von G. Hädicke, C. Kirchner und H.-R. Dohms, 31. Oktober 2024
In unserem Fintech-Ticker halten wir Sie über die (vor allem deutschen) Finanz-Startups auf dem Laufenden.
Hier unser Ticker mit sämtlichen Meldungen aus dem Oktober 2024:
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Dass die Mission schwierig würde, das hat Carsten Höltkemeyer gewusst, damals, im Herbst 2022. Aber so schwierig? Gecastet worden war er als künftiger Finanzchef. Dann aber sollte Höltkemeyer plötzlich CEO werden – schon diese Volte zeigte, dass vieles im Argen lag bei Solaris, der einst größten B2B-Hoffnung im Berliner Fintech-Universum. Höltkemeyer hat intern dann erst mal ein paar neue Prämissen formuliert: Fokus auf profitable Kundenbeziehungen. Trennung von Randbereichen. Verhältnis zur Bafin reparieren. Und ja, ein paar Leute mussten damals auch gehen. Es handelte sich um so etwas wie eine sanfte Restrukturierung. Heute weiß man: Das war zu wenig. Weshalb die harte Sanierung jetzt nachgeholt wird. Wie die Solarisbank jüngst eingestehen musste, steht die von Höltkemeyers Vorgänger für viel Geld erworbene UK-Tochter Contis vor der Abwicklung. Fast alle dortigen Mitarbeiter (zuletzt um die 175) sollen gehen, genauso wie rund 80 hiesige Beschäftigte – womit sich die zuletzt noch rund 700 Köpfe große Gesamtbelegschaft um ein Drittel reduziert. Bekannt ist: Schon 2023 wurden auf Contis satte 123 Mio. Euro (und damit weite Teile des Kaufpreises) abgeschrieben, alles in allem summierte sich der Verlust sogar auf 178 Mio. Euro. Noch nicht bekannt ist: Wie sehen die Zahlen darüber hinaus aus, was machen die Erträge, wie viele Konten werden überhaupt noch geführt, was sagt der Ausblick? Wir haben exklusiv den 2023er-Abschluss. Voilà: FS Premium
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Eigentlich waren es frohe Botschaften, die der Berliner Zahlungsdienstleister Unzer bei einem Pressegespräch Ende Oktober in Frankfurt verkündete. Die Bafin hat nach zwei Jahren ihren Sonderbeauftragten abgezogen, die beklagten Mängel (gravierende Defizite in der Unternehmensführung und in den Kontrollmechanismen) sind behoben, Unzer darf wieder neue Kunden aufnehmen. Zugleich gab die frühere „Heidelpay“ allerdings ein Update zur Geschäftsentwicklung – und diese Zahlen zeigen, dass der einst hochambitionierte „Payment Service Provider“ in der Zeit des Bafin-Kuratels (aber auch schon vorher und aus anderen Gründen) merklich an Dynamik verloren hat.
Konkret: Von den ertragsseitig eigentlich schon für 2022 angepeilten 275 Mio. Euro ist auch zwei Jahre später noch nicht viel zu sehen. Stattdessen steigerte Unzer den Umsatz 2023 gerade mal um 4% auf 199 Mio. Euro, für das laufende Geschäftsjahr wird mit einem erneut eher überschaubaren Plus von 9% auf 225 Mio. Euro kalkuliert. Darüber hinaus illustriert das letztjährige Zahlenwerk ein weiteres Mal, wie sehr sich der Ex-Eigner KKR mit dem sündteuren Investment verhoben hat. So musste Unzer wegen Abschreibungen auf den Firmenwert erworbener Gesellschaften einen Nettoverlust von 110 Mio. Euro vermelden, nach 381 Mio. Euro im Jahr zuvor – krasse Zahlen! Gleichwohl: Operativ wähnt sich das Management jetzt auf dem Weg der Gesundung, für dieses Jahr wird ein „bereinigtes Ebitda“ von 34 Mio. Euro erwartet.
Die 1,1-Mrd.-Dollar-Frage: Warum übernimmt der (auch hierzulande expandierende) amerikanische Payment-Provider Stripe für eine abenteuerlich anmutende Summe ein Stablecoin-Startup? Finance Fwd
Dafür, dass Scalable Capital keine Bank ist, sitzen in der Geschäftsführung erstaunlich viele Banker. Nicht nur die Co-Founder selbst, also Erik Podzuweit und Florian Prucker, die ihre Karrieren einst bei Goldman Sachs begannen. Sondern darüber hinaus auch zwei Männer, deren Vorleben um einiges umfangreicher ist als das der beiden Gründer. Zum einen: Martin Krebs, einst Vorstand der ING Diba und seit mittlerweile vier Jahren der CFO von Scalable. Und zum anderen: Dirk Franzmeyer, vor vielen Jahren mal Chef der BIW Bank, später Restaurant-Betreiber auf Föhr – und seit März 2023 Teil der Scalable-Führung. Angesichts dieses für ein Fintech eher untypisch bankenlastigen Top-Managements (auch der fünfte Geschäftsführer Dirk Urmoneit entstammt der Branche) stellten Beobachter schon länger die Frage, ob der Münchner Neobroker, bislang lediglich mit einer Wertpapierhandels-Lizenz ausgestattet, nicht früher oder später eine vollwertige Bank werden will. Und nun? Ist es so weit. Das jedenfalls berichten mehrere unabhängige Quellen „Finance Forward“ und „Finanz-Szene“. Der entsprechende Antrag bei der Bafin wurde den Schilderungen zufolge bereits eingereicht – eine Sprecherin wollte die Informationen auf Anfrage nicht kommentieren. Mit einer eigenen Banklizenz würde Scalable deutlich unabhängiger von Infrastruktur-Partnern wie der Baader Bank. Auch neue Produkte ließen sich sehr viel einfacher launchen. Das muss nicht unbedingt eine Debitkarte sein wie beim Erzrivalen Trade Republic – aber beispielsweise neue Zinsangebote. Tatsächlich gehen die Pläne von Scalable aber sogar noch weiter. Laut den Informationen von „Finance Forward“ und „Finanz-Szene“ strebt das Fintech nämlich nicht nur nach einer Vollbanklizenz, sondern will darüber hinaus zum „Market Maker“ mutieren, also den Handel seiner Kunden künftig selbst abwickeln. Was genau es damit auf sich hat, erfahren Sie heute Morgen bei unserem Partner-Medium – hier entlang: Finance Fwd
Unsere Werkstudenten sind nicht nur großartige Werkstudenten – sie sind auch ein Berührungspunkt zu einer Generation, über die wir zwar regelmäßig schreiben, deren Mitglieder ansonsten aber (man selbst ist zu alt, der Nachwuchs noch zu jung) fremde Wesen für uns sind. Gemeint ist: die GenZ, übrigens nicht zu verwechseln mit der GenAI, von der wir ähnlich viel Ahnung haben wie von der GenZ, also keine, aber das nur nebenbei. Jedenfalls: Da unsere Werkstudenten zwar sehr gewissenhaft, aber leider nicht pro bono arbeiten, begab es sich vor einigen Monaten, dass wir einem neuen Werkstudenten das erste Monatsgehalt überweisen und also die IBAN eingeben mussten. Und siehe da – es war eine litauische IBAN, mithin Revolut, was man als Finanzjournalist natürlich weiß, was einem als User von annähernd 50 Jahren aber dann doch nicht alle Tage unterkommt. Der Gedanke also war: Aha, ein deutscher Revolut-Kunde, die gibt es also auch in echt! Und als wir den neuen Kollegen bei der nächsten Video-Konferenz mit einem unfreiwillig onkelhaften Satz im Sinne von „Du bist also bei Revolut, das ist ja spannend!“ begrüßten, erklärte uns der neue Kollege, dass das ja eigentlich eher normal als spannend sei. Zumindest in seiner Kohorte. Sprich: Student, Anfang/Mitte 20, heute ein Auslandssemester in Italien, morgen eins ins Portugal, da gehört das überall heimische Neobank-Konto offenbar zur Grundausstattung. Es hat also seine Gründe, warum Revolut inzwischen nicht mehr nur in der weiten Welt eine große Nummer ist (45 Mio. Kunden, 100% Ertragswachstum, 400 Mio. Euro Gewinn, 45 Mrd. Dollar Bewertung), sondern nach Anlaufschwierigkeiten inzwischen auch in Deutschland wächst und wächst und wächst. Mehr als 100.000 Kunden pro Monat gewinnt das britische Fintech hierzulande aktuell. Eine ziemliche Kampfansage, nicht nur an N26, sondern längst auch an ING Diba, DKB und all die anderen. Höchste Zeit mithin, den Deutschland-Manager Wiktor Stopa in unseren Podcast einzuladen und ihn – platt gesagt – einfach mal zu fragen: Ähhh, wo soll das eigentlich enden? Auf geht’s: Finanz-Szene (frei zugänglich)
Trade Republic gehört bekanntlich zu den ganz wenigen „Durch die Decke geh“-Fintechs hierzulande. So gesehen erstaunen die gestern veröffentlichten 2023er-Zahlen zumindest auf den ersten Blick. Denn: Ja, es ist zwar richtig, dass Trade Republic (wie angekündigt) erstmals einen wahrnehmbaren operativen Gewinn vor Steuern ausweist, immerhin 16 Mio. Euro. Zugleich nehmen sich Wachstum und Höhe der operativen Erträge (31% auf 180 Mio. Euro) allerdings fast ein wenig bescheiden aus – jedenfalls gemessen daran, dass 1.) die Kundenzahl im gleichen Zeitraum auf fast 4 Mio. Kunden hochgeschnellt ist. Und gemessen daran, dass 2.) erwiesene „Durch die Decke geh“-Fintechs wie Revolut oder SumUp beim Umsatz inzwischen in Milliarden statt Millionen rechnen. Stützen die frischen Zahlen also eher die Sichtweise der Trade-Republic-Skeptiker, die sagen, der Berliner Neobroker gewinne zwar irre schnell neue Kunden, schaffe es aber nicht, diese Kunden angemessen zu monetarisieren? Oder stützen die Zahlen bei genauerer Draufsicht vielleicht doch die Sichtweise der Trade-Republic-Apologetiker? Die nämlich sagen, es sei nur eine Frage der Zeit, bis bei dem Berliner Fintech das Ertragswachstum dem Kundenwachstum folge. Unsere Einschätzung; es gibt starke Indizien, dass 2024 passiert sein könnte, was 2023 noch nicht der Fall war. Unsere Analyse: FS Premium
… heute zur Abwechslung mal aus der Londoner Fintech-Szene:
Bei unserem Partner-Medium „Finance Forward“ lesen Sie dieser Tage unter anderem das hier:
Für ein paar Monate sah es tatsächlich so aus, als sei der erst in die Insolvenz geschlitterte und dann in wesentlichen Teilen vom Wettbewerber Teylor übernommene Frankfurter KMU-Finanzierer nun aus dem Gröbsten raus. Aber: Klassischer Fall von denkste! Hier entlang: FS Premium
Abgezeichnet hatte es sich ja schon (siehe hier und hier) – nun gibt es zu den jüngsten Meldungen auch konkrete Zahlen: Der Jobabbau bei der Solarisbank trifft insbesondere die Beschäftigten der britischen Tochter Contis knüppelhart. Rund 160-170 Mitarbeiter müssen dort gehen, und damit annähernd die komplette Belegschaft, wie das „Handelsblatt“ (Paywall) nach einem Gespräch mit Vorstandschef Carsten Höltkemeyer berichtet. Darüber hinaus dürften auch bei Solaris selbst rund 80 Arbeitsplätzen wegfallen, womit konzernweit also insgesamt bis zu 250 von zuletzt rund 700 Stellen gestrichen werden.
„Die ursprünglich erwartete Ergänzung unseres Geschäftsmodells hat sich im Zuge der Marktveränderungen nicht materialisiert“, kommentiert Höltkemeyer gegenüber dem „Handelsblatt“ das Scheitern von Contis. Die Solarisbank hatte den britischen Wettbewerber vor drei Jahren übernommen und macht das dortige Geschäft nun mehr oder weniger dicht. Bereits vor ein paar Tagen hatte das Berliner Fintech eingeräumt, im abgelaufenen Geschäftsjahr auf die britische Tochter satte 123 Mio. Euro abgeschrieben zu haben. Alles in allem summierten sich die Verluste der Solarisbank auf 178 Mio. Euro, mehr als der Umsatz.
Als wir Ihnen vergangene Woche von der neuen Finanzierungsrunde der Öko-Bank Tomorrow berichtet hatten (siehe weiter unten im Ticker), waren wir Ihnen ja einige Details schuldig geblieben – etwa die Funding-Höhe. Und die ist, wie sich nun herausstellt, durchaus ansehnlich: Laut CEO Michael Schweikart sind Darlehen im Umfang eines „niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrags“ in Eigenkapital gewandelt worden – darunter auch das von Porsche Ventures. Zudem seien 5 Mio. Euro frisches Kapital vom Hamburger „Innovationsstarter Fonds“ sowie drei Bestandsinvestoren geflossen. Insgesamt dürfte sich das Funding mutmaßlich auf ca. 20 bis 25 Mio. Euro belaufen – und wäre somit das größte in der Geschichte des Fintechs. Insgesamt hat die Neobank seit ihrer Gründung 2017 nach eigenen Angaben rund 50 Mio. Euro eingesammelt, das letzte größere Funding im Boomjahr 2021 betrug 14 Mio. Euro.
Dass die drei Gründer im Zuge der jüngsten Runde ihren Mehrheitsanteil abgegeben haben, sei „der natürliche Verlauf“ – mit den verbliebenen gut 31% sei man „sehr zufrieden“, erklärt Schweikart. Nachdem das Fintech überdies auf Sicht der vergangenen drei Monate profitabel gewirtschaftet habe, solle das frische Geld soll nun wieder ins Wachstum fließen, vor allem ins Produkt und ins Marketing.
Nein, natürlich sind nicht alle deutschen Fintechs so ultra-bullish wie der Terminal-Spezialist SumUp (siehe zuletzt –> Mehr als 330 offene Stellen – wie SumUp den Wachstums-Turbo zündet). Aber: Zumindest wieder ein bisschen bullish, das sind gemessen an der Zahl der offenen Stellen dann doch erstaunliche viele Fintechs. Zum Beispiel Scalable Capital mit zuletzt 46 ausgeschriebenen Jobs. Oder Trade Republic mit 42. Oder Raisin mit 38. Und selbst ein Player wie Smava, der in den letzten Jahren manch schwierige Phase durchlebt hat (inklusive entsprechender Entlassungen), baut seine Belegschaft aktuell wieder aus und gedenkt dies gemessen an der Zahl der offenen Position (30) auch weiterhin zu tun. Woher wir das wissen? Nun – es ist das Ergebnis einer großen Daten-Recherche, bei der „Finanz-Szene“ die Stellenentwicklung von insgesamt 63 deutschen Fintechs analysiert hat (darunter natürlich alle bekannten Dickschiffe, aber auch Newcomer wie Lemon Markets oder Unitplus). Es zeigt sich: Der Jobmotor läuft zwar nicht ganz so heiß wie auf dem Höhepunkt des Booms 2021/22. Die Zeit des Jobabbaus allerdings scheint überwunden. Konkret: Nachdem die Belegschaften hiesiger Fintechs vom Q3/22 bis zum Q/23 im Schnitt um gut 3% geschrumpft waren, arbeiten bei den untersuchten 63 Finanz-Startups aktuell sogar wieder etwas mehr Leute als vor einem Jahr (kumuliert waren es laut Linkedin-Daten per Ende August exakt 15.688). Wird die deutsche Fintech-Branche also bald schon ein neues Beschäftigungshoch erreichen (das bisherige aus dem Jahr 2022 liegt, bezogen auf unsere Grundgesamtheit, bei gut 16.000)? Könnte gut sein! Schließlich sind momentan alles in allem rund 1.000 Stellen ausgeschrieben. Lesen Sie hier, welches deutsche Fintech seine Belegschaft zuletzt wie stark ausgebaut hat, wer besonders viele Mitarbeiter sucht und was wir bei unserer großen Daten-Analyse sonst noch herausgefunden haben. Voilà: FS Premium
Die Öko-Neobank Tomorrow bekommt frisches Eigenkapital – und nimmt im Zuge dessen gravierende Veränderungen an der Eignerstruktur vor. Wie aus Handelsregister-Einträgen hervorgeht (entdeckt von unserem Recherche-Partner „Startupdetector“, dankeschön!), ist Porsche Ventures seit Ende Juli mit 3,7% an dem Hamburger Fintech beteiligt. Der VC-Arm des Autokonzerns hatte im Frühjahr ein Wandeldarlehen in „substanzieller einstelliger“ Millionenhöhe“ gezeichnet – offenbar ist zumindest ein Teil davon jetzt ins Eigenkapital geflossen. Darüber hinaus zählt mit 2% auch die Hamburger Startup-Förderinitiative „Innovationsstarter Fonds“ zu den neuen Investoren.
Die drei Gründer und Geschäftsführer Inas Nureldin, Michael Schweikart und Jakob Berndt haben im Zuge der jüngsten Bewegungen im Cap Table ihre Anteilsmehrheit abgegeben. Hielten sie zuvor kumuliert noch 52,03% an Tomorrow, ist ihr Anteil nun auf zusammen 31,44% gesunken. Der Cap Table umfasst mittlerweile 26 Anteilseigner, von denen das Gros zwischen 0,3% und 5% der Anteile an dem Fintech hält. Bei Tomorrow wollte sich am Mittwoch auf Anfrage von Finanz-Szene zunächst noch niemand zu dem ganzen Thema äußern. Eine Stellungnahme soll aber folgen.
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