von Heinz-Roger Dohms, 25. November 2020
Wussten Sie schon … dass Finanzminister Olaf Scholz zwei Neffen namens Fabian Scholz (30 Jahre) und Jakob Scholz (27 Jahre) hat? Und dass diese beiden Neffen ein Fintech namens Rubarb gegründet haben? Und dass dieses Fintech über ein siebenstelliges Funding verfügt? Und dass die „rubarb“-App vom heutigen Mittwoch an in den Stores von Apple und Google Play zum Download bereitsteht? Lustige Geschichte, nicht wahr?! Erfahren Sie hier, was Rubarb genau macht und warum ausgerechnet Olaf Scholz der perfekte Kunden für Rubarb sein könnte – auch wenn seine Neffen das so natürlich nie und nimmer sagen würden!
Finanz-Szene.de: Herr und Herr Scholz, keine Bange, ich frage jetzt nicht, warum ausgerechnet zwei Neffen von Olaf Scholz ein Fintech gründen. Meine Frage lautet: Warum gründet im Jahr 2020 überhaupt noch irgendjemand ein Fintech? Es sind doch längst alle Fintechs gegründet …
Fabian Scholz: Das mag auf den ersten Blick so aussehen. Tatsächlich richten sich allerdings fast alle B2C-Fintechs mit Finanzmarktbezug an eine vergleichsweise kleine Zielgruppe – nämlich an jene rund 15% der Bevölkerung, die eine Grundaffinität für das Thema „Aktien und Investieren“ mitbringen. Die übrigen 85% werden dagegen von den allermeisten Anbietern überhaupt nicht angesprochen. Genau um diese Bevölkerungsgruppe geht es uns.
Ihre „rubarb“-App soll den Nutzern helfen, sogenannte Mikroinvestments zu tätigen – ein Ansatz, den so ähnlich auch das niederländische Fintech Peaks verfolgt. Erklären Sie uns doch bitte einmal, was genau da passiert.
Fabian Scholz: Im Grunde ist „rubarb“ die Alternative zum Sparbuch. Der Unterschied zu einem klassischen Sparbuch liegt darin, dass das Geld allerdings nicht wie früher tatsächlich auf einem Sparbuch bzw. einem Konto landet (denn dort wirft es heutzutage ja keine Zinsen mehr ab), sondern in ETFs investiert wird. Der Nutzer kann die App mit seinem Girokonto, seinem Paypal-Konto oder zum Beispiel auch mit seiner Kreditkarte verknüpfen und von dort sozusagen in die App hineinsparen…
Jakob Scholz: … dabei arbeiten wir mit dem Prinzip des Aufrundens. Wenn der Nutzer an der Ladenkasse für 19,20 Euro einkauft, dann rundet die App den Betrag auf 20 Euro auf und die Differenz von 80 Cent wird in ETFs investiert. Dabei ist uns wichtig, dass abgesehen von den Management-Gebühren für die ETFs keinerlei Entgelte anfallen. Zudem können die Nutzer nicht nur Geld anlegen, sondern auch jederzeit kostenlos abziehen. Auch in dieser Hinsicht ähnelt „rubarb“ also einem Sparbuch. Uns geht es darum, dass die Ersparnisse verzinst werden, die Nutzer aber zugleich jederzeit Zugriff auf ihr Geld haben.
Das Setup sieht wie folgt aus: Rubarb ist Finanzdienstleister gemäß §32 KWG, Sie dürfen also Geldanlagen vermitteln. Depotbank ist die DAB BNP Paribas, über die der Zahlungsverkehr und der Wertpapierhandel abgewickelt werden. Bei der Produktauswahl kooperieren Sie mit iShares, dem Nutzer stehen drei ETF-Portfolien zur Auswahl, nämlich eines mit 100% Aktien, eines mit 100% Anleihen und ein gemischtes Portfolio. Bleibt die Frage: An welcher Stelle der Wertschöpfungskette entstehen Ihre eigenen Erträge?
Jakob Scholz: Da unser Angebot – abgesehen von Managementgebühren für die ETFs – komplett kostenlos ist, verdienen wir selber in dem Modell erst einmal gar nicht …
… auch nicht indirekt, wie das bei den Neobrokern der Fall ist?
Fabian Scholz: … auch nicht indirekt. Das Kernprodukt wirft zunächst keinerlei Erträge ab. Allerdings wird es bei diesem Kernprodukt nicht bleiben. Wir wollen „rubarb“ zu einer Personal-Finance-App ausbauen, die ihren Nutzern nicht nur beim Sparen und Investieren hilft, sondern beispielsweise auch beim Geldausgeben. Im Zuge dieser Entwicklung sind viele Möglichkeiten der Ertragsgenerierung denkbar, das kann in Richtung Vertragsmanager gehen, aber auch in Richtung Cashback-App. Letzteres kann man dann mit Marketing-Partnerschaften verbinden: Ein Supermarkt, Möbelhaus oder ein Onlineshop können exklusive Discounts für „rubarb“-Kunden anbieten, wobei die Diescounts dann direkt in den Portfolios ausgezahlt anstatt an der Kasse abgezogen werden.
Das klingt ja alles ganz vernünftig. Dennoch – und mit Verlaub: Stellen Sie sich das nicht alles ein bisschen zu leicht vor? Das Problem vieler B2C-Fintechs sind die hohen Aufwendungen für die Kundenakquise. Wie weit glauben Sie denn da zu kommen mit Ihrem Funding im mutmaßlich niedrigen einstelligen Millionenbereich? Zumal: Sie addressieren ja, wie sie selber sagen, nicht einmal die finanzaffine Klientel, sondern die übrigen 85%. Die müssten doch sogar noch viel schwerer zu erreichen sein …
Jakob Scholz: Aber gerade das ist überhaupt nicht gesagt. Natürlich lassen wir uns nicht in irgendwelche SEA-Schlachten verwickeln. Wir nutzen ganz andere Kanäle, machen viel über Performance-Marketing, gehen über Instagram und Facebook, kooperieren mit Influencern beispielsweise aus dem Lifestyle-Bereich. Wir haben jetzt schon mehr als 4000 Menschen auf der Warteliste. Wovon übrigens knapp die Hälfte Frauen sind, was für einen Geldanlage-Anbieter eher ungewöhnlich ist. Wenn Sie nicht die 15% ansprechen, sondern die 85%, dann müssen Sie andere Wege gehen, eine andere Sprache wählen.
Kennen Sie das Video mit dem Auftritt Ihres Onkels bei der „Handelsblatt“-Bankentagung vor zwei Jahren?
Fabian Scholz: Nein, wieso?
Er räumte damals auf Nachfrage ein, noch nie Online-Banking gemacht zu haben, keine Banking-App zu nutzen und sein Geld nicht anzulegen. Zitat: „Es liegt auf dem Bankkonto und kriegt keine Zinsen.“ Klang fast so, als wäre ihr Onkel der Prototyp Ihrer Zielgruppe, also der nicht-finanzaffinen 85%.
Fabian Scholz: Es ist nicht an uns, öffentliche Einschätzungen zur Finanzexpertise unseres Onkels abzugeben. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Arbeit, die er als Finanzminister leistet, von weiten Teilen der Bevölkerung durchaus goutiert wird.
Sehr gute Antwort, professionell aus der Affäre gezogen!
Jakob Scholz: Ähem …
Ja?
Jakob Scholz: Könnten Sie uns das Video vielleicht trotzdem mal schicken?
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