von G. Hädicke, H.-R. Dohms und C. Kirchner, 30. November 2023
In unserem Fintech-Ticker halten wir Sie über die (vor allem deutschen) Finanz-Startups auf dem Laufenden.
Hier unser Ticker mit sämtlichen Meldungen aus dem November:
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Fangen wir mit den guten Nachrichten an. Denn auch die gibt es. 1.) N26 wächst weiterhin; 2.) N26 wird seinen Cashburn im laufenden Geschäftsjahr drastisch reduzieren; 3.) N26 versichert mehr oder weniger glaubhaft, im kommenden Jahr endlich profitabel zu werden (auch wenn es sich lediglich um eine „Profitabilität auf Monatsbasis“ handelt und sich diese auch erst im zweiten Halbjahr materialisieren soll); sowie 4.) N26 dürfte Stand heute immer noch über round about 500 Mio. Euro Eigenkapital verfügen – mutmaßlich genug, um vorerst ohne weiteres Funding auszukommen. Und damit nun zu den schlechten Nachrichten: Hinter N26 liegt ein dermaßen bescheidenes Geschäftsjahr 2022 (Cashburn: 213 Mio. Euro), dass man mit der Veröffentlichung der entsprechenden Zahlen so lange gewartet hat, bis man des besseren Eindrucks halber zumindest rudimentäre 2023er-Zahlen danebenlegen kann. Das Problem ist nun allerdings: Auch die 2023er-Zahlen (rund 5% Kundenwachstum, rund 12% transaktionales Wachstum) reißen einen nicht wirklich vom Hocker – weshalb einem nichts anderes übrigbleibt, als die zurückliegenden 24 Monate eben doch als großes Ganzes zu sehen und zu dem Schluss zu kommen: Das N26 von heute hat mit dem N26 von vor zwei Jahren (als Investoren rund 1 Mrd. Euro in die Berliner Neobank pumpten) nicht mehr allzu viel gemein. Unsere Analyse einer Bank, die (gezeichnet von Fintech-Krise und Neukunden-Deckel) nicht nur zwei Jahre verloren hat, sondern auch ihre große Vision. Bitte sehr: FS Premium
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Das „Investment as a Service“-Fintech Upvest untermauert seine Stellung als führender Infrastruktur-Anbieter für Challenger-Banken, die ins Brokerage vordringen wollen. Nachdem die Berliner zuletzt bereits Revolut sowie die Raisin Bank als Kunden präsentierten, will nun auch N26 sein lange erwartetes Trading-Produkt mithilfe von Upvest lancieren – und zwar erklärtermaßen im ersten Halbjahr 2024. Mit dem neuen Angebot wollen man das Aktivitäts-Level der Kunden steigern, sagte N26-Chef Valentin Stalf gestern (der Hintergrund, siehe unser heutiger Aufmacher: Mit Konto und Karte allein wächst N26 nur noch leidlich). Entsprechend würden die Gebühren „günstiger als bei anderen Anbietern“ ausfallen.
Wenn beim Smartbroker jeder dritte Kunde eine Karteileiche ist – wie sieht’s dann anderswo aus?
Das Fintech-Sterben geht weiter: Wie aus einem Finanz-Szene vorliegenden Kundenschreiben hervorgeht, gibt zum Jahresende nun auch die auf islamkonformes Banking spezialisierte Neobank Insha auf. „Wir haben es im aktuell schwierigen Marktumfeld nicht geschafft, unsere Vision von Getinsha weiterzuentwickeln und aufrechtzuerhalten. Wir bedauern es sehr, dass das Konto daher geschlossen werden muss und wir auch unsere Geschäftsbeziehung mit Dir beenden müssen, und hoffen auf Dein Verständnis“, heißt es in der Mitteilung wörtlich. Anders als in ähnlich gelagerten Fällen wird den Kunden kein automatisierter Wechsel zu einem anderen Institut empfohlen. Stattdessen werden die Nutzer lediglich aufgefordert, ein etwaiges Restguthaben bis zum 31. Dezember auf ein Konto ihrer Wahl zu überweisen.
Insha, auch bekannt als „N26 für Muslime“, war Anfang 2019 als reines Frontend-Angebot an den Start gegangen; die Banklizenz und die erforderliche Infrastruktur kamen vom „Banking as a Service“-Spezialisten Solaris. In der Anfangsphase machte das Fintech mit vermeintlichen Erfolgsmeldungen von sich Reden. So hieß es Anfang 2020, man zähle bereits mehr als 13.000 Kunden – ein dreiviertel Jahr später waren es dann angeblich schon 40.000 Nutzer. Auch von Finanzierungsrunden war gelegentlich zu lesen, einen Geschäftsbericht veröffentlichte Insha allerdings nie. So blieb letztlich diffus, wie erfolgreich das Fintech bei der Akquise von Fundings und Kunden wirklich war. Tatsächlich sind von den in den späten 2010er-Jahren gestarteten hiesigen Nischen-Neobanken die meisten wieder verschwunden, darunter Nuri (a.k.a Bitwala), Pockid (a.k.a Ruuky) sowie Owwn (a.k.a Wajve). Übrig ist, soweit wir das sehen, noch Tomorrow, auch bekannt als „N26 für Ökos“.
Die Zinswende treibt nicht nur die GuVs der klassischen Banken, sondern auch die der Neobanken! Und relativ gesehen profitieren die Neobanken vielleicht sogar stärker! Seit Monaten steht diese These im Raum, erstmals prominent formuliert von Finleap-Vordermann Ramin Niroumand im Sommer 2022 (siehe unser damaliger Podcast), seitdem immer wieder gerne aufgegriffen. Tatsächlich spricht in der Theorie sehr viel für die Annahme, dass die Neobanken zu den größten Gewinnern der Zinswende gehören. Schließlich sammelten N26 und Co. – sozusagen als Kollateraleffekt ihrer Kundenakquise-Politik – in den Boom-Jahren reichlich Einlagen ein. Und genau diese Einlagen müssten nun eigentlich die GuV massiv boostern. Eigentlich. Doch in der Praxis? Geht die Rechnung zumindest im Falle von N26 nur teilweise auf. Wieso? Wir haben den Fall einmal detailliert durchdekliniert. Hier entlang: FS Premium
So also endet eines der ambitioniertesten Projekte der deutschen Fintech-Historie. Bei einer Firma, die keine Website hat. Keine Linkedin-Präsenz. Und bei deren vermeintlichem Profil („Crastorehill ist ein in Warschau ansässiger Finanztechnologie-Anbieter, der Datenanalyse-Produkte für den Finanzsektor und darüber hinaus entwickelt“) es sich um eine Erfindung der PR-Leute handelt. Denn: „Entwickeln“ tut Crastorehill noch gar nichts. Weder für den Finanzsektor noch darüber hinaus. Crastorehill ist bis dato eine Hülle. Noch ohne CEO (der beginnt zum 1. Januar). Aber sehr wohl schon mit großen Plänen! Wie Mitte November nämlich verlautete, übernimmt Crastorehill gleich zwei deutsche Fintechs, zum einen Finleap Connect aus Berlin, zum anderen Ndgit aus München. Dazu muss man wissen: Finleap Connect sollte mal das deutsche Software-Fintech überhaupt werden. Zu diesem Zwecke schlossen die Geldgeber den Hamburger Open-Banking-Pionier Figo mit dem Berliner Kontowechsel-Pionier Finreach zusammen, heuerten einen prominenten CEO an (kam damals von Arvato), pumpten eine signifikant achtstellige Summe ins Unternehmen und bauten die Belegschaft massiv aus. Das Problem indes: Die Produkte fanden keine Käufer, das Geld wurde knapp (siehe unser Stück –> Wie liquide ist Finleap Connect?) – und von den bis zu 160 Mitarbeitern ist heute nur noch die Hälfte übrig. Und nun: Werden die Überreste also aufgelesen von einer Warschauer Hülle, hinter der ein Amsterdamer PE-Fonds steht. Ein Einzelfall? Eher nicht! Vielmehr markiert der Deal das Ende der ursprünglichen „Fintech Germany“-Idee. Und zugleich deutet er an, wie es von hieran nun weitergeht. Sechs Thesen: FS Premium
Hat Qonto mit der Penta-Übernahme bloß einen Konkurrenten ausgeschaltet?
Was die Enthüllung tatsächlicher oder vermeintlicher Trade-Republic-Zahlen angeht, haben wir die letzten Jahre einen bisweilen etwas aktionistischen Ehrgeiz walten lassen. Mal glaubten wir, aus Mitteilungen des börsennotierten Minderheitsaktionärs Sino die Geschäftsentwicklung des zweitgrößten deutschen Fintechs herauslesen zu können (siehe hier); mal behalfen wir uns mit mehr oder minder spekulativen Analysten-Studien von M.M. Warburg (siehe hier); und immer und immer wieder verwiesen (und verweisen wir bis heute) auf irgendwelche semi-öffentlichen Handelsdaten, die angeblich (so behaupten wir das jedenfalls immer) einen ganz, ganz tollen Proxy für die aktuelle Geschäftsentwicklung des Berliner Neobrokers abgeben (siehe hier). Sonst noch was? Klar: Wenn es darum geht, dem Trade-Republic-Gründer Christian Hecker irgendwelche Sachen in den Mund zu legen, die er gar nicht gesagt, aber möglicherweise gemeint haben könnte, sind wir natürlich immer ganz vorne mit dabei (siehe sein viiieeelsagendes Nicht-Dementi auf die Frage, ob sein Unternehmen die 3-Mio.-Kunden-Marke erreicht hat). Bleibt die Frage: Was ist denn eigentlich mit den echten Trade-Republic-Zahlen, also denen mit Brief, Siegel und Testat? Ha!, die haben wir heute für Sie!!! Geschäftsjahr 2021/22 (das bei dem Neobroker am 30. September endete). Also durchaus frisch. Und hochinteressant. Bitte sehr: FS Premium
Als erstes großes deutsches Fintech hat WebID Solutions seine 2022er-Geschäftszahlen veröffentlicht. Demnach kam der Berliner Onboarding-Spezialist auf Umsatzerlöse von 33 Mio. Euro – eine Steigerung um 6% im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts eines Materialaufwands sowie Personalkosten von jeweils knapp 11 Mio. Euro und „sonstiger betrieblicher Aufwendungen“ (darunter fallen i.d.R. zum Beispiel die Marketingkosten) von 6 Mio. Euro stand unterm Strich ein Ergebnis von exakt 5,8 Mio. Euro (+47%). Damit dürfte der KYC-Spezialist zu den wenigen deutschen Fintechs gehören, die wirklich schon nennenswerte Gewinne erwirtschaften.
Das Zahlenwerk ist auch insofern spannend, als es grobe Rückschlüsse auf die Neukunden-Entwicklung des mutmaßlich größten Kunden von WebID Solutions zulassen dürfte – nämlich Trade Republic. Hintergrund: Im Boom-Jahr 2021 war der Berliner Neobroker wie verrückt expandiert und hatte in seinem Schlepptau auch „seinem“ Onboarding-Dienstleister zu einem famosen Erlöswachstum verholfen (plus 55% auf 31 Mio. Euro). Das Management von WebID Solutions hatte eigentlich auf eine Fortsetzung dieser Entwicklung gehofft und war für 2022 von einem Umsatz von mindestens rund 40 Mio. Euro ausgegangen. Dass es dazu (siehe oben) nicht kam, dürfte auf eine deutlich abflachende Wachstumskurve auch bei Trade Republic hindeuten.
„Im Gegensatz zu dem starken Zuwachs von Ident-Transaktionen im Bereich der Neobroker im Vorjahr“ sei das Jahr 2022 von einem „stabilen Geschäftsverlauf“ gekennzeichnet gewesen, heißt es dazu im Abschluss von WebID. Zu den übrigen großen Kunden des Identity-Fintechs gehören im Finanzbereich beispielsweise die ING Diba, die DKB oder die Targobank.
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Neuer CEO, neue Strategie: Genos verordnen Fincompare einen Re-Start
Der angeschlagene KMU-Finanzierer Creditshelf muss seine Prognose mangels Geschäft immer weiter nach unten korrigieren. Nachdem von Juli bis September nur noch 700.000 Euro an Umsätzerlösen reinkamen, rechnet das Frankfurter Fintech fürs Gesamtjahr jetzt mit 4-5 Mio. Euro Umsatz – die Hälfte dessen, was ursprünglich avisiert worden war. Hinsichtlich der seit Monaten fehlenden neuen Refinanzierungs-Linie (siehe unser Dossier hier) heißt es in der gestern veröffentlichten Q3-Mitteilung, das Geld werde „nicht vor Ende des Jahres zur Verfügung stehen“. Nur zur Erinnerung: Im Sommer hatte es noch geheißen, man rechne mit einer Auflösung des Refi-Engpasses „im näheren Verlauf des 2. Halbjahres“.
Was ist denn jetzt schon wieder los zwischen Solarisbank und Bafin?
Die Berliner Neobank N26 beendet auch ihr letztes Abenteuer außerhalb der europäischen Kernmärkte: Nach dem Rückzug aus Großbritannien und den USA teilte das größte deutsche Fintech am Dienstag mit, sich auch aus dem brasilianischen Markt zu verabschieden. Dort war N26 nach etlichen Ankündigungen zu einer Zeit an den Start gegangen, als eigentlich niemand mehr damit rechnete – nämlich Anfang 2022. In der Folge hatte man immer den Eindruck, an einen Durchbruch in Brasilien (wo der einheimische Fintech-Gigant Nubank mit 84 Mio. Kunden das Geschehen dominiert) glaube das Management selbst nicht so richtig. Insofern erscheint die Entscheidung, den halbgaren Versuch zu beenden, letztlich folgerichtig.
Und noch ein Rückzug, diesmal sozusagen unter umgekehrten Vorzeichen: Der US-Fondsriese Vanguard stampft sein im Frühjahr 2022 gelaunchtes deutsches Robo-Angebot ein, wie unser Partner-Medium „Finance Forward“ berichtet. Der Schritt hatte sich angedeutet, nachdem Projektleiter Jesper Wahrendorf schon zu Jahresbeginn einräumen musste, dass die Nachfrage nach dem ETF-basierten Produkt hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Nach dem raschen Ende von Moneyfarm (siehe hier) ist das der nächste Fall, in dem sich ein als finanziell potent geltender ausländischer Robo-Advisor nach vergleichsweise kurzer Zeit bereits wieder aus dem deutschen Markt zurückzieht.
Fall Scalable: EuGH-Generalanwalt lässt deutsche Bankenbranche aufatmen
Sämtliche Fintech-News aus dem Oktober 2023
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