von Heinz-Roger Dohms, 17. Januar 2018
Kreditech – das mit mehr als 300 Mio. Euro mutmaßlich höchstbewertete deutsche Finanz-Startup – hat mit riesigen Verlusten zu kämpfen. Wie aus dem diese Woche im Bundesanzeiger veröffentlichten Konzernbericht hervorgeht, verloren die Hanseaten 2016 knapp 59 Mio. Euro; 2017 seien dann nach vorläufigen Zahlen weitere rund 55 Mio. Euro hinzugekommen, sagte Gründer Alexander Graubner-Müller gestern im Gespräch mit „Finanz-Szene.de“. Er bestätigte, dass Finanzvorstand Renè Griemens – der eine Zeitlang als wichtigster Mananager bei Kreditech galt – das Unternehmen verlassen wird. Das „Handelsblatt“ hatte gestern Nachmittag zuerst über die Demission berichtet.
Die Verluste von zusammen rund 114 Mio. Euro binnen 24 Monaten werfen grundsätzliche Fragen nach der finanziellen Verfassung von Kreditech auf. So reduzierte sich das Eigenkapital 2016 laut Konzernbilanz von 40,8 Mio. Euro auf nur noch 1,3 Mio. Euro – wobei das Unternehmen hierfür auch buchhalterische Effekte geltend macht (konkret: die Realisierung der kompletten Wertberichtung für den Ausfall von Krediten zum Zeitpunkt der Kreditvergabe).
Im Mai 2017 wurde dann zwar der Einstieg des südafrikanischen Medienkonzerns Naspers verkündet. Wieviel von den damals kolportierten 110 Mio. Euro aber tatsächlich im Unternehmen landete (und nicht bei Altgesellschaftern, die Anteile verkauften), ist bis heute unklar. Graubner-Müller wollte sich dazu gestern nicht konkret äußern. [Ergänzung, 18. Jan, 12.54 Uhr: Ein Leser machte uns darauf aufmerksam, dass Renè Griemens vor knapp einem Jahr gegenüber „Gründerszene“ gesagt hat, dass weniger als ein Drittel der 110 Mio Euro dazu verwendet worden sei, die Altgesellschafter herauszukaufen.] Fest jedenfalls steht, dass der neuerliche Verlust 2017 auch erneut ins gerade erst aufgepolsterte Eigenkapital ging. Dennoch betonte der 29-Jährige, dass „derzeit kein Kapitalbedarf“ bestehe. Auf die Nachfrage, ob diese Aussage für das gesamte Kalenderjahr 2018 gelte, antwortete Graubner-Müller mit einem klaren „Ja“.
Was auffällt: Gemessen an den Verlusten nehmen sich Kreditechs Umsatzzuwächse zumindest bis Ende 2016 mau aus. Nachdem die Hamburger 2015 ohnehin schon enttäuschende Erlöse von lediglich 39,2 Mio. Euro hingelegt hatten, folgte ein Jahr später gerade mal ein Plus von rund 15 Prozent auf 45,3 Mio. Euro. Graubner-Müller begründete dies mit der „konsequenten Weiterentwicklung des Geschäftsmodells“ weg von kurzfristigen Mikrokrediten hin zu eher klassischen Ratenfinanzierungen. „Letztere sind naturgemäß deutlich niedriger verzinst, was sich plangemäß auf der Umsatzseite bemerkbar gemacht hat.“ 2017 seien die Umsatzerlöse dann aber nach vorläufigen Zahlen um fast 50 Prozent gestiegen, so Graubner-Müller. „Und noch wichtiger: Wir haben unsere Kundenzahl im vergangenen Jahr auf rund 780.000 gesteigert.“
Auf dieser Basis solle Kreditech 2018 nun „einen großen Schritt Richtung Profitabilität gehen“. Konkret kündigte Graubner-Müller an, die Verluste in etwa zu halbieren. „Dafür haben wir 2017 eine sehr gute Grundlage geschaffen.“ Wer René Griemens als Finanzvorstand nachfolgt, steht noch nicht fest. Daneben scheidet auch Technologiechef Michal Panowicz bei Kreditech aus. Für ihn steigt zum 1. Februar Todd Simmermann ein, der bislang Technologie-Vorstand bei Paysbuy war, dem größten Zahlungsanbieter in Thailand.
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