von Heinz-Roger Dohms, 8. Januar 2019
Soso, nur eine von zwölf deutschen Banken erwirtschaftet also ihre Eigenkapitalkosten. Wurde jüngst jedenfalls überall vermeldet. Urheber der Nachricht? Die Beraterfirma Bain, deren jährliche Erhebung zum teutonischen Bankenmarkt längst Benchmark-Status genießt. Fragt sich nur: Ist die Studie analytisch überhaupt zielführend? Wir möchten da ein paar Zweifel anmelden, nachdem wir uns zwischen den Jahren einfach mal durch die Bilanzen diverser deutscher Kreditinstitute gelesen haben. Beispiel: die Sparkasse Aachen. Die dürfte mit ziemlicher Sicherheit zu den Banken gehören, die laut Bain-Methodik ihre EK-Kosten NICHT verdienen. Zugleich zeigen unsere Berechnungen allerdings, dass die Sparkasse Aachen sensationellerweise fast so profitabel arbeitet wie die amerikanische Citigroup. Glauben Sie nicht? Hier unsere Analyse:
(Smartphone am besten QUER HALTEN, wenn Sie die GuV wirklich lesen wollen. Sollte Ihnen die Tabelle zu üppig sein, dann können Sie problemlos auch gleich zum nächsten Punkt runterscrollen …)
Unser Gefühl: Das ist zwar eine sehr gute, aber zugleich auch eine „normale“ Sparkassen-GuV in dem Sinne, dass sie nichts enthält, was man in den GuVs anderer Sparkassen nicht auch finden könnte Die Zahlen sind transparent, nachvollziehbar und unserem Eindruck nach durch keine größeren Sondereffekte geprägt.
Die Ertragskraft zeigt sich in letzter Konsequenz anhand von drei Kennziffern, nämlich den Zeilen 25 („Jahresüberschuss“), 23 („Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“) sowie 18 („Zuführungen zu dem Fonds für allgemeine Bankrisiken“).
Ein bisschen platt gesagt:
So, und ganz, ganz, ganz wichtig: Es kommt vor, dass Sparkassen stille Reserven auflösen, um diese dann in die offene Reserve (sprich: in den „Fonds für allgemeine Bankrisiken“) zu überführen. So scheint es bei der Sparkasse Aachen 2016 gewesen zu sein (siehe oben in der GuV, Zeile 18, die üppigen 90 Mio. Euro in der rechten Spalte …). Saubererweise sollte man dieses Geld eher nicht dem operativen Gewinn zuschlagen, schließlich wurde das Geld ja nicht aktuell erwirtschaftet, sondern irgendwann in der Vergangenheit. Indes: Im Abschuss findet sich der explizite Hinweis, „dass in 2017 keine Umwidmung von Vorsorgereserven (§ 340f HGB) in den Fonds für allgemeine Bankrisiken (§ 340g HGB) vorgenommen wurde“. Alles gut also, so zumindest unser Eindruck.
Unterm Strich: Wir haben es mit 113 Mio. Euro Gewinn zu tun, und dieser scheint im Großen und Ganzen operativ erwirtschaftet worden zu sein (bei freilich sehr niedriger Risikovorsorge …)
Erlauben Sie uns, die Profitabilität auf Basis der Bilanzsumme zu kalkulieren statt auf Basis des Eigenkapitals? Nicht weil wir tricksen wollen. Sondern weil wir finden, dass die Berechnung auf Basis der Bilanzsumme bei kreditgebenden Banken (anders als bei Investmentbanken oder Private-Banking-Häusern) durchaus Sinn macht. Letztlich geht es ja darum abschätzen zu können, welches Rad so eine Bank im Kreditgeschäft drehen muss, damit am Ende ein bisschen was rumkommt. Und da ist „Gewinn durch Bilanzsumme“ unserer Meinung nach nicht der dümmste Indikator.
Also: Die Bilanzsumme der Sparkasse Aachen betrug per Ende 2017 ziemlich exakt 11.055 Mio. Euro. Wenn Sie hierdurch jetzt den weiter oben errechneten Gesamtgewinn von 113 Mio. Euro teilen, dann kommen sie auf auf eine Vorsteuerrendite von 1,02%. Das ist unsere Ansicht nach eine ziemlich beeindruckende Zahl, denn zur Erinnerung: Wir befinden uns bei unseren Berechnungen im Jahr 2017, also mitten im Zinstief.
Zur Veranschaulichung: Käme die Commerzbank (Bilanzsumme per Ende 2017: 452, 5 Mrd. Euro) auf eine Vorsteuerrendite von 1,02%, dann hätte sie in jenem Jahr mal eben 4,6 Mrd. Euro Vorsteuergewinn gemacht. Und die Deutsche Bank? Dort wären es 15,1 Mrd. Euro gewesen.
Und falls sich in Ihrem Kopf jetzt der Gedanke hegt, dass das doch alles beim besten Willen gar nicht sein kann, weil die Sparkasse Aachen (die Sparkasse Aachen!) dann ja ähnlich profitabel wäre wie die großen Wall-Street-Banken, von denen es ja immer heißt, sie seien so unverschämt profitabel …
… natürlich haben wir auch das mal durchkalkuliert (allerdings saubererweise auf Basis der Nachsteuerendite, weil wir uns als kleiner No-Name-Blog niemals trauen würden, der dividendenfixierten Wall Street irgendwelche Vorsteuerzahlen vorzusetzen):
Der Vollständigkeit halber:
Und trotzdem: Dass eine deutsche Sparkasse im Jahr 2017 ähnlich profitabel arbeitet wie eines der ganz großen US-Institute, finden wir dennoch extrem bemerkenswert, zumal ja, wenn man, die vielzitierte Benchmark-Studie von Bain zu Rate zieht, infrage steht, ob besagte deutsche Sparkasse überhaupt profitabel arbeitet.
Denn …
Diesen letzten Punkt können wir, um ehrlich zu sein, nicht nachvollziehen. Denn es geht Bain ja, wenn wir es richtig verstehen, um eine Betrachtung der Profitabilität. Und die Profitabilität, also die Wirtschaftlichkeit, lässt sich unserer Meinung nach nicht vernünftig ermitteln, wenn man einen Teil des erwirtschafteten Geld einfach außen vor lässt.
Was wir aber fairerweise hinzufügen sollten: 1.) Diese Methodenkritik haben wir aus Anlass der 2017er Bain-Studie schon mal ausführlich geäußert und wollen es deshalb nicht nochmal tun. Und 2.) Bain ist in der 2018er-Studie auf diese Kritik insofern eingegangen, als nun explizit darauf hingewiesen wird, dass sowohl die Sparkassen als auch die Genossenschaftsbanken wesentlich besser abschneiden, wenn man die in den „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ eingestellten Gelder hinzurechnet. Konkret:
Zurück zur Sparkasse Aachen: So wie wir die Methodik von Bain verstehen, nimmt man in deren Fall nun also den Jahresüberschuss von 38,2 Mio. Euro und teilt diesen durch das Eigenkapital, das aus dem Eigenkapital* im engeren Sinne (879,6 Mio. Euro) zuzüglich des „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ (571,7 Mio. Euro) besteht. Macht 2,6% Eigenkapitalrendite.
Das ist deutlich weniger als die Eigenkapitalkosten, die von Bain für die deutsche Bankenbranche sozusagen pauschal mit 4,9% veranschlagt werden.
Rechnet man hingegen im Zähler die Abführungen in den „Fonds für allgemeine Bankrisiken hinzu“, kommt man auf 38,2 plus 34,5 Mio. Euro, macht 72,7 Mio. Euro durch 1451,3 Mio. Euro (also die Summe aus den 879,6 Mio. Euro und den 571,7 Mio. Euro). Ergibt: 5,0%.
Womit die Sparkasse plötzlich über den 4,9% liegt. Aber: auch nur so richtig, richtig, richtig knapp. Drum die Frage: Warum liegt ausgerechnet die auf der Ertragsseite offenkundig formidabel aufgestellte Sparkasse Aachen mit ihren 5,0% Rendite sogar unter dem Sparkassen-Durchschnitt von (siehe oben) 6,5%?
Und hier kommen wir nun zur eigentlichen Krux der Bain-Methodik. Die liegt nämlich nicht im Zähler. Sondern: im Nenner!!!
Vermutlich hat es bei Ihnen längst geklingelt:
Macht: eine Eigenkapitalquote von 13,2%. Und wohlgemerkt, wir reden hier nicht von der Art von Eigenkapitalquoten, wie sie gängigerweise berechnet werden (also gemessen an den risikogewichteten Assets). Sondern, wir reden hier von einer Vulgär-Variante der berühmten „Leverage Ratio“.
Exkurs: Liebe Regulierungsexperten unter unseren Lesern, ja, wir wissen, dass die gemäß CRR regulatorisch korrekt definierte „Leverage Ratio“ etwas anders (und komplexer) errechnet wird als die von uns hier präsentierte Vulgär-Variante. Laut Offenlegunsbericht betrug sie 2017 bei der Sparkasse Aachen im Jahr 2017 exakt 11,09%
… was allerdings, da werden Sie uns hoffentlich rechtgeben, an der grundsätzlichen Erkenntnis wenig ändert: Die „Leverage Ratio“ der Sparkasse Aachen, ob vulgär oder nach CRR ermittelt, liegt ganz grob gesagt beim Dreifachen (!) dessen, was „normale“ Privatbanken selbst heutzutage (nach vielen Jahren der Kapital-Aufpolsterungen bzw. der Bilanz-Schrumpfungen ) auf die Waage bringen.
Was heißt das nun?
Wir wollen uns hier nicht an den einst sehr intensiv geführten Debatten beteiligen, welche Kapitalausstattung für Banken die richtige ist (unser Beitrag zu dieser Debatte würde nämlich lauten: null Ahnung). Fest allerdings dürfte stehen:
„Mit einer Leverage Ratio von 11% oder 13% ist es fast unmöglich, eine hohe Eigenkapitalrendite zu erzielen.“
So sagt es jedenfalls ein ausgewiesener Experte, den wir zu Rate gezogen haben, nämlich Guido Versondert, Analyst bei der renommierten Schweizer Ratingboutique Independent Credit View (die u.a. auf die Bewertung kleiner und mittelgroßer deutscher Banken spezialisiert ist).
Vermutlich sind die allermeisten Sparkassen und Volksbanken nicht ganz so fett kapitalisiert, wie es die Sparkasse Aachen ist. Aber: Ein gewisser Hang zu einer vergleichsweise üppigen Kapitalisierung dürfte beiden Sektoren innewohnen.
Da heißt in letzter Konsequenz:
… es sei denn …
Es sei denn, die Lehre aus der Bain-Studie würde lauten, dass der deutsche Bankensektor massiv zu dekapitalisieren sei. Diese Schlussfolgerung wäre konsequent. Bloß: Sie findet sich, soweit wir das sehen, nirgends.
*Genau genommen verwendet Bain das durchschnittliche Eigenkapital, was aber keinen großen Unterschied macht
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