Jung. Deutsch. Unternehmer. Underbanked?

Hat der deutsche Bankenmarkt einen blinden Fleck? Diese Frage drängt sich am Ende dieser Woche geradezu auf. Denn nach dem Markstart von Penta gibt es hierzulande nun ein halbes Dutzend neue Player (darunter auch, siehe gestern: Finiata), die es auf eine ganz spezielle Zielgruppe abgesehen haben: nämlich auf Selbständige, Freiberufler und Kleinunternehmer. Zwei Dinge lassen sich über diese Zielgruppe sagen: 1.) Im Vergleich zu Retailkunden ist diese Klientel schwerer zu standardisieren. Und 2.) Im Vergleich zu „richtigen“ Unternehmenskunden sind die Losgrößen in diesem Bereich sehr klein. Doch was folgt hieraus? Heißt das a), dass sich in diesem Geschäft kein Geld verdienen lässt? Oder heißt das b), dass sich sehr wohl Geld verdienen lässt- aber die Banken sehen es nicht? Oder gibt es c) den blinden Fleck womöglich gar nicht? Jedenfalls: Wir haben die CEOs der neuen Anbieter gebeten, uns zu erklären, was ihr Geschäftsmodell ist, wo genau sie ihre Marktlücke sehen und was die Banken (angeblich) falsch machen. Hier lesen Sie, was dabei herausgekommen ist:

Christoph Plantener, CEO von Kontist (Fintech-Bank)

„Für Freelancer und Selbständige ist der Zeitaufwand für die eigene Finanzverwaltung enorm und der fehlende Überblick in Sachen Liquidität ist nicht selten ein Grund für Insolvenz. Leider wurden Selbstständige bisher nicht nur von den klassischen Banken stiefmütterlich behandelt, sondern auch die Fintech- und Digital-Industrie hat dieser Gruppe nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Traditionelle Banken sind schon mit der Frage überfordert, wie Solo-Selbständige eigentlich einzuordnen sind- denn es handelt sich bei ihnen weder um Konsumenten mit regelmäßigen Einkommen, noch um klassisch bilanzierende große Unternehmen. Und aus diesem Unverständnis und Misstrauen gegenüber der finanziellen Volatilität, die im Rahmen selbständigen Arbeitens zur Norm gehört, heraus machen sie Selbständigen das Leben mit bürokratischen Dokumentationspflichten und Prüfungen noch schwerer. Dabei steigt die Bedeutung von Solo-Selbstständigen in der digitalen Ökonomie. Arbeit verändert sich und die Digitalisierung bringt neue Formen von Arbeit hervor, in denen Abläufe flexibler, mobiler, schneller und individueller gestaltet werden. Bei Kontist geht es um die erste digitale Banking-Lösung für diese Berufsgruppe, die für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands immer wichtiger wird. Mit einer unkomplizierten, schnellen Anmeldung über das Smartphone und einer einfachen, papierlosen Handhabung berechnet unser Geschäftskonto für Selbständige zudem automatisch die Einkommen- und Umsatzsteuer unserer Nutzer und legt diese auf ein Unterkonto. Unsere Banking-App reduziert so den organisatorischen Aufwand und schafft für Selbständige einen Echtzeit-Überblick und somit volle Kontrolle über die eigenen Finanzen.

Thorsten Seeger, CEO von Funding Circle Deutschland (Kreditmarktplatz)

„Über die letzte Dekade haben sich die Finanzierungsbedingungen für kleine Unternehmen verschlechtert – und sind zu einem der größten Innovations- und Wachstumshemmnisse geworden. Je jünger und kleiner das Unternehmen, desto höher sind die Hürden, trotz guter Bonität. 27% der Unternehmen bis 1 Mio. EUR Umsatz berichten hierzulande berichten laut „KfW Unternehmensbefragung 2017″ von gestiegenen Schwierigkeiten beim Kreditzugang. Für diese Entwicklung gibt es strukturelle, regulatorische und technologische Gründe – eine Schieflage, die Banken alleine nicht begradigen werden. Seit 2000 wurde bundesweit jede vierte Bankfiliale geschlossen und diese Ausdünnung nicht adäquat durch digitale Angebote aufgefangen. Die überproportionale Regulierung seit der Finanzkrise macht die Kreditvergabe an kleine Unternehmen für Banken unattraktiv und führt zu hohem Mehraufwand für Unternehmer. Zudem halten Banken an den langsamen und komplizierten Antragsprozessen des letzten Jahrhunderts fest. Kreditmarktplätze wie Funding Circle sanieren ein überholtes System und mindern die Abhängigkeit kleiner Unternehmen vom traditionellen Bankensystem. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen ist klar: Indem wir Anlagen von Privatpersonen in Firmenkredite erstmals auch kleinen Unternehmen zugänglich machen, kurbeln wir Investitionen, Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen an.“

Antti-Jussi Suominen, CEO von Holvi (Fintech-Bank)

„Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Selbstständigen in Deutschland in Zukunft weiter steigen wird. Diese Zielgruppe benötigt flexible Werkzeuge, um Geld aus verschiedenen Quellen zu sammeln, während sie an einer Reihe von Projekten für verschiedene Arbeitgeber arbeiten. Derzeit werden sie von traditionellen Banken und anderen Anbietern schlecht betreut, das machen wir anders. Holvi ist digitales Banking, das von Selbstständigen für Selbstständige entwickelt wurde. Wir kombinieren Bankgeschäfte mit Business-Tools in einer maßgeschneiderten Lösung für Freiberufler, Selbständige und Kleinunternehmer. Unser Fokus liegt darauf, unseren Kunden dabei zu helfen, alle administrativen Aufgaben zu automatisieren, die nicht zum Wachstum ihres Unternehmens beitragen.

Sebastian Diemer, CEO von Finiata (Factoring-Fintech)

„Wer als Freiberufler oder Selbstständiger für einen Moment nicht liquide ist, der ruft bei seiner Bank an und erhält mit etwas Pech erst nach einigen Wochen einen Termin. Das Ärgerliche: Banken selber treffen häufig ja überhaupt keine Risikoentscheidungen. Also sammelt der Freiberufler alle möglichen Unterlagen von Schufa bis Crefo und verschickt sie per Post. Irgendwann, wenn er höchst wahrscheinlich längst kein Geld mehr braucht, erhält er eine Kreditzusage – oder wie in den meisten Fällen eine Absage. Das Ganze ist doch völlig absurd! Alle Beteiligten verschwenden wertvolle Arbeitszeit – vom Bankmitarbeiter, über den Selbstständigen zum Schufa-Angestellten. Das ist wie mit Tinte auf tote Bäume zu schreiben. Besonders ärgerlich an teuren altbackenen Scoring-Verfahren: Gerade die „Kleinen“, die durch ausstehende Rechnungen in Existenznot geraten können, fallen permanent durchs Raster. Traditionelle Banken vergeben Kredite nicht an diejenige, die sie am dringendsten brauchen, sondern an diejenigen, die sich am meisten rechnen – und glauben dabei, dass Beträge von einigen zehntausend Euro zu marginal sind. Ein gewaltiger Irrtum, wenn man nicht wer weiß wie viel Manpower verschwendet: Denn der Aufwand ist minimal, wenn man beim Scoring basierend auf fundierten Datenquellen auf selbstlernende Algorithmen und Machine Learning setzt – statt auf sinnlose Zeitverschwendung und überflüssigen Papierkram. Wir sind sozusagen eine Bank inklusive automatisiertem Kreditbüro. Unsere variablen Kosten laufen dank des eigenen Risikomodells gegen Null, was sich entsprechend in günstigen Finanzierungskonditionen wiederspiegelt. Zusammengefasst sind kleine KMU, Selbstständige und Freiberufler für neue digitale Player also aus zwei Gründen so lukrativ: Erstens ist die potenzielle Zielgruppe riesig, zweitens ist die Nachfrage nach effizienten Online-Lösungen immens.“

Rafal Lipinski, CEO Hufsy (Fintech-Bank)
Hufsy ist eine Finanzmanagement- und Business-Bankinglösung, die vor allem Start-ups, mittelständische Unternehmen und Freelancern hilft, ihre Geldgeschäfte einfacher und schneller zu tätigen. Unser Geschäftsmodell umfasst zwei Preismodelle: Nutzer wählen zwischen Basic und Pro, je nachdem welche Funktionen sie brauchen und welche nicht. Die Marktlücke sehen wir darin, dass es in Deutschland viele Anbieter gibt, die nicht genau definieren, was sie eigentlich sind und keine wirklich kostengünstigen und simplen Banking-Lösungen anbieten. Uns ist wichtig, dass wir uns mit Hufsy auf das Wesentliche fokussieren. Der Bankensektor ist eine traditionelle Branche, die langsam arbeitet. Aufgrund von Regulierungen und Gesetzen ist es schwer Innovationen voranzutreiben. FinTech-Start-ups sind mit ihren Ideen viel agiler und müssen Banken antreiben – ähnlich wie ein Speedboat, dass einen Dampfer mitzieht. Das deutsche Bankenwesen muss in Zukunft offener für Veränderungen sein und neue Wege gehen: Produkte und Prozesse müssen digitaler und die Bürokratie abgebaut werden.

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