tochter an die Tochter verkauft“-Deal nun bilanziell einzuordnen? Zunächst einmal hat die Transaktion keinen (größeren) GuV-Effekt in der Konzernbilanz, da die gehobenen Reserven ja dem „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ zugutekamen. Allerdings: Durch den Deal wurde quasi der Speck vom Schwein getrennt. Und diesen Speck könnte Hauck & Aufhäuser als Muttergesellschaft nun theoretisch nach Bedarf verzehren, in dem die Rücklagen aus dem Fonds einfach aufgelöst werden (alternativ kann das Eigenkapital natürlich auch genutzt werden, um mehr Geschäft zu machen). Per se ist gegen die ganze Transaktion natürlich nichts einzuwenden. Die Frage allerdings lautet: Ist die Tochter wert, was das Gutachten ermittelt hat? War also die Reserve, die gehoben wurde, überhaupt in der Form vorhanden?

Hier lautet die Antwort aus Sicht von „Finanz-Szene.de“: Naja … Denn den Recherchen zufolge bewertet das Gutachten die Gesellschaft  mit dem gut 20-Fachen des Eigenkapitals bzw. mit dem knapp 20-Fachen des Nachsteuerergebnisses. Zum Vergleich: Die von der Deutschen Bank mit Ach und Krach an die Börse gebrachte DWS kommt gerade mal auf ein KGV von 13.

Hauck & Aufhäuser merkt hierzu an: „Die Bewertung basiert auf den Prinzipien aus dem Standard S1 ‚Grundsätze für die Durchführung von Unternehmensbewertungen‘ (IDW S1) und den IDW Accounting Principles ‚Anwendung der Grundsätze von IDW S1 bei der Bewertung von Beteiligungen und anderen Gesellschaftsanteilen für die Zwecke der Erstellung von Abschlüssen in Übereinstimmung mit Deutsches Handelsrecht‘ (IDW RS HFA 10′)“.

Jedenfalls: Einfacher werden die Zeiten nicht. Denn auch wenn die „FAZ“ zu wissen glaubt, dass für 2018 „nun eine weitere Gewinnsteigerung geplant“ sei – die Primärquellen stützen diese Einschätzung eher nicht. Im Gegenteil: Selbst im dürren „Jahresbericht“ von Hauck & Aufhäuser heißt es im Kapital „Prognose“ unmissverständlich:

  • Jahresüberschuss – „stark sinkend“
  • Ergebnis vor Steuern – „stark sinkend“
  • Eigenkapitalrentabilität – „stark sinkend“.

Rechtehinweis

Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.

Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!

To top