Exklusiv

Portagon bricht Wachstumskurs ab. Was ist los bei dem Frankfurter Fintech?

Sechs Monate ist das Selfie nun alt. Portagon-Gründer Johannes Laub trägt eine Yankees-Basecap und ein blaues Hemd, in dem lässig die Sonnenbrille steckt. Neben ihm: Finanzchef Andreas Hell, auch er mit Sonnenbrille (allerdings auf der Nase), dazu eine roséfarbenes Nike-Shirt. Beide strahlen sie, und noch strahlender als die beiden ist nur der blaue Himmel, der gemeinsam mit ein paar Wolkenkratzern den Bildhintergrund bildet.

In dem dazugehörigen Linkedin-Post schreibt Laub: „Now I’m in #New York with portagon Head of Finance Andreas Hell and we’ll find out this week how investors in the motherland of entrepreneurship and capitalism currently feel about #startupfinancing.“

Um es kurz zu machen: Ein halbes Jahr später verdichten sich die Anzeichen, dass die Investoren im Mutterland des Kapitalismus zumindest nicht gleich das Scheckbuch gezückt haben. Von einer neuen Funding-Runde bei Portagon ist jedenfalls nichts bekannt. Und der eben noch strahlende Finanzchef Hell? Hat ausweislich seines Social-Media-Profils vor Kurzem bei einem anderen Frankfurter Startup angeheuert?

Was also ist los bei Portagon?

Rückblick: Heute vor einem Jahr galt der Crowdinvesting-Spezialist als vielleicht heißestes Frankfurter Fintech überhaupt, jedenfalls von jenen, die sich im Bankenbereich tummeln. Den Umsatz hatte man 2021 nach eigenen Angaben um mehr als 80% auf 5 Mio. Euro gesteigert, das vermittelte Finanzierungsvolumen wurde mit 82 Mio. Euro beziffert. Darüber hinaus war von 300 B2B-Kunden, profitablem Wachstum und einer geplanten Verdopplung der Beschäftigtenzahl auf 120 schon bis Ende 2022 war die Rede.

Stattdessen …

  • berichten Insider von Stellenstreichungen
  • erreichte laut Linkedin die Zahl der Beschäftigten im Juli mit gut 80 ihren Höhepunkt, sank von an da allerdings kontinuierlich auf zuletzt rund 60
  • wurde (wiederum laut Linkedin-Analysen) seit letzten Sommer keine einzige „Senior Management“-Stelle mehr besetzt
  • sind aktuell bei Portagon überhaupt nur fünf Stellen öffentlich ausgeschrieben.

Von außen betrachtet stellen sich die Dinge wie folgt dar:

1.) Was ist das Geschäftsmodell – und was sind die Probleme?

Portagon wurde 2015 zunächst unter dem Namen „Crowddesk“ gegründet und betreibt eine Plattform für digitale Finanzierungen. Der Pitch lautet, den Anlegern abseits des Kapitalmarkts einen Zugang zu alternativen Anlageklassen zu verschaffen. Anders als beispielsweise die Hamburger Crowdinvesting-Plattform Exporo spricht Portagon die Anleger nicht direkt an, ist also kein B2C-Fintech. Sondern: Die Frankfurter agieren als „Whitelabel“-Anbieter, der seine Software zunächst kleineren Vermittlern und Emissionshäusern zur Verfügung stellte, bald aber mit der DKB und der GLS Bank auch erste namhafte Banken als Partner gewann. Zu den weiteren Intermediären gehörten nach Angaben aus dem letzten Frühjahr darüber hinaus rund 20 Volksbanken.

Insider berichten, der Masterplan vor einem Jahr sei gewesen, noch viel stärker auf Banken zu setzen. Allem Anschein nach hat diese Strategie bislang allerdings nicht richtig gezündet. Mögliche Gründe: Zum einen bieten sich Anlegern infolge der Zinswende wieder mehr „reguläre“ Anlagemöglichkeiten – wodurch Crowdfunding als Renditebringer auch für Kreditinstitute als potenziellen Intermediäre weniger interessant wird. Zum anderen bemängeln Insider, dass es innerhalb der Portagon-Crew (sowohl in der operativen Führung als auch unter den Investoren und Beiräten) an tiefgehender Banking-Expertise fehle – was den Vertrieb erschwere.

2.) Die „Zeitenwende“ dürfte Portagon frontal erwischt haben

Rückblickend betrachtet dürfte Portagon sein größtes Momentum ausgerechnet zu seiner Phase gehabt haben, als sich die äußeren Bedingungen massiv verschlechterten. Womöglich haben die Frankfurter darum später als anderes Fintechs den Rückwärtsgang eingeschaltet. Indiz: Während andere Unternehmen (nicht nur Finanz-Startups) ihre Büroflächen schon während Corona bzw. im Krisenjahr 2022 reduzierten, ging Portagon in die Vollen: Erst vor drei Monaten bezog die Firma ein neues Büro in bester Frankfurter Innenstadtlage – als Ankermieter des frisch sanierten Komplexes „10tral“ in der Bleidenstraße. 3.420 Quadratmeter ausgestattet u.a. mit einem Spielraum für Kinder, offener Küche, Bar und Fitnessstudio, wie die Gründer stolz auf Social Media verkünden. Den Vertrag hierfür schloss Portagon zu Ende 2021.

3.) Womöglich hat Portagon seine Funding-Power überschätzt

Fotos von Fintech-Gründern auf großer Funding-Tour – das war eigentlich ein Motiv aus Boom-Jahren. Weil man fast sicher sein konnte: Wer Geld haben will, der kriegt auch welches. Laubs New-York-Post im August 2022 wirkte insofern eher seltsam. Schließlich war der Funding-Markt für Fintechs zu diesem Zeitpunkt regelrecht eingefroren.

Für ein Fintech, das nach eigenen Angaben „profitabel wächst“, schien Portagon eigentlich immer ganz gut gefundet. Doch gilt das immer noch? Die 8,5 Mio. Euro schwere „Serie A“-Runde aus dem Frühjahr 2021 liegt inzwischen jedenfalls eindreiviertel Jahre zurück. „After Series A comes (at some point) Series B“, überschrieb Laub seinen Beitrag im letzten August. Der Punkt allerdings kam bislang nicht.

Was sagt der Portagon-Chef selbst?

Der grundsätzlichen Diagnose, dass der Fokus zuletzt nicht mehr auf dem Wachstum lag, wird vonseiten Laubs nicht widersprochen. Man habe sich im vergangenen Jahr bewusst entschieden, „die Runway zu verlängern“ (also den Cashburn zu begrenzen, um mit dem Investorengeld länger auszukommen) und wieder stärker auf Profitabilität zu setzen. Dabei komme Portagon entgegen, dass man sich von 2015 bis 2019 auch schon aus dem eigenen Cashflow finanziert, also ohne externes Funding ausgekommen sei. Im Laufe dieses Jahres, so sagt Laub, werden seine Unternehmen auf Monatssicht wieder schwarze Zahlen schreiben.

Umsatzzahlen für 2022 will der Portagon-Chef keine nennen, auch keine genauen Umsatzziele fürs laufende Jahr formulieren. Allerdings, so viel dann doch: Trotz der Strategieänderung im vergangenen Jahr seien die Erträge im Vergleich zu den 5 Mio. Euro aus 2021 „substanziell gesteigert“ worden. Der These, dass sich Portagon infolge der Zinswende bei der Akquise neuer Partnerbanken schwertue, widerspricht Laub insofern, als „der Trend hin zu den Private Markets weiterhin intakt ist – und Banken dementsprechend Zugänge dorthin benötigen“. Zudem fokussiere man beim Vertrieb nicht nur auf Banken, sondern genauso auf Asset Manager und Emissionshäuser. Unter den VR-Banken habe man die Zahl der Partner auf 36 steigern können. Richtig sei allerdings, dass außerhalb des Genosektors noch keine neuen Partnerschaften verkündungsreif seien.

Wie aus Crowddesk ein rasant wachsendes Fintech wurde

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