von Georgia Hädicke und Julian Kügelken, 8. Juli 2022
Mindestens so viel Pech wie manches Fintech mit seiner Personalplanung haben wir hier mit unserer Themenplanung. Als wir vor zwei Jahren unsere “Fintech-Job-Studie” (siehe hier) veröffentlichten, kam Corona übers Land – und der Jobmarkt fror ein. Und diesmal? Hatten wir endlich unsere Daten für die “Fintech-Jobboom-Serie” beisammen – und der Jobboom war vorbei. Da saßen wir dann also mit unseren Daten, unserer Serie und überhaupt. Und nun?
Zu den zeitlos gültigen Weisheiten gehört, dass nix weggeworfen wird, was noch zu gebrauchen ist. Und so haben wir unsere Serie also trotzdem gestartet. Leicht schamvoll, meist etwas weiter unten im Newsletter. Und in der Hoffnung, der Erkenntnisgewinn möge vielleicht doch nicht gegen Null tendieren. Weil: Um zu verstehen, was aktuell in der deutschen Fintech-Branche passiert, hilft es ja durchaus, sich noch einmal zu vergegenwärtigen, was in den zwei Jahren zuvor passiert ist. Ohne Boom kein Bust. Ohne massenhafte Einstellungen keine massenhaften Entlassungen.
Womit wir bei Finoa wären. Denn: Finoa ist, hinter dem Kreditkarten-Spezialisten Moss, das deutsche Fintech, das während unseres Erhebungszeitraums (Mai 2020 bis April 2022) am stärksten expandiert hat. Um satte 292% ist die Belegschaft gewachsen! Dabei gehört Finoa interessanterweise zur Kaste der Krypto-Startups – also zu jener Kaste, die (siehe Nuri und Bitpanda sowie die Pleite der Olaf-Scholz-Neffen) ganz besonders zu kämpfen hat dieser Tage. Mag sein, dass Finoa über ein krisenfesteres Geschäftsmodell als andere Krypto-Fintechs verfügt: Backend statt Frontend, dickes Brett statt schneller Bitcoin. Indes – die Gehälter müssen trotzdem erst mal bezahlt werden.
Was also sind das für Leute, die bei so einem Player arbeiten? Wo kommen sie her, was haben sie gelernt, gelingt mit so einer Truppe der Umschwung von Wachstum auf Profitabilität? Wir haben uns 96 Profile (so groß war Finoa zum Zeitpunkt der Datenerhebung Ende Q1) angesehen und sie zu analysieren versucht. Die Anatomie einer Fintech-Belegschaft:
Die Beschäftigten, deren Tätigkeit den Bereichen Technologie und Produkt zugeordnet werden kann, sind auch bei Finoa in der Überzahl. Es steht zu vermuten, dass die Anzahl in der Realität noch einmal etwas höher ist als die von Linkedin erfassten Werte, da sich manche Mitarbeiter gerade im Tech-Bereich lieber in anderen Netzwerken tummeln. Laut Finoa selbst machen die Bereiche “Tech, Security und Product” zusammen sogar 50% der Belegschaft aus, inklusive Freelancern. Vertrieb und Marketing kommen an zweiter Stelle, wobei ein Blick auf die Positionen vor allem erkennen lässt, dass Partnerschaften und die “Customer Operations” hier eine starke Rolle spielen – was zu einem B2B-Geschäftsmodell passt.
Mit einer Frauenquote von 35% liegt Finoa gemessen an der gesamten Startup-Szene ziemlich genau im Mittelfeld – laut dem Startup Monitor von 2021 liegt die Frauenquote bei Startups über alle Branchen hinweg bei 38%. Da vor allem die essenziellen Bereich Tech und Produkt noch stark männerlastig sind, schlägt sich das auch in der Geschlechter-Verteilung bei den Fintechs nieder.
Nach Linkedin-Zahlen hat Finoa seinen bisherigen Höchststand mit 120 Beschäftigten Ende April erreicht (einen Monat nach unserer Datenerhebung, als wir rund die 96 auf Linkedin registrierten Mitarbeiter zählten), ist seither aber wieder etwas gesunken auf aktuell 116 Beschäftigte. Auf Anfrage teilt Gründer Henrik Gebbing mit, Finoa habe zu Mai etwas Personal abgebaut vorgenommen, "um sich den Marktgegebenheiten" anzupassen". Zudem verlautet es von Finoa: "Wir haben keinen strikten Einstellungsstopp verhängt, sind bei Stellenausschreibungen allerdings sehr selektiv geworden und hinterfragen den Bedarf für jede freie Stelle", sagt Gebbing. Das Team wolle sich zunächst jetzt auf die Weiterentwicklung des bestehenden Teams sowie auf den Aufbau des neuen Standorts in Porto fokussieren, wo das Fintech Anfang des Jahres ein Büro eröffnet hat.
Von den aktuell acht ausgeschriebenen Stellen ist das Gros Tech-Bereich – und in Porto angesiedelt. Der Schritt in die Stadt an die portugiesische Atlantikküste ist beliebt bei Startups, weil Tech-Mitarbeiter dort a) offenbar noch vorhanden und b) bis zu 40% günstiger sein sollen als hierzulande.