von Heinz-Roger Dohms, 30. November 2017
Nachdem wir gestern die Kritik des Fintech-Bloggers Leopold Bosankic an den Geschäftsmodellen der deutschen P2P-Payment-Anbieter verlinkten, kam Malte Klussmann, Chef der Berliner Startups Cringle, unserer Bitte nach, ob er nicht eine kurze Replik verfassen könne. So viel sei vorweggenommen: Aus der kurzen Replik ist eine lange geworden:
Von Malte Klussmann, Gründer und Chef von Cringle
Zunächst möchte ich Danke sagen. Denn, so viel sei vorweggenommen, ich gebe Herrn Bosankic Recht, dass im Bereich Mobile Payment insbesondere auf dem deutschen Markt noch ein verstärkter Aufklärungsbedarf besteht. Dieser Artikel leistet hierzu seinen Beitrag, deshalb vielen Dank!
Doch schon bei der Headline „Venmo, MobilePay, Cookies, kwitt, N26’s MoneyBeam, PayPal, Wavy, Lendstar… and now Cringle” zuckte ich kurz zusammen. Warum? Hierfür würde ich mit Ihnen gerne ein paar Jahre in die Vergangenheit reisen, ins Jahr 2014. Das Jahr, welches als Datengrundlage für die Beschreibung der P2P-Situation im Jahr 2017 im genannten Blog-Eintrag von Leopold Bosankic dient.
Im Jahr 2014 haben wir Cringle offiziell gestartet und unsere Kooperation mit der Deutschen Kreditbank AG öffentlich bekannt gegeben. Ein junges Fintech und eine der größten Direktbanken Deutschlands arbeiten zusammen. Das war in dem damaligen „Banken vs Fintechs“-Umfeld ein echtes Novum. In einer Zeit VOR Cookies, Kwitt, MoneyBeam und Wavy.
Wir haben Cringle gestartet, weil uns eine mobile Alternative zu Bargeld und Online-Überweisung fehlte. Denn, wie Herr Bosankic richtig herausstellt, dominierte im Jahr 2014 das Bargeld. Doch der Bedarf nach einer einfachen, digitalen Lösung schien schon damals vorhanden zu sein. Ich krame auch mal eine alte Statistik hervor und werfe „Mobile Wallet: Erfolgsfaktoren für das digitale Portemonnaie“ (2013) von PwC in den Raum. So würde der Großteil die mobile Wallet dafür einsetzen, Geld einfach an andere Personen zu senden. Auch die Technologie für alternativen zum Bargeld und Online-Banking war gegeben, doch es gab jedoch noch keine Umsetzung einer an dieses Bedürfnis ausgerichteten, einfachen Lösung. Bargeld bleibt die einzige Möglichkeit.
Bosankic zeigt auch den Rückgang der Bargeldzahlungen auf, von 2008 bis 2014. In der Tat scheint es nur eine langsame Veränderung zu sein. Doch die Adaptionsrate neuer Technologien ist meiner Meinung nach kein linearer Prozess, sondern nimmt immer mehr Momentum mit fortschreitender Entwicklung auf. So prognostiziert die Bundesbank 2014 in ihrer Studie selbst mittelfristig einen wertmäßigen Rückgang des Barzahlungsanteils unter die 50%-Marke, getrieben von der „heranwachsenden technikaffinen Generation“. Mittelfristig wird definiert als „ein bis fünf Jahre“, es liegt also eine spannende Zeit vor uns.
Und damit würde ich sagen, haben wir genug in Erinnerungen an vergangene Zeiten geschwelgt. Springen wir wieder ins heute, denn es hat sich in der Zwischenzeit viel getan.
Beiträge wie der von Leopold Bosankic zeigen, dass Mobile Payment / P2P mit dem Smartphone und dem damit einhergehenden Komfort schneller Transaktionen inzwischen ins Bewusstsein der Masse rücken. Immerhin 55% der Bankkunden empfehlen Freunden und Familie ihre Fintech-Lösung, nur 32% empfehlen ihre Bank weiter (2017). Ebenfalls wünscht sich jeder zweite Privatkunde von seiner Bank eine engere Zusammenarbeit mit Fintechs, insbesondere verstärkt im Bereich P2P-Zahlungen (2017).
Es folgen weitere Unternehmen Cringles Beispiel, und neue Anbieter erscheinen nun auf dem Spielfeld, wie die Sparkassen, die Genossenschaftsbanken, Cookies/Wavy und auch Paydirekt mit seiner neuen P2P-Funktionalität!
Natürlich gilt für alle: „Having a customer base is important“, wie Bosankic herausstellt. Aber eben für alle, nicht nur für Cringle. Diesbezüglich stellt Bosankic berechtigterweise die Frage, ob P2P-Lösungen überhaupt Anwendung in Deutschland finden, da der deutsche Markt nicht mit dem dänischen vergleichbar ist. Doch gibt es mit Mobile Pay eben seit 2013 eine Lösung, die sich über vier Jahre zum Branchenprimus entwickelt hat. Es ist also nicht immer nur die „fehlende Mentalität“ der Deutschen, sondern auch die fehlenden technologischen Möglichkeiten zu einem gewissen Zeitpunkt. Wenn mir digitale Alternativen fehlen, habe ich keine andere Wahl, als Bargeld zu nutzen. Dies zählt vonseiten des Angebots, als auch der Akzeptanzstellen. Wo einige Länder bereits ein Reifestadium für Mobile Payment erreicht haben, steckt Deutschland in den Kinderschuhen. Erst wenn ich ein umfangreiches Angebot an digitalen Lösungen habe, kann ich tatsächlich eine bewusste Entscheidung für oder wider Bargeld treffen.
Wir machen es einfach wie Steve Jobs und sagen „You can’t just ask customers what they want and then try to give that to them. By the time you get it built, they’ll want something new.”
Dann bleibt abschließend natürlich noch der Ansatz, mit dem das Ziel erreicht werden soll.
Dass der pan-europäische Ansatz von Cringle eine Fehleinschätzung ist, sehe ich naturgemäß anders. Viele unserer Nutzer haben im Ausland mobile P2P Lösungen kennen und lieben gelernt. In Deutschland sind sie auf dann auf Cringle gestoßen. Sie haben viele Freunde und Bekannte im europäischen Ausland, viele sind berufsbedingt oft innerhalb Europas unterwegs. Sie freuen sich, Cringle in ganz Europa als einheitliche Lösung nutzen zu können.
Kontextbasierte Zahlungen sind absolut ein Zukunftsthema. Diesen Ansatz verfolgen wir unter anderem mit unserer Cringle API, über die sich die Cringle-P2P-Funktionalität in Apps dritter Anbieter integrieren lässt.
Die Frage, ob P2P ein Produkt oder eine Funktion ist, stellt sich mir nicht.
„What this implies is that P2P payments are a use case too small to merit an own app and are thus a feature and not an app.” ist aus meiner Sicht eine ziemlich gewagte Aussage von Herrn Bosankic.Gibt es mit Venmo, Swish und Zelle doch durchaus Anbieter, die P2P als Produkt sehr erfolgreich gemacht haben. Genauso haben integrierte P2P-Funktionen wie die der Sparkassen und Genossenschaftsbanken sicher auch Befürworter, sind am Beispiel paym aber bisher weniger erfolgreich.
Für mich stellen sich hier andere Fragen.
Ist P2P überhaupt ein „Winner-takes-it-all“-Markt? Ein klares Nein gibt es hier vom PayPal CEO.
Sind nicht die Ansprüche der Nutzer an Zahlungslösungen so vielfältig wie die Zahlungslösungen selbst? Macht nicht genau dies den Erfolg von App-Stores aus, dass ich mir selbst die Lösungen installieren kann, die mir gefallen? Sollte nicht vielmehr darüber nachgedacht werden, die Lösungen interoperabel zu gestalten?
Genauso wenig wie Bosankics Kennzahlen für den aus seiner Sicht richtigen Ansatz für P2P-Zahlungen nennt, kann ich es an dieser Stelle tun.
Daher würde ich diese Entscheidung doch einfach den Nutzern überlassen.
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