Exklusiv

Von fast 8 Mio. Konten auf noch 2 Mio. Konten – die Lage von Solaris in Zahlen

Dass die Mission schwierig würde, das hat Carsten Höltkemeyer gewusst, damals, im Herbst 2022. Aber so schwierig? Gecastet worden war er als künftiger Finanzchef. Dann aber sollte Höltkemeyer plötzlich CEO werden – schon diese Volte zeigte, dass vieles im Argen lag bei Solaris, der einst größten B2B-Hoffnung im Berliner Fintech-Universum. Höltkemeyer hat intern dann erst mal ein paar neue Prämissen formuliert: Fokus auf profitable Kundenbeziehungen. Trennung von Randbereichen. Verhältnis zur Bafin reparieren. Und ja, ein paar Leute mussten damals auch gehen. Es handelte sich um so etwas wie eine sanfte Restrukturierung.

Heute weiß man: Das war zu wenig. Weshalb die harte Sanierung jetzt nachgeholt wird. Wie die Solarisbank jüngst eingestehen musste, steht die von Höltkemeyers Vorgänger für viel Geld erworbene UK-Tochter Contis vor der Abwicklung. Fast alle dortigen Mitarbeiter (zuletzt um die 175) sollen gehen, genauso wie rund 80 hiesige Beschäftigte – womit sich die zuletzt noch rund 700 Köpfe große Gesamtbelegschaft um ein Drittel reduziert.

Bekannt ist: Schon 2023 wurden auf Contis satte 123 Mio. Euro (und damit weite Teile des Kaufpreises) abgeschrieben, alles in allem summierte sich der Verlust sogar auf 178 Mio. Euro. Noch nicht bekannt ist: Wie sehen die Zahlen darüber hinaus aus, was machen die Erträge, wie viele Konten werden überhaupt noch geführt, was sagt der Ausblick? Wir haben exklusiv den 2023er-Abschluss.

Hier die wichtigsten Erkenntnisse:

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1.) Wie sieht der Konzernabschluss aus?

in Mio. Euro20232022Delta in %
Provisionsergebnis61,385,2-28%
Zinsergebnis47,116,2191%
Sonstige betriebliche Erträge2,27,2-69%
Personalaufwand-63,9-70-9%
Wertminderungsverluste bei Finanzinstrumenten-12-850%
Abschreibungen-144,1-19,5639%
Sonstige Aufwendungen-78,8-67,117%
Ergebnis vor Steuern-188,2-55,7238%
Gesamtergebnis-178,3-65,7171%

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2.) Wie ist der Einbruch des Provisionsgeschäfts zu erklären?

Nachdem die Provisionserträge im Zuge der Contis-Übernahme in die Höhe geschossen waren, gingen sie 2023 um annähernd ein Fünftel auf nur noch 110 Mio. Euro zurück. Angesichts eines stabilen Provisionsaufwands von knapp 49 Mio. Euro ergab sich ein Provisionsergebnis von nur noch 61 Mio. Euro.

Die Solarisbank erklärt den Rückgang wesentlich mit der Aufgabe unprofitabler Kooperationen (siehe zuletzt auch unsere große Übersicht –> „Die gescheiterten B2B-Kooperationen der Solarisbank“). Dass der Provisionsaufwand nicht im selben Maße wie die Erträge zurückgingen, wird damit begründet, dass „der Umbau des Portfolios“ erst Ende 2023 „effektiv Wirkung entfaltet“ habe, die entsprechenden Einsparungen also erst im aktuellen Geschäftsjahr sichtbar werden.

Unklar bleibt, inwieweit sich die Beendigung der Geschäftsbeziehung mit der globalen Krypto-Börse Binance bereits in den 2023er-Erträgen niederschlägt. Binance galt als mit Abstand größter Kunde von Contis, allerdings wurde die Kooperation beendet, nachdem der Krypto-Anbieter seine 2020 gelaunchte „Binance Card“ eingestampft hatte. Der Geschäftsbericht merkt hierzu lediglich lapidar an: „Eine wesentliche Veränderung im Partner-Portfolio war die Beendigung der Kooperation mit Binance, einem der bisher wichtigsten Partner.“

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3.) Wo kamen die Erträge überhaupt noch her?

Offenkundig ist, dass von den traditionell vier Geschäftsbereichen …

  • Digital Banking
  • Lending
  • KYC & Identity
  • und Digital Assets

… nur noch einer als Ertragsquelle wirklich relevant ist, nämlich „Digital Banking“. Entfielen vor zwei Jahren nur knapp zwei Drittel der Umsätze auf diese Einheit, so waren es im vergangenen Jahr schon mehr als 90%. Das lag zum einen daran, dass vor allem in dieser Geschäftseinheit die deutlich gestiegenen Zinserträge anfielen (hier profitierte die Solarisbank angesichts von Kundeneinlagen in Höhe von 1,7 Mrd. Euro massiv von der Zinswende). Zum anderen gingen die Einnahmen der drei anderen Geschäftsbereiche aber auch deutlich zurück, und zwar aggregiert um mehr als die Hälfte auf nur noch 9 Mio. Euro.

Die „Digital Assets“-Einheit wird bekanntermaßen abgewickelt. Der „KYC“-Bereich verfehlte seine Planzahlen für 2023. Die „Lending“-Einheit schien zuletzt kaum noch nennenswertes Neugeschäft zu machen – wobei immerhin ein Teil des gestiegenen Zinsergebnisses laut Bericht auch auf eine „Steigerung im Kreditgeschäft“ zurückzuführen ist.

Da die Erträge aus dem jüngst übernommenen ADAC-Kreditkarten-Portfolio (siehe unser Themen-Dossier hier) ebenfalls wesentlich in die „Digital Banking“-Einheit fließen dürften, wird das Übergewicht dieses Geschäftsbereichs in Zukunft sogar noch zunehmen. Oder anders gesagt: Wirkliche Aussagekraft wird die Betrachtung nach Erlösquellen künftig nicht mehr haben. Die Grenzen verschwimmen und die spannenden Verschiebungen (etwa vom ursprünglichen „Konto & Karte“-Business auf das „Co-Branding“-Geschäft mit dem ADAC) dürften sich dann innerhalb einer Einheit abspielen.

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4.) Wer sind – neben dem ADAC – die großen Solaris-Partner?

Während sich die Solarisbank in den zurückliegenden beiden Jahren erklärtermaßen von vielen Altkunden trennte, blieb ein wenig diffus, welche namhaften neuen Partner eigentlich hinzugekommen (bzw. noch da) sind, jedenfalls jenseits des ADAC.

Tatsächlich finden sich dazu auch im 2023er-Geschäftsbericht eher schmale Hinweise:

  • Namentlich werden neben dem ADAC nur Coinbase und eToro als Partner genannt, diese allerdings beide als Kunden lediglich im „KYC“-Bereich
  • Ansonsten werden „Mobilität, Technologie und Gastgewerbe“ als die wichtigsten Kundensegmente genannt
  • Überdies seien „weitere Anwendungsfälle in den Bereichen Banking-as-a-Service und Umwelt erforscht“ worden

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5.) Wie viele Endkunden betreut die Solarisbank noch?

Gemessen an der Zahl der Konten waren es Ende 2023 signifikant weniger als Ende 2022 – nämlich nur noch 2,0 Mio. Stück, verglichen mit 7,5 Mio. Stück zwölf Monate zuvor. Mit der Aufgabe kleinerer Geschäftsbeziehungen allein ist dieser markante Einbruch kaum zu erklären, auch wenn die Solarisbank auf Anfrage in diese Richtung argumentiert („Im vergangenen Jahr haben wir uns aktiv von weniger rentablen Kunden getrennt und uns auf wesentliche Kooperationspartner fokussiert“). Wir vermuten, dass sich der Verlust von Trade-Republic-Konten vor allem an die Deutsche Bank und möglicherweise auch die Trennung von Binance in dem Einbruch widerspiegeln.

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6.) Was fehlt Solaris noch zur operativen Profitabilität?

Ausweislich des 2023er-Abschlusses eine ganze Menge, schließlich ist der operative Verlust in Höhe von 188 Mio. Euro nur zu grob zwei Dritteln auf die Contis-Abschreibungen zurückzuführen – auch bereinigt um diesen Effekt wäre ein Minus von 65 Mio. Euro zu konstatieren gewesen. Und in der Tat: Auch für 2024 rechnet der im Mai erstellte Geschäftsbericht wieder mit einem Jahresfehlbetrag, auch wenn dieser diesmal (ohne den Contis-Sondereffekt) naturgemäß „geringer“ ausfallen wird als 2023.

Auch im laufenden Jahr dürften sich die Provisionserträge eher schleppend entwickelt haben – denn das ADAC-Portfolio wurde ja erst im September migriert, wird also erst 2025 vollständig ertragswirksam. Umso interessanter ist die Frage, inwiefern das Zinsergebnis die Gesamterträge auch künftig stützen kann. Denn im vergangenen Jahr stammte der Zinsertrag „im Wesentlichen“ aus Einlagenzinsen bei der Bundesbank.

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