Rückblick (#4)

April 2022: Mambu – Hier sind die Zahlen des zweitgrößten deutschen Fintechs

In unserem Jahresrückblick zeigen wir, welche Themen Sie 2022 besonders interessiert haben – mit zwölf Klickfavoriten aus zwölf Monaten.

Heute mit Teil vier:

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Man muss sich das immer noch mal vor Augen führen. Nicht Trade Republic ist das zweitwertvollste Fintech hierzulande hinter N26, nicht die Solarisbank, nicht SumUp und erst recht nicht Raisin oder Scalable Capital. Sondern: Das ist Mambu, der geheimistuerische Berliner Core-Banking-Anbieter, der von seinen Investoren inzwischen fast so hoch bewertet wird (4,9 Mrd. Euro), wie er medial unsichtbar bleibt.

Nun haben wir in der Vergangenheit ja durchaus den ein oder anderen schüchternen Annäherungsversuch bezüglich Mambu unternommen, siehe zum Beispiel aus Anlass der großen Finanzierungsrunde im Dezember das Stück -> Was macht Mambu eigentlich genau?. Indes: Irgendeine Art von konkretem Einblick in sein Geschäft hat der Kernbanken-Spezialist bislang weder uns noch irgendwem sonst gewährt. Oder, wie uns die Sprecherin neulich mit einiger Bestimmtheit schrieb: „Als Unternehmen in Privatbesitz legen wir unsere Einnahmen grundsätzlich nicht offen.“

Zu unserer großen Überraschung (und vielleicht ja auch zur Überraschung der Sprecherin selber) ist es nun aber so, dass Mambu übers lange Osterwochenende exakt dies getan hat – nämlich seine „Einnahmen“ und sonstigen Geschäftszahlen offenlegen. Eines der letzten wirklich großen Geheimnisse der hiesigen Fintech-Branche ist damit gelüftet. Und zumindest in Frageform drängt sich eine steile These auf: Ist denkbar, dass aus Mambu so etwas wie das deutsche Stripe werden könnte – also ein globaler Plattform-Player mit fast unbegrenztem Skalierungs-Potenzial?

Die Analyse:

1.) Wie viel Ertrag macht Mambu?

2020 kam Mambu auf Umsatzerlöse in Höhe von 31,3 Mio. Euro. Hinzu gesellten sich noch sonstige betriebliche Erträge im Umfang von 0,7 Mio. Euro, die wesentlich aus Währungseffekten herrührten. Auffällig: Den Erlösen stand ungewöhnlicher hoher Materialaufwand („Aufwendungen aus bezogenen Leistungen“) von 17,4 Mio. Euro entgegen. Der Rohertrag belief sich dementsprechend auf lediglich 14,5 Mio. Euro, was in Relation zu den Umsatzerlösen gerade mal einer Bruttomarge von rund 46% entsprach (wobei das, siehe unten, auch ein Ausreißer nach unten gewesen sein könnte).


2.) Wie sind die Zahlen einzuordnen?

Ausweislich unserer Datenbank müsste Mambu gemessen am Umsatz 2020 das sechstgrößte deutsche Fintech gewesen sein – hinter SumUp (siehe hier), N26 (siehe hier), mutmaßlich Wefox, mutmaßlich Trade Republic (siehe hier) und der Solarisbank (siehe hier).

Während SumUp, N26, Wefox und Trade Republic ihren Fokus auf den Endkunden richten, lassen sich die Geschäftsmodelle von Mambu und der Solarisbank zumindest grob vergleichen: Beide sind reine B2C-Spezialisten. Und beide verdienen ihr Geld mit Banking-Software (auch wenn Mambu als Core-Banking-Anbieter anders als die Solarisbank nicht selber Bank ist).

Eins zu eins gegenüberstellen lassen sich die Ertragszahlen von Mambu und der Solarisbank leider nicht, da die Solarisbank wie eine Bank bilanziert, Mambu hingegen wie ein Software-Unternehmen. Zumindest ein grober Vergleich sollte allerdings erlaubt sein:

  • Bei der Solarisbank summierten sich 2020 die Zinserträge, Provisionserträge und sonstigen betrieblichen Erträge auf 47,0 Mio. Euro – was deutlich mehr war als die 32,0 Mio. Euro (Umsatzerlöse und sonstige betriebliche Erträge) bei Mambu.
  • Stellt man die reinen Provisionserträge der Solarisbank (26,1 Mio. Euro) den Umsatzerlösen von Mambu (31,3 Mio. Euro) gegenüber, verkehrt sich das Verhältnis zugunsten von Mambu.
  • Vergleicht man hingegen das Provisionsergebnis der Solarisbank (also die Provisionserträge abzüglich der Aufwendungen) mit dem um die sonstigen betrieblichen Erträge bereinigten Rohertrag von Mambu (als die Umsatzerlöse abzüglich des Materialaufwands), liegt wiederum die Solarisbank vorn: 18,6 Mio. Euro versus 13,9 Mio. Euro.

3.) Rechtfertigen die Zahlen die irrsinnige Bewertung?

Auf den ersten Blick nicht. Allerdings ist zu bedenken: Die 4,9-Mrd.-Euro-Bewertung stammte von Ende 2021. Anfang 2021 hatte es bei Mambu auch schon eine Finanzierungsrunde gegeben: 110 Mio. Euro zu einer Taxierung von seinerzeit erst 1,7 Mrd. Euro.

Das heißt: Auf den nun veröffentlichten Zahlen beruhte lediglich die 1,7-Mrd.-Euro-Bewertung (die zumindest grob vergleichbar ist mit der 1,4-Mrd.-Euro-Bewertung, die der Solarisbank zur Jahresmitte zugestanden wurde) – die eigentliche Explosion folgte erst im Laufe des Jahres. Und in der Tat: Der im Juni aufgestellte Geschäftsbericht ging in seiner Prognose von einem spektakulären Umsatzwachstum von rund 80-100% aus. Damit wäre Mambu 2021 also bereits auf Umsatzerlöse von grob 50-60 Mio. Euro gekommen. Glaubt man darüber hinaus einer Unternehmens-Präsentation, aus der das „Handelsblatt“ jüngst zitierte, dann trauten sich die Berliner für 2022 auf Basis ihrer Auftragslage sogar Erlöse von rund 145 Mio. Euro zu. Und: Auch die Bruttomarge (also die Roherträge geteilt durch die Umsatzerlöse) sollen zuletzt deutlich über die sehr mageren 46% aus 2020 hinaus angestiegen sein.

Nun sind reale Umsätze natürlich etwas anderes als auftragsbasierte Zahlen aus einer Präsentation. Gleichwohl: Dass Mambu in den zurückliegenden Monaten krass gewachsen ist, darauf deuten auch andere Indizien hin. So kam der Kernbanken-Spezialist 2020 laut Geschäftsbericht auf 439 Mitarbeiter (wir vermuten, es ist der Wert per Jahresende, also nicht der Durchschnittswert). Aktuell indes finden sich allein bei Linkedin dagegen schon rund 850 Mambu-Beschäftigte.


4.) Was macht Mambu so stark?

Im „Chancen- und Risikobericht“ findet sich folgende hochspannende Passage (Fettungen unsererseits):

„Das Unternehmen vertreibt seine SaaS-Plattform weltweit und ermöglicht es daher Finanzinstitutionen, flexible Bankprodukte weltweit anzubieten. Durch die im Geschäftsjahr 2021 abgeschlossene Finanzierungsrunde könnte ein beschleunigter Vertrieb der Plattform realisiert werden. Die Mambu-Unternehmensgruppe hat eine hohe globale Präsenz und vertreibt seine Plattform bereits in 50 Ländern weltweit. Durch den verstärkten Fokus auf Regionen wie Südamerika und Asien könnte ein beschleunigter Vertrieb gerade in diesen Ländern realisiert werden. Die Plattform des Unternehmens umfasst derzeit rund 7.000 verschiedene Bankprodukte in drei Kategorien: Kredite, Girokonten und Einlagen. Es bietet auch Schnittstellen zu bestimmten Finanzdiensten von Drittanbietern an, wodurch zusätzliche Dienste in den Bereichen Sicherheit und Prozesssteuerung angeboten werden können. Durch dieses umfassende Angebot könnte ein beschleunigter weltweiter Vertrieb erreicht werden.“

Hieraus lassen sich (eingedenk dessen, was man aus anderen Quellen über Mambu weiß) mit einiger Plausibilität folgende Schlussfolgerungen treffen:

  • Mambu ist so international positioniert wie kein anderes deutsches Fintech, nicht einmal SumUp.
  • Während sich die meisten größeren hiesigen Fintechs (einschließlich der Solarisbank) auf Deutschland und sonstige europäische Kernmärkte wie Frankreich, Spanien oder Italien konzentrieren, scheint Mambu vor allem in außereuropäischen Wachstumsmärkte stark aufgestellt zu sein …
  • … Das bedeutet auch: Unter den Kunden von Mambu (dazu gehören beispielsweise Neobanken und Kreditplattformen) dürften viele Anbieter sein, die ihrerseits stark wachsen – und mit denen das Berliner Fintech dann mitwächst. Das gilt übrigens auch für die hiesigen Kunden von Mambu. Klassische Banken sind nach allem, was man weiß, (noch) nicht darunter, wohl aber andere ambitionierte Finanz-Startups wie die C24 Bank, die Raisin Bank oder auch die Solarisbank (Details siehe hier)
  • Viele Fintechs wollen irgendwie „Plattform“ sein. Gut möglich, dass Mambu tatsächlich „Plattform“ ist – und zwar in einem Sinne, wie zum Beispiel auch Stripe (also der rasant wachsende amerikanisch Payment Service Provider) „Plattform“ ist. Nämlich: 1.) Das Produkt (im Falle von Mambu eine Kernbanken-Software) nistet sich tief in die Wertschöpfung des Kunden ein; 2.) Die Funktionalitäten (im Falle von Mambu zunächst einmal nur Kredit, Girokonto und Einlagen) sind klar umrissen. Hierdurch bleiben a) die inhaltliche Komplexität und b) die regulatorische Komplexität überschaubar, was c) eine rasche Anbindung vieler Kunden in unterschiedlichen Jurisdiktionen ermöglicht; 3.) Das Angebot wird in großem Tempo und mit hohem Vertriebsaufwand international ausgerollt.

In der Konsequenz all dieser Punkte: Skaliert Mambu aktuell allem Anschein nach so schnell wie kein anderes deutsches B2C-Fintech.


5.) Welche Neuigkeiten hält der Geschäftsbericht sonst noch bereit?

  • Mambu hatte per Ende 2020 schon rund 50 Mio. Euro verbrannt – davon allein 27 Mio. Euro in 2020 selbst.
  • Die beiden 2021er-Runden eingerechnet, sind bislang annähernd 400 Mio. Euro in Mambu geflossen.
  • Mambu hatte per Ende 2020 sieben Tochtergesellschaften. Dieses saßen in Rumänien, der Schweiz, Großbritannien, den USA, Singapur, den Niederlanden und Litauen.
  • Während in Litauen und Rumänien die Software entwickelt wird, befinden in den USA, Singapur, UK und den Niederlanden die Vertriebsgesellschaften.

Anfang 2021 hat Mambu eine neue Holding-Gesellschaft namens Mambu B.V. mit Geschäftssitz in Amsterdam (Niederlande) gegründet. Per Anteilstausch hält die Mambu B.V. nun 100% der Anteile an der vorherigen Muttergesellschaft, nämlich der Berliner Mambu GmbH. Kann sein, dass man infolge dieses Konstrukts bis zu einem etwaigen Börsengang keine weiteren Geschäftszahlen mehr zu sehen bekommen wird.

Raisin bläst mit neuem Core Banking (Mambu) zum Angriff auf Solarisbank

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