„Finanz.Szene.de“ macht zwei Wochen Pause und ist erst am 14. August wieder mit neuen Top-Stories aus der deutschen Banken- und Fintech-Branche für Sie da. Um die Zeit zu überbrücken, „wiederholen“ wir die zehn meistgelesenen Geschichten aus den vergangenen zwölf Monaten. Den Anfang macht heute „Die Digitalisierung des Coba-Firmenkundengeschäfts. Ein Trauerspiel in fünf Akten.“ Der Artikel erschien am 25. September 2017.
Die Digitalisierung des Commerzbank-Firmenkundengeschäfts – ein Trauerspiel in fünf Akten
Wer Martin Zielke zuletzt zuhörte – der musste glauben, die Commerzbank sei in Sachen Digitalisierung jetzt ganz weit vorn. „Wir sind die disruptive Großbank in Deutschland“, ließ sich der Chef der Frankfurter Großbank zitieren. Und in einer hübsch gesetzten PR-Offensive zum sogenannten „Digital Campus“ vermittelte das Institut den Eindruck, nach dem Privatkunden- werde jetzt auch das Firmenkundengeschäft mit Hochdruck technologisiert.
Nun hat die Commerzbank im Retailbereich tatsächlich unbestrittene Fortschritte gemacht. Bei der Digitalisierung des Firmenkundengeschäfts allerdings klafft zwischen Selbstvermarktung und Wirklichkeit eine gewaltige Lücke, zeigen Recherchen von Finanz-Szene.de. Ein Trauerspiel in fünf Akten:
- Akt – Die großen Ankündigungen 2014
Die Älteren werden sich erinnern: Eine ähnlich Ankündigungswelle wie jetzt hat die Commerzbank vor mittlerweile dreieinhalb (!) Jahren schon einmal losgetreten. Damals wurde der hauseigene Startup-Entwickler „Main Incubator GmbH“ mit dem expliziten Ziel gegründet, das Firmenkundengeschäft zu digitalisieren. In der damaligen Pressemitteilung hieß es wörtlich: Das hundertprozentige Tochterunternehmen (also der Main Incubator) „fördert und investiert in Startups mit innovativen Lösungen mit Schwerpunkt auf dem Firmenkundengeschäft“.
- Akt – Millionenschwere Investments, von denen nun die direkte Konkurrenz profitiert
Schon 2014 ging die Commerzbank via „Main Incubator“ zwei „strategische Investments“ ein, wie das damals hieß. Bei dem einen handelte es sich um den Münchner Datenanalyse-Spezialisten Gini, bei dem anderen um den B2B-Payment Anbieter Traxpay. Was wurde aus diesen „strategischen Investments“? Traxpay ist schon seit Monaten ins Firmenkundenangebot der NordLB integriert – nicht jedoch in das der Commerzbank. Gini wiederum war von vornherein (Stichwort „Schwerpunkt auf dem Firmenkundengeschäft“ …) ein strategisch eher seltsames Investment – denn bis heute beschränkt sich das Münchner Fintech auf den Retaibereich. Dort ist Gini freilich inzwischen mit fast jeder bekannten deutschen Bank live, von der Deutschen Bank über die HVB bis hin zur ING Diba und den Sparkassen. Aber nicht – mit der Commerzbank.
Mit anderen Worten: Die selbsternannte „disruptive Großbank in Deutschland“ hat mit ihren millionenschweren „strategischen Investments“ Fintechs gepäppelt, die nun dafür sorgen, dass die direkte Konkurrenz ihre digitalen Angebote verbessert (wobei man natürlich argumentieren kann, dass die Coba zumindest finanziell profitiert, wenn die eigenen Beteiligungen Kunden gewinnen). Auf die Frage, mit welchen „Main Incubator“-Beteiligungen die Commerzbank im Firmenkundengeschäft überhaupt live ist, heißt es: „Sowohl mit Optiopay als auch mit Bilendo gibt es Kooperationsverträge. Die Zusammenarbeit macht uns viel Freude, ist sehr konstruktiv und geht bereits über die Pilotphasen hinaus. Zudem gibt es aus dem Portfolio des Main Incubators weitere Piloten und Gespräche bezüglich potenzieller Kooperationen, die über Anwendungen im Firmenkundengeschäft hinausgehen.“
- Akt – Ein beispielloser personeller Aderlass
Um Strategien nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen zu können, braucht es ein Mindestmaß an personeller Kontinuität. Stattdessen herrscht im Firmenkundengeschäft der Commerzbank – jedenfalls da, wo es um die Digitalisierung geht – offenbar ein ständiges Kommen und Gehen. Sehen Sie selber:
- Markus Beumer: Amtierte bis 2016 als Firmenkundenchef, musste die Bank dann trotz eines bis 2020 laufenden Vertrages verlassen. Inzwischen sitzt er im Vorstand der BHF Bank.
- Birgit Storz: War Gründungsgeschäftsführerin des „Main Incubators“. Arbeitet inzwischen für den Personalberater Egon Zehnder
- Christian Hoppe: War Gründungsgeschäftsführer des „Main Incubators“. Vor ein paar Wochen wurden sein Ausscheiden verkündet.
- Holger Werner: Gehörte als „Bereichsvorstand Strategie & Projekte der Mittelstandsbank“ dem Investmentkomitee des „Main Incubators“ an. Hat das Gremium inzwischen verlassen, ist als CEO/Geschäftsführer des an die Commerzbank angedockten Berliner Startup-Accelerators OpenSpace aber immerhin noch in einem artverwandten Bereich tätig.
- Christof Gabriel Maetze: Gehörte als Bereichsvorstand Transaction Banking dem Investmentkomitee des „Main Incubators“ an. Hat das Gremium mittlerweile verlassen. Ob er noch bei der Commerzbank ist, will das Institut nicht verraten.
- Günther Tallner: Gehörte als Bereichsvorstand Sales für das Firmenkundengeschäft dem Investmentkomitee des „Main Incubators“ an. Ist inzwischen Vorstand bei der NordLB. (also bei jener NordLB, die jetzt mit der Commerzbank-Beteiligung Traxpay rummacht)
- Akt – Glaubt der wichtigste Partner noch an die Commerzbank?
Erinnert sich noch jemand an die riesige Finanzierungsrunde für Traxpay im September 2014? Der „Main Incubator“ trat damals als Lead Investor auf, allerdings nicht alleine, sondern mit einem gewichtigen Partner, der Software AG (hinter SAP der größte deutsche Software-Konzern). Arndt Zinnhardt, Finanzchef der Software AG, zog damals auch ins Investment-Komitee des „Main Incubators“ ein. Inzwischen hat er das Gremium verlassen. Einen neuen Vertreter hat das Damstädter IT-Unternehmen nicht entsandt.
- Akt – Was ist eigentlich aus dem Vorzeigeprojekt geworden?
Mit „Main Funders“ wollte die Commerzbank das Kreditgeschäft für mittelständische Unternehmen revolutionieren. Statt die Darlehen selber zu vergeben, soll „Main Funders“ als Plattform dienen, über die Geschäftskunden mit institutionellen Fremdkapitalgebern zusammengebracht werden. Seit dem Start im Frühjahr vergangenen Jahres hat man von „Main Funders“allerdings nicht mehr viel gehört. Auf Nachfrage teilt die Commerzbank nun mit: „Bei der Main-Funders-Plattform haben wir die Erfahrung gemacht, dass bislang nicht immer alle Risikoprofile von Kreditnehmern auch passend zu den Renditeerwartungen von Investoren sind. Wir beobachten jedoch die weitere Entwicklung sehr aufmerksam und bitten zugleich um Verständnis, dass wir keine Zahlen zu dieser Plattform veröffentlichen.“