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Diese 33 deutschen Fintechs konnten trotz Krise funden. Aber zu welcher Bewertung?

Unsere Fintechs funden wieder. Den Anfang machte im Januar der „Buy now, pay later“-Spezialist Mondu mit 13 Mio. Euro. Es folgten das AML-Startup HawkAI mit gut 15 Mio. Euro, das Investment-Fintech Moonfare mit 14 Mio. Euro sowie das Insurtech-Unicorn Wefox mit rund 50 Mio. Euro.

Ungefähr die gleiche Summe will laut „Handelsblatt“ auch der Einlagenbroker Raisin einwerben (siehe auch unser Fintech-Ticker). Und am Freitag gab schließlich das Kreditkarten-Fintech Pliant ein 26 Mio.-Euro-Funding bekannt, an dem sich u.a. Carsten Maschmeyer, das Commerzbank-Vehikel Neosfer und Finleap-Chef Ramin Niroumand beteiligt haben. Macht alles in allem sechs nennenswerte Finanzierung seit Jahresbeginn – was deutlich mehr ist, als man nach dem Krisenjahr 2022 erwarten durfte.

Ist jetzt also alles wieder gut?

Kurzer Rückblick: Natürlich war auch letztes Jahr nicht alles schlecht an der Funding-Front. Einige der ganz großen Player (Trade Republic, SumUp) bekamen ebenso Geld wie einige der aufstrebenden Spieler (Moss, Upvest). Zugleich tat sich die breite Masse der hiesigen Fintechs allerdings merklich schwerer als im Boom-Jahr 2021. Due-Diligence-Prozesse dauerten wieder länger. Investoren stellten wieder kritische Fragen (tssss!). Und gerade viele angelsächsische VC-Fonds zeigten sich maximal zurückhaltend.

Die Folge: Alles in allem spuckt unsere Datensammlung trotz Krise zwar immer noch 33 Fundings für deutsche Finanz-Startups seit Anfang 2022 aus – bei einigen Fintechs lassen die entsprechenden Bewertungen aber doch zu wünschen übrig, wie unsere Berechnungen zeigen.

Die Analyse (zunächst in Form einer Tabelle, den Text finden Sie weiter unten):

Wann? Fintech Sektor Funding in Mio. Euro Errechnete Bewertung in Mio. Euro Kommunizierte Bewertung
2022
Jan. Mondu Kreditkarten 12,3 61,5  –
Jan. Banxware Lending as a Service 10 40  –
Jan. Finanzguru Finanz App 8 27,3  –
Jan. Moss B2B Kreditkarten 75 469 >500
Feb. Vivid Money Neobank 100  – 775 Mrd. Euro
Feb. Forget Finance Investment App 3,5 15,2  –
Mär. Payrails Payment Plattform 5,6  –  –
Apr. Lemon Markets Brokerage as a Service 15 90  –
Apr. Recap Working Capital 3,3  –  –
Apr. Tangany Digitale Verwahrplattform 7 43,75  –
Mai Elucidate KYC Risk Management 7,3 34,3  –
Jun. Trade Republic Neobroker 250  – 5 Mrd. Euro
Jun. Mondu B2B BNPL 40,8 174,3  –
Jun. Getquin Neobroker 14,2 44,8  –
Jun. Ecolytiq ESG Datenanalyse 13,5 29,2  –
Jun. Upvest Investment as a Service 39,8 131,3  –
Jun. Sumup Payment Terminals 590  – 8 Mrd. Euro
Jun. Solarisbank Banking as a Service 40  – 1,6 Mrd. Euro
Jun. ESG Book ehem. Arabesque ESG Datenanalyse 33,2 160  –
Jul. Wefox Insurtech 380,3  – 4 Mrd. Eurp
Jul. Kadmos Internationale Überweisungen 29 112  –
Jul. Element Insurtech 21,4 71,5  –
Aug. Unstoppable Finance Krypto 12,5 45  –
Sept. Ottonova Insurtech 34  –  –
Sept. Fulfin Finanzierung Ecom 4,35 15,6  –
Nov. Tactile Banking 20,6 n/a  –
Software
Dez. Bling Neobank 3,5 6,9  Achtstellig
2023
Jan. Mondu B2B BNPL 13 185,7  –
Jan. HawkAI AML 15,6 53,8  –
Feb. Moonfare PE Investment 14  –  –
Feb. Raisin Einlagen-Broker 50  –  –
Feb. Wefox Insurtech 50  –  –
Feb. Pliant B2B Kreditkarten 26  –  –

Quelle: Eigene Recherche auf Basis von Handelsregister & Unternehmensangaben; *laut Medienberichten

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Worauf basieren unsere Bewertungs-Berechnungen?

Wir haben die Höhe des Fundings in Relation zur Veränderung des Stammkapitals gesetzt, das sich bei den meisten Finanzierungsrunden dem Handelsregister entnehmen lässt. Damit sind wir auf eine Schätzung der sogenannten „Post-Money“-Bewertung gekommen, also der Bewertung nach Abschluss der Finanzierungsrunde. Die Rechnung ist natürlich etwas vereinfacht, denn nicht in jedem Fall spiegelt die Entwicklung des Stammkapitals eins zu eins die Vertragsgestaltung zwischen Fintechs und Investoren wider.

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Was haben wir außen vor gelassen?

  • Effekte aus Sonderabsprachen zwischen Investoren und Fintechs, etwa aus der Aufsplittung in sogenannte „Primary Shares“ und „Secondary Shares“, aus der Umwandlung von Wandeldarlehen als Teil der Finanzierung oder der Auszahlung der Finanzierung in Tranchen.
  • Währungseffekte (Finanzierungen in Dollar haben wir jeweils zu dem Kurs umgerechnet, der bei Veröffentlichung der Finanzierungsrunde galt)
  • Frühphasen- und Business-Angel-Investments unter 3 Mio. Euro sowie Finanzierungen, bei denen die Höhe des Investments nicht bekannt ist
  • Fundings, die in komplexen und bisweilen im Ausland ansässigen Holding-Strukturen abgewickelt wurden und deren Kapitalzusammensetzung aus den Registereinträgen daher nicht ersichtlich war

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Was sind die Erkenntnisse?

  • Flaggschiff-Fintechs wie SumUp oder Trade Republic kamen trotz Krise an Geld. Dafür gibt es laut Marktkennern zwei Interpretations-Möglichkeiten (die sich übrigens nicht gegenseitig ausschließen): 1) Die großen Fintechs verfügen bereits über Umsätze und ein reiferes Geschäftsmodell, das sich schneller auf Profitabilität trimmen lässt. 2) Es gibt auch unter Investoren eine Art „Too Big Too Fail“-Mentalität – sprich: Wer als Venture-Capital-Geber über Jahre auf ein Unicorn im Portfolio gesetzt hat, kann sich nicht mehr leisten, es fallen zu lassen. (Siehe hierzu auch unseren Podcast mit Birte Sewing)
  • Auch wenn sie unserer Liste zum Teil gar nicht auftauchen: Für kleinere Fintechs in frühen Phasen, die einen geringen Kapitalbedarf haben, fanden sich sogar im dritten Quartal 2022 noch Geldgeber – nicht nur für das Finanzierungs-Fintech Fulfin (siehe hier) oder die Taschengeld-App Bling, sondern einige unserer Liste aus oben genannten Gründen abgängigen Fintechs wie beispielsweise die Payment-Plattform Topi
  • Bei den Wachstum-Fintechs, die noch funden konnten, sind – zumindest für die vergangenen Monate und mit unserer Herangehensweise – noch keine krassen Downrounds á la Klarna (siehe hier) ersichtlich. Allerdings erscheinen manche Bewertungen im Lichte jüngster Entwicklung mindestens mal ambitioniert. Prominentes Beispiel Wefox: Das Insurtech hat Entlassungen angekündigt, laut Recherchen des „Manager Magazins“ (Paywall) könnte die Bewertung von den zuletzt kolportierten 4,5 Mrd. Euro auf unter 1,2 Mrd. Euro abschmelzen.
  • Was derweil bei den vier schon realisierten 2023er-Fundings auffällt: Es handelt sich bei zweien um Finanz-Startups, die im betrachteten Zeitraum zum zweiten Mal Kapital bekommen haben, genauer gesagt das auf „Buy now pay later“ für B2B spezialisierte Mondu sowie Pliant.

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