Liquiditäts-Serie (#1)

Wie liquide ist … das Berliner Open-Banking-Fintech Finleap Connect?

Im Fokus unserer Fintech-Berichterstattung standen in den vergangenen Jahren eigentlich immer – die Erträge. Bei N26 zum Beispiel stellten wir recht früh die damals noch sehr steile (und im Nachhinein korrekte) These auf, dass die 100 Mio. Euro bereits erreicht sein müssten. Die Solarisbank begleiteten wir von ihren embryonalen Anfängen (-> Solaris kommt gerade mal auf „echte Erträge“ in Höhe von 2 Mio. Euro) durch die umsatzmäßige Pubertät hindurch (siehe hier) bis ins Erwachsenenalter (siehe hier). Und bei Trade Republic wunderte uns eh nie was – auch nicht, dass die Erträge irgendwann vor langer Zeit mal binnen eines Jahres um 3.600% gestiegen sind.

Nun jedoch: Haben viele deutsche Fintechs zwar endlich ein ernstzunehmendes Ertragslevel erreicht, siehe auch unsere jüngste Recherche zur branchenweiten Umsatzexplosion nach der Corona-Pandemie. Die Investoren indes, denen es jahrelang fast nur um die Erträge ging? Fragen inzwischen vor allem nach Profitabilität. Und bekommen dabei häufig dermaßen unbefriedigende Antworten, dass in den letzten Monaten diverse Finanzierungen platzten und einige Player sogar die Biege machten. Zugegeben, bislang hat es überwiegend kleinere Fintechs getroffen. Doch was ist mit den anderen? Wie lang reicht die Liquidität? Wer hat wann zuletzt gefundet? Und wer müsste es eigentlich mal wieder tun?

Diesen Fragen wollen wir in den kommenden Wochen eine eigene Serie widmen. Den Anfang machen wir mit Finleap Connect, dem Berliner Open-Banking-Spezialisten, der einst zu großen Hoffnungen berechtigte – bis der Cashburn laut unseren Recherchen zuletzt sogar dem eigenen Wirtschaftsprüfer deutliche Sorgen bereitete. Wie ist der Stand der Dinge, wie geht’s weiter?

Teil eins unserer neuen Serie – unsere große Analyse:

1.) Wer ist Finleap Connect?

Finleap Connect ist ein B2B-Fintech, das 2018 aus dem Zusammenschluss des Berliner Kontowechsel-Spezialisten Finreach mit dem Hamburger API-Startup Figo entstand. Die heutige Produktpalette besteht grob gesagt aus „Open Finance“-Diensten aller Art, was sich im Geschäftsbericht zuletzt beispielhaft so las:

  • „Die Gesellschaft [bietet] den einmaligen oder fortlaufenden Zugriff auf Transaktionsdaten für B2B-Kunden in Übereinstimmung mit den Vorgaben PSD2-Richtlinie und dem ZAG“
  • „Die Gesellschaft [bietet] ihren Businesskunden für deren Endkunden einen Kontowechselservice für Depots- und Zahlungskonten an“
  • „Daneben werden [Apps] angeboten, bei denen es sich um „White-Label-Frontend-Anwendungen“ handelt, die mit dem Kernbankensystem des Partners Solarisbank AG verbunden sind“
  • „Über das italienische Tochterunternehmen wird eine modulare SaaS-Plattform (Lendbox) vertrieben, die den gesamten Prozess der Finanzierung von Gehaltsdarlehen […] abdeckt, von der Online-Lead-Generierung bis zur Underwriting-Phase im Auftrag der B2B-Partnerbank.“

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2.) Wie steht Finleap Connect operativ da?

Offenbar nicht wirklich gut. Im Geschäftsjahr 2021 (aktuellere Zahlen liegen noch keine vor) kam das Fintech auf Provisionserträge von 7,8 Mio. Euro (+13%) – gemessen an den großen Ambitionen und der personellen Ausstattung deutlich zu wenig. Der Cashburn wurde zwar reduziert, blieb mit 7,6 Mio. Euro allerdings hoch.

Diffus bleibt zudem, was es mit der Mitte 2021 stolz verkündeten Kapitalerhöhung im Umfang von angeblich 22 Mio. Euro auf sich hatte. Tatsächlich lässt sich aus Registereinträgen nämlich lediglich eine Erhöhung der Kapitalrücklage von 11,7 Mio. Euro in jenem Jahr erkennen.

Wie es aussieht (und was bislang so nicht bekannt war), scheint sich Finleap Connect im Geschäftsjahr 2021 vielmehr einer tiefgreifenden Restrukturierung unterzogen zu haben. So ist dem Jahresabschluss zu entnehmen:

  • Die Zahl der Angestellten wurde deutlich reduziert, nämlich von 140 auf 97 (was auch mit dem parallel gestarteten Rückbau der Muttergesellschaft Finleap zum reinen Investmentvehikel zusammengehangen haben dürfte)
  • Die Produkpalette wurde merklich gestrafft („Die Gesellschaft hat sich entschieden, die bisherigen Produkte eKYC, advisory suite und vCFO aufgrund mangelnder Marktakzeptanz und nicht kompatibler strategischer Passfähigkeit nicht fortzuführen.“)
  • Eine weitere Projektentwicklung namens „Backstage“ wurde abgespalten und in eine Beteiligung an der „42stages GmbH“ überführt. Dieser Schritt wurde im August 2021 zwar ausgesprochen offensiv kommuniziert („Finleap connect und C Ventures gründen den Software-as-a-Service-Anbieter 42stages im Bereich RegTech … Damit setzt Finleap Connect seine Expansionsstrategie konsequent fort“) – zwölf Monate später war das neue Unternehmen allerdings laut unseren Recherchen bereits liquidiert

Von der vierköpfigen Geschäftsführung, die sich im 2021er-Abschluss findet, gehört dem Unternehmen inzwischen niemand mehr an. Stattdessen hat seit August 2022 die frühere Paypal-Managerin Nicola Breyer bei Finleap Connect das Sagen.

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3.) Was verrät der Abschluss über die Funding-Situation?

Die fehlende operative Schlagkraft spiegelt sich in einem jahrelang hohen Cashburn. So hatte Finleap Connect auch schon 2019 (8,1 Mio. Euro) und 2020 (12,5 Mio. Euro) sehr viel Geld verbrannt. In allen drei von uns untersuchten Geschäftsjahren entwickelten sich die operativen Zahlen unter Plan.

Da die Gesellschafter parallel immer wieder Geld nachschossen, entwickelte sich das Eigenkapital wie folgt …

alle Angaben in Mio. Euro Eigenkapital der Finleap Connect
Von der Gründung bis ins Jahr 2020 0,11 gezeichnetes Kapital
34,34 Kapital-Rücklage
– 32,20 (!) Burn
War gleich …
Ende 2020 2,05 Bestand
Feb 21 1,75 2. Tranche aus alter Runde
Jun 21 8,00 1. Tranche aus neuer Runde
– 7,59 Burn
War gleich …
Ende 2020 4,22 Bestand
März 22 2,00 2. Tranche aus neuer Runde

Okay, die Tabelle ist ein bisschen schwer zu lesen. Hier das Ganze einmal erklärt:

  • Ab Gründung bis Ende 2020 hatten die Gesellschafter rund 34 Mio. Euro in die Finleap Connect eingezahlt.
  • 2021 flossen einmal 1,75 Mio. Euro und einmal 8 Mio. Euro hinein, sodass trotz des Jahresfehlbetrags von 7,59 Mio. Euro per Jahresende noch 4,22 Mio. Euro Eigenkapital übrig waren.
  • Im März 2022 schossen die Gesellschafter unseren Recherchen zufolge dann weitere 2,0 Mio. Euro zu.

Was aus unserer kleinen Tabelle nicht hervorgeht: Per Ende 2021 bestanden Nachrangschulden gegenüber einem der Gesellschafter (nämlich gegenüber der Muttergesellschaft Finleap) in Höhe von 4,3 Mio. Euro. Hinzu kam auf der Fremdkapitalseite eine Inhaberschuldverschreibung in Höhe von 3,4 Mio. Euro; diese wurde per März 2022 noch einmal um weitere 3,5 Mio. Euro erhöht.

Der Geschäftsbericht notiert hierzu: „Zur Besicherung der Inhaberschuldverschreibung sind die Bankkonten der Gesellschaft an den Gläubiger der Inhaberschuldverschreibung verpfändet.“ Auf besagten Bankkonten wiederum lagen per Ende 2021 noch rund 3,75 Mio. Euro.

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4.) Der „Plan A“ und der „Plan B“

Durch die beiden Kapitalspritzen im März 2022 (also die 2,0 Mio. Euro Eigenkapital sowie die 3,5 Mio. Euro Fremdkapital) entspannte sich die Funding-Situation zunächst einmal. Zugleich hält der 2021er-Abschluss allerdings fest (Fettung unsererseits):

„Vor dem Hintergrund von weiteren Investitionen in den Ausbau der Produkte und Services der Gesellschaft als Technologie und Plattform-as-a-Service Anbieter im Bereich von Finanzdienstleistungen sowie des Erschließens neuer Märkte wird planmäßig ein Jahresfehlbetrag und eine Liquiditätsunterdeckung aus dem operativen Geschäft auch in 2022 erwartet.

Die Lage blieb also fragil.

Ausweislich der Ausführungen im Geschäftsbericht fuhr Finleap Connect daher zweigleisig:

  • Plan A: Die eigentliche Planung sah vor, dass der Wachstumskurs fortgesetzt wird, die Gesellschafter zur Finanzierung dieser Strategie bereits in 2022 weitere Eigenmittel erhält, bevor es im dritten Quartal 2023 endlich gelingen sollte, „positive Ergebnisbeträge“ zu erwirtschaften – also profitabel zu arbeiten. Wie sehr diese Wachstumsstrategie allerdings nach weiterer Liquidität verlangte, erkennt man daran, dass das Management (für den Fall der Umsetzung des „Plan A“) für 2022 von einem weiterem Cashburn in Höhe von annähernd 6 Mio. Euro ausging. Sprich: Zur Finanzierung der Wachstumsstrategie hätte es rechnerisch quasi das komplette per März 2022 vorhandene Eigenkapital (also die per Ende 2021 vorhandenen 4,22 Mio. Euro plus die zugeführten 2,0 Mio. Euro) gebraucht. Ein Kurs, der kaum ohne frisches Kapital ausgekommen wäre. Verständlich also, dass die Geschäftsführung  das folgende Alternativ-Szenario entwarf …
  • Plan B: „Sollte sich die Zuführung der benötigten finanziellen Mittel nicht wie von der Gesellschaft angestrebt im Geschäftsjahr 2022 realisieren lassen, verfügt die Gesellschaft über eine alternative Unternehmensplanung, die gezielte Anpassungen in der Unternehmensorganisation und ein verlangsamtes Wachstum vorsieht. Dadurch können positive Ergebnisbeiträge bereits ab Q4 2022 erzielt und die Liquidität der Gesellschaft aus heutiger Sicht mindestens bis zum Ende des 3. Quartals 2023 sichergestellt werden. Einer weiteren Stützung der Eigenmittel zur Erhaltung des Kernkapitals bedarf es dann nicht.“   

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5.) Was sagt der Wirtschaftsprüfer?

PwC als Wirtschaftsprüfer von Finleap Connect fand in seinem Bestätigungsvermerk zum 2021er-Abschluss deutliche Worte (Fettungen unsererseits):

„Wir verweisen auf die Angaben in Abschnitt ‚Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden‘ im Anhang sowie die Angaben in Abschnitt ‚Risiken‘ des Lageberichts, in denen die gesetzlichen Vertreter beschreiben, dass der Fortbestand der Gesellschaft von der Realisierung der der Unternehmensplanung zu Grunde gelegten Wachstumsannahmen sowie von der weiteren finanziellen Unterstützung durch die Gesellschafter bzw. ansonsten von der erfolgreichen Umsetzung der Anpassung der Unternehmensorganisation abhängig ist. Wie in Abschnitt ‚Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden‘ des Anhangs und Abschnitt ‚Risiken‘ des Lageberichts dargelegt, deuten diese Ereignisse und Gegebenheiten auf das Bestehen einer wesentlichen Unsicherheit hin, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen kann und die ein bestandsgefährdendes Risiko im Sinne des § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB darstellt. Unsere Prüfungsurteile sind bezüglich dieses Sachverhalts nicht modifiziert.“

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6.) Wie ist der Status quo?

Wären seit der 2-Mio.-Euro-Spritze im März letzten Jahres weitere Eigenmittel zugeführt worden, müsste das anhand von Registereinträgen eigentlich nachvollziehbar sein – solche Einträge allerdings fehlen. Und auch die Entwicklung der Mitarbeiterzahlen laut Linkedin* …

  • April 2022: 140
  • Oktober 2022: 106
  • April 2023: 88

… deuten eher auf Sparkurs (also „Plan B“) als auf Wachstum (also „Plan A“) hin.

Tatsächlich dürfte der Status quo, glaubt man Schilderungen aus der Berliner Fintech-Szene, in etwa wie folgt aussehen:

  • Finleap Connect war in den letzten Monaten offenbar um finanzielle Konsolidierung bemüht. Ob es hierfür weitere Liquidität in Form von Fremdkapital brauchte, ist unklar – im Zweifel darf man allerdings davon ausgehen, dass die Muttergesellschaft Finleap (also der einstige „Company Builder“, der sich inzwischen auf die Verwaltung seiner bestehenden Beteiligungen beschränkt) entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt haben sollte.
  • Der Wechsel der Geschäftsführung geht dem Vernehmen nach mit einer inhaltlichen Fokussierung einher. In den vergangenen Jahren war laut Marktkennern eher diffus, wofür das Fintech im Vergleich zu anderen Open-Banking-Dienstleistern eigentlich steht. Von der neuen Chefin Breyer heißt es, sie wolle Finleap Connect wieder sehr viel klarer als „Software as a Service“-Anbieter ausrichten.
  • Für eine ambitionierte Neuausrichtung bräuchte es vermutlich jedoch frisches Kapital. Aus der Szene war zuletzt zu hören, dass Finleap Connect nach einem neuen Ankerinvestor Ausschau halte – und den (sagt eine Quelle) angeblich sogar gefunden haben soll. Verkündet wurde bislang allerdings nichts. Und auch im Handelsregister gibt sich bislang kein neuer Gesellschafter zu erkennen. Wofür es zwei Erklärungen geben könnte: Entweder, der angestrebte Deal ist noch nicht fix. Oder der neue Investor muss noch das Inhaberkontrollverfahren der Bafin durchlaufen (was bei einem Anteil von mindestens 10% der Fall wäre).

Finleap-Connect-Chefin Nicola Breyer gab sich vergangene Woche auf telefonische Anfrage von Finanz-Szene entspannt. Zu Spekulationen nehme sie keine Stellung, sagte uns die Managerin – gab aber immerhin so viel zu Protokoll (wobei wir den Satz mit dem „großen Schritt“ so deuten, als wäre an der Sache mit dem neuen Ankerinvestor tatsächlich was dran):

„Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir unsere Ziele mit Bezug auf strategische Positionierung als führendes Open-Banking-Technologie-Unternehmen mit europäischen Wurzeln in unseren Kernmärkten in 2023 erreichen. Diese Ziele beinhalten auch einen großen Schritt hin zu finanzieller Unabhängigkeit. Ich persönlich freue mich auf alles, was in 2023 noch kommt und aufgrund der großen Unterstützung von Shareholdern, Kunden und Kolleginnen und Kollegen möglich ist.


*Für die Abweichungen der Linkedin-Zahlen zu den Zahlen im Geschäftsbericht kann es eine Reihe von Gründen geben. In diesem Fall wohl der wichtigste: Verlieren Beschäftigte ihren Job, ändern sie ihr Social-Media-Profil häufig erst dann, wenn sie einen neuen gefunden haben. Dadurch hinken die Linkedin-Zahlen im Falle größerer Stellenstreichungen den tatsächlichen Zahlen gern hinterher. Als guten Proxy würde wir die Daten dennoch bezeichnen – auch im Falle von Finleap Connect.

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