von Heinz-Roger Dohms, 7. Mai 2023
Im Fokus unserer Fintech-Berichterstattung standen in den vergangenen Jahren eigentlich immer – die Erträge. Bei N26 zum Beispiel stellten wir recht früh die damals noch sehr steile (und im Nachhinein korrekte) These auf, dass die 100 Mio. Euro bereits erreicht sein müssten. Die Solarisbank begleiteten wir von ihren embryonalen Anfängen (-> Solaris kommt gerade mal auf „echte Erträge“ in Höhe von 2 Mio. Euro) durch die umsatzmäßige Pubertät hindurch (siehe hier) bis ins Erwachsenenalter (siehe hier). Und bei Trade Republic wunderte uns eh nie was – auch nicht, dass die Erträge irgendwann vor langer Zeit mal binnen eines Jahres um 3.600% gestiegen sind.
Nun jedoch: Haben viele deutsche Fintechs zwar endlich ein ernstzunehmendes Ertragslevel erreicht, siehe auch unsere jüngste Recherche zur branchenweiten Umsatzexplosion nach der Corona-Pandemie. Die Investoren indes, denen es jahrelang fast nur um die Erträge ging? Fragen inzwischen vor allem nach Profitabilität. Und bekommen dabei häufig dermaßen unbefriedigende Antworten, dass in den letzten Monaten diverse Finanzierungen platzten und einige Player sogar die Biege machten. Zugegeben, bislang hat es überwiegend kleinere Fintechs getroffen. Doch was ist mit den anderen? Wie lang reicht die Liquidität? Wer hat wann zuletzt gefundet? Und wer müsste es eigentlich mal wieder tun?
Diesen Fragen wollen wir in den kommenden Wochen eine eigene Serie widmen. Den Anfang machen wir mit Finleap Connect, dem Berliner Open-Banking-Spezialisten, der einst zu großen Hoffnungen berechtigte – bis der Cashburn laut unseren Recherchen zuletzt sogar dem eigenen Wirtschaftsprüfer deutliche Sorgen bereitete. Wie ist der Stand der Dinge, wie geht’s weiter?
Teil eins unserer neuen Serie – unsere große Analyse:
Finleap Connect ist ein B2B-Fintech, das 2018 aus dem Zusammenschluss des Berliner Kontowechsel-Spezialisten Finreach mit dem Hamburger API-Startup Figo entstand. Die heutige Produktpalette besteht grob gesagt aus „Open Finance“-Diensten aller Art, was sich im Geschäftsbericht zuletzt beispielhaft so las:
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Offenbar nicht wirklich gut. Im Geschäftsjahr 2021 (aktuellere Zahlen liegen noch keine vor) kam das Fintech auf Provisionserträge von 7,8 Mio. Euro (+13%) – gemessen an den großen Ambitionen und der personellen Ausstattung deutlich zu wenig. Der Cashburn wurde zwar reduziert, blieb mit 7,6 Mio. Euro allerdings hoch.
Diffus bleibt zudem, was es mit der Mitte 2021 stolz verkündeten Kapitalerhöhung im Umfang von angeblich 22 Mio. Euro auf sich hatte. Tatsächlich lässt sich aus Registereinträgen nämlich lediglich eine Erhöhung der Kapitalrücklage von 11,7 Mio. Euro in jenem Jahr erkennen.
Wie es aussieht (und was bislang so nicht bekannt war), scheint sich Finleap Connect im Geschäftsjahr 2021 vielmehr einer tiefgreifenden Restrukturierung unterzogen zu haben. So ist dem Jahresabschluss zu entnehmen:
Von der vierköpfigen Geschäftsführung, die sich im 2021er-Abschluss findet, gehört dem Unternehmen inzwischen niemand mehr an. Stattdessen hat seit August 2022 die frühere Paypal-Managerin Nicola Breyer bei Finleap Connect das Sagen.
Die fehlende operative Schlagkraft spiegelt sich in einem jahrelang hohen Cashburn. So hatte Finleap Connect auch schon 2019 (8,1 Mio. Euro) und 2020 (12,5 Mio. Euro) sehr viel Geld verbrannt. In allen drei von uns untersuchten Geschäftsjahren entwickelten sich die operativen Zahlen unter Plan.
Da die Gesellschafter parallel immer wieder Geld nachschossen, entwickelte sich das Eigenkapital wie folgt …
Okay, die Tabelle ist ein bisschen schwer zu lesen. Hier das Ganze einmal erklärt:
Was aus unserer kleinen Tabelle nicht hervorgeht: Per Ende 2021 bestanden Nachrangschulden gegenüber einem der Gesellschafter (nämlich gegenüber der Muttergesellschaft Finleap) in Höhe von 4,3 Mio. Euro. Hinzu kam auf der Fremdkapitalseite eine Inhaberschuldverschreibung in Höhe von 3,4 Mio. Euro; diese wurde per März 2022 noch einmal um weitere 3,5 Mio. Euro erhöht.
Der Geschäftsbericht notiert hierzu: „Zur Besicherung der Inhaberschuldverschreibung sind die Bankkonten der Gesellschaft an den Gläubiger der Inhaberschuldverschreibung verpfändet.“ Auf besagten Bankkonten wiederum lagen per Ende 2021 noch rund 3,75 Mio. Euro.
Durch die beiden Kapitalspritzen im März 2022 (also die 2,0 Mio. Euro Eigenkapital sowie die 3,5 Mio. Euro Fremdkapital) entspannte sich die Funding-Situation zunächst einmal. Zugleich hält der 2021er-Abschluss allerdings fest (Fettung unsererseits):
„Vor dem Hintergrund von weiteren Investitionen in den Ausbau der Produkte und Services der Gesellschaft als Technologie und Plattform-as-a-Service Anbieter im Bereich von Finanzdienstleistungen sowie des Erschließens neuer Märkte wird planmäßig ein Jahresfehlbetrag und eine Liquiditätsunterdeckung aus dem operativen Geschäft auch in 2022 erwartet.„
Die Lage blieb also fragil.
Ausweislich der Ausführungen im Geschäftsbericht fuhr Finleap Connect daher zweigleisig:
PwC als Wirtschaftsprüfer von Finleap Connect fand in seinem Bestätigungsvermerk zum 2021er-Abschluss deutliche Worte (Fettungen unsererseits):
„Wir verweisen auf die Angaben in Abschnitt ‚Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden‘ im Anhang sowie die Angaben in Abschnitt ‚Risiken‘ des Lageberichts, in denen die gesetzlichen Vertreter beschreiben, dass der Fortbestand der Gesellschaft von der Realisierung der der Unternehmensplanung zu Grunde gelegten Wachstumsannahmen sowie von der weiteren finanziellen Unterstützung durch die Gesellschafter bzw. ansonsten von der erfolgreichen Umsetzung der Anpassung der Unternehmensorganisation abhängig ist. Wie in Abschnitt ‚Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden‘ des Anhangs und Abschnitt ‚Risiken‘ des Lageberichts dargelegt, deuten diese Ereignisse und Gegebenheiten auf das Bestehen einer wesentlichen Unsicherheit hin, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann und die ein bestandsgefährdendes Risiko im Sinne des § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB darstellt. Unsere Prüfungsurteile sind bezüglich dieses Sachverhalts nicht modifiziert.“
Wären seit der 2-Mio.-Euro-Spritze im März letzten Jahres weitere Eigenmittel zugeführt worden, müsste das anhand von Registereinträgen eigentlich nachvollziehbar sein – solche Einträge allerdings fehlen. Und auch die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen laut Linkedin* …
… deuten eher auf Sparkurs (also „Plan B“) als auf Wachstum (also „Plan A“) hin.
Tatsächlich dürfte der Status quo, glaubt man Schilderungen aus der Berliner Fintech-Szene, in etwa wie folgt aussehen:
Finleap-Connect-Chefin Nicola Breyer gab sich vergangene Woche auf telefonische Anfrage von Finanz-Szene entspannt. Zu Spekulationen nehme sie keine Stellung, sagte uns die Managerin – gab aber immerhin so viel zu Protokoll (wobei wir den Satz mit dem „großen Schritt“ so deuten, als wäre an der Sache mit dem neuen Ankerinvestor tatsächlich was dran):
„Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir unsere Ziele mit Bezug auf strategische Positionierung als führendes Open-Banking-Technologie-Unternehmen mit europäischen Wurzeln in unseren Kernmärkten in 2023 erreichen. Diese Ziele beinhalten auch einen großen Schritt hin zu finanzieller Unabhängigkeit. Ich persönlich freue mich auf alles, was in 2023 noch kommt und aufgrund der großen Unterstützung von Shareholdern, Kunden und Kolleginnen und Kollegen möglich ist.„
*Für die Abweichungen der Linkedin-Zahlen zu den Zahlen im Geschäftsbericht kann es eine Reihe von Gründen geben. In diesem Fall wohl der wichtigste: Verlieren Beschäftigte ihren Job, ändern sie ihr Social-Media-Profil häufig erst dann, wenn sie einen neuen gefunden haben. Dadurch hinken die Linkedin-Zahlen im Falle größerer Stellenstreichungen den tatsächlichen Zahlen gern hinterher. Als guten Proxy würde wir die Daten dennoch bezeichnen – auch im Falle von Finleap Connect.
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